Gastbericht der Familie Grondinger
August 2008
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September 2008
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Anreise nach Oslo
(04.08. bis 13.08. – 2.135 km)
Obertrum–
Deutschland –
Wasserburg – Regensburg –Weiden – Naumburg – Magdeburg
– Braunschweig – Lüneburg – Hamburg – Lübeck –
Fähre Puttgarden > Rødbyhavn (Vogelfluglinie) –
Dänemark
– Öresundbrücke –
Schweden – Fjällbacka – Tanum
(Vitlycke & Fossum) –
Norwegen -
Oslo
Montag, 04.08. (121 km)
Nun nach 6 Nächten in Obertrum
sitzen wir wieder allein im Mobil. Nachdem wir den Chiemsee
entlanggefahren sind, besichtigten wir den Ort
Wasserburg in Bayern. Anfangs von der schon sehr
ruinösen Burg etwas enttäuscht, durchwanderten wir den mittelalterlichen
Stadtkern und betrachteten entzückt die gotischen Häuser. Zu müde, um
noch lange bis zu einem Campingplatz weiterzufahren, machen wir es uns
hier am Parkplatz gemütlich, essen ein bisschen kalten Lachs und setzen
uns an den Laptop.
Dienstag, 05.08. (296 km)
Wir erwachen schon ziemlich früh,
machen uns fertig und fahren mit dem Rad nochmals zur Kirche St.
Jakob, um die schön geschnitzte Kanzel zu fotografieren.
Dann folgen wir der B15 nach Landshut. Die Stadt gefiele
uns gut, aber wir haben keine Zeit, sie näher zu erkunden, da wir in
Norwegen oben die Zeit zum Besichtigen benötigen werden. Wir folgen
der Straße weiter bis Regensburg und finden dort glatt in
der Nähe der Alten Wurstkuchl einen großen freien Platz für unser
WoMo.
Das Lokal ist gesteckt voll. Die
Kellnerin ist nicht sehr schnell, dafür aber herrisch, und wir müssen
lange auf unsere Würstchen warten. Ein italienisches und ein bayrisches
Ehepaar an unserem Tisch haben das gleiche Problem, und so wird es
zumindest kurzweiliger. Hinter Regensburg wechseln wir auf die
A93. Das Navi teilt nicht immer unsere Meinung und möchte uns des
öfteren wenden lassen, Georg ist nun schon misstrauisch geworden
und glaubt nun eher mir, womit er natürlich Recht hat - ich habe
mich inzwischen zur idealen Co-Pilotin entwickelt.
Am Nachmittag machen wir eine
Besichtigungspause in
Weiden, der Stadt, wo alte Handelstraßen einander
kreuzten, die Goldene Straße von Nürnberg nach Prag,
die schon Kaiser Karl IV. einrichtete, und die alte
Straße von Nord nach Süd. Auch hier gibt es viele mittelalterliche
Häuser und Herbergen. In der Fußgängerzone ist ein Lokal neben dem
anderen, und man glaubt, die Leute hätten hier nichts Anderes zu tun,
als auf der Straße zu sitzen und sich zu unterhalten. Man möchte sich am
liebsten dazusetzen. Wir schauen uns noch die beiden Kirchen an.
Von der Josef-Kirche bin ich total begeistert. Sie ist
erst ca. 120 Jahre alt; die Pfarre und die Einwohner waren mit den
Erstentwürfen nicht zufrieden, und so bekam 1907 Herr Hofstätter
den Auftrag, sie im Jugendstil zu vollenden, was auch total
gelungen ist. Von der Wiener Kirche am Steinhof abgesehen und
vielleicht jener in Wien-Neulerchenfeld, habe ich noch
keine so schöne Kirche im Jugendstil gesehen. Es muss nicht
unbedingt alles alt sein, um gut zu wirken.
Nachdem wir bei Wiesau von
der Autobahn runter mussten, um zu tanken, haben wir uns gleich einen
Stellplatz in der Nähe gesucht und sind auf einem Bauernhof bei
Sinatengrün gelandet. Alles sehr einfach, aber romantisch. Wir
haben unseren Tisch zum Weiher gestellt, um zu Abend zu essen, die
Kinder haben mit ihren Tretautos Runden um uns gedreht und auch Ball
gespielt, so dass ich Angst bekam, der Ball könnte in unserer
Kaspressknödelsuppe landen. Bald wurde es dann zu feucht und kühl,
und die Nacht zog ihre Decke über uns. Wieder eine ganz neue Art von
Erfahrung. Morgen früh werden wir uns das Biotop, das man eben im
Begriff ist, fertig zu bauen, näher anschauen.
Mittwoch, 06.08. (369 km)
Während der Nacht hat es jedoch sehr
abgekühlt, so dass wir am Morgen zum ersten Male einen Pullover
anziehen. Doch schon nach dem Frühstück kommt die Sonne heraus, und es
wird schnell sogar heiß. Wir machen uns auf den Weg über Hof, Bad
Elster, Plauen, Greiz und Gera, wo wir kurz zum Aldi
reinschauen und zu Mittag im WoMo essen.
Wir haben Probleme, den richtigen
Weg zu finden. Die Straßenkarten überschneiden sich, und der
Navigator leitet uns immer auf kleine Bundesstraßen, wo wir nur sehr
langsam und mühsam weiterkommen.
Nun irgendwie gelangen wir über
Zeitz nach
Naumburg. Zuerst besuchen wir die Wenzelskirche
mit einer wunderschönen Orgel, die auch entsprechend oft für Konzerte
genützt wird, und zwei Bildern von Lukas Cranach d.Ä. Dies
entschädigt uns für die verlorene Zeit.
Der Dom St. Peter und
Paul selbst besticht durch seine Einfachheit und edle
Ausführung. Da waren die berühmten Naumburger Meister am Werk und
haben diese 12 schönen Figuren in der Vorderkirche geschaffen, wovon
besonders Ekkehard und Uta berühmt sind.
Die Darstellung der
Passionsgeschichte im westlichen Lettner, der die Schranke zwischen
Klerus und Laien bildet, ist zum Teil vollplastisch in acht
meisterhaften Szenen wiedergegeben.
Die Altstadt von
Naumburg ist sehr historisch geprägt und bietet viele malerische
Sehenswürdigkeiten. Zu schnell vergeht die Zeit beim Betrachten dieses
mittelalterlichen Panoramas, wir müssen weiter, unser eigentliches Ziel
ist ja Norwegen. Leichter gesagt, als getan – In Weißenfels
erreichen wir wieder die Autobahn. Doch unsere Freude währt nicht
lange, schon wieder eine Baustelle vor Halle und eine schlecht
bis gar nicht ausgeschilderte Umleitung, die uns irgendwie auf kleine
Straßen führt, ohne jemals wieder zurück zur Autobahn zu zeigen. Die
Passanten, die wir um Hilfe bitten, können uns gut verstehen,
anscheinend haben sie selbst auch Schwierigkeiten mit diesem Chaos.
Dann geht es endlich bis zum
Autopark-Stellplatz LOMO in Hohenwarsleben bei Magdeburg
halbwegs flott weiter.
Hier inmitten all der Lastautos und
Container sollen wir die Nacht verbringen. Der erste Anschein trügt
gottlob, wir kriegen am Rande einer Grünfläche ein für Wohnmobile
reserviertes, gepflastertes Areal mit Stromanschluss zugewiesen, und
während wir noch mit dem Einrichten beschäftigt waren, geht neben uns
ein Heißluftballon nieder. Leider konnte ich durch Georgs
Ungeduld nicht mehr verfolgen, wie es mit dem Ballon weiterging.
Ich fand es
irgendwie lustig, den Campingtisch hinauszustellen und uns das Nachtmahl
appetitlich anzurichten. Wir genossen Huhn mit Kartoffeln, Karotten und
Zucchini, die ich noch vom Chiropraktiker Helmut in Obertrum
bekommen hatte, und ein gutes Glas Rotwein dazu, was mich auch gut
schlafen ließ
Donnerstag, 07.08. (334 km)
Heute haben wir mit einem guten
Obst-Frühstück begonnen, doch als wir dann nach der Entsorgung für das
WoMo suchten, die laut oberflächlicher Auskunft der Agip-Tankstelle
„hinter dem Haus“ sein sollte, fanden wir nur einen Kanal vor, In den
Georg Abwasser abließ und die Fäkaliencassette entleerte. Nun lernte
ich zum ersten Mal ostdeutsche Stasimanieren kennen: Da kam doch so ein
aufgeblasener Wichtigtuer von Agip und rief die Polizei, weil wir das
Automatenentsorgungssystem nicht erkannt und daher auch nicht benutzt
hatten. Es sah so richtig abgekartet aus. Die Autobahnpolizei kam dann
auch und war viel entgegenkommender als der blöde Aufseher. Sie
bedauerten sogar, dass wir mit jenem „an den Richtigen“ geraten seien.
Außer Ärger und Verdruss hat uns das zusätzlich eine Stunde gekostet und
möglicherweise eine Anzeige wegen eines Umweltvergehens eingebracht,
weil der Kanal nur für Oberflächenwasser (Regen) bestimmt sei…
So war es dann auch schon Mittag,
als wir in
Magdeburg ankamen. Heute nahmen wir doch die Räder
herunter, um schneller zum Dom zu kommen. Unser Erstaunen war
groß, als wir in der Nähe des Domes ein riesiges
Hundertwasser-Haus vorfanden. Dies war anscheinend des
Künstlers letztes Werk, das sogar erst drei Jahre nach seinem Tod zur
Ausführung kam. Wie alle seine Bauten ist es für mich ein erfreulicher
Anblick, der mein Leben bereichert.
Der berühmte Dom von
Magdeburg lässt durch seine großen Fenster viel Licht ein, so sah
ich zum Beispiel beim Fotografieren der aus Alabaster schön gemeißelten
Kanzel gerade das Sonnenlicht auf die Jesusfigur fallen. Auch
die Madonna aus dem 13. Jh. kam so sehr gut zur Geltung. Das Chorgestühl
ist von besonderer Feinheit, die „Miserikordien“ unter den
Sitzflächen zeigen eine Fülle von humoristischen, oft derben Bildern,
die die Domherren an einen gottgefälligen Lebenswandel erinnern sollten.
Ob es was genützt hat?
In der durch den Lettner
getrennten Vorderkirche sieht man das Grab von Kaiser Otto
I., der uns 996 den Namen Ostarrichi gegeben hat.
Nach einer Pause mit Weißwürsten im
WoMo fahren wir nach
Braunschweig, um den Dom diesmal auch von
innen zu sehen. Bei unserem letzten Besuch wurde er vor unserer Nase
gerade geschlossen. Bei diesem Dom bestimmt die Architektur durch
die Aneinanderreihung der einzelnen schlanken gotischen Bögen den
Raum. Die Secco-Wandmalereien in der Kuppel sind gleich
ins Auge gefallen, sie zählen zu den bedeutendsten aus dem 13. Jh.,
auch das Imervard-Kreuz ist eine wichtige mittelalterliche
Skulptur. Sehr gut gefiel mir Christus im Elend und die
Passionssäule. Genug Kultur für heute, nun wollen wir noch ein Stück
weiterkommen.
Und Georg fährt und fährt.
Unterwegs beginnt ein Gewitter mit solch starkem Seitenwind, dass wir
lieber eine Rast einlegen, um nicht umgeblasen zu werden. Aber es
beginnt immer wieder zu schütten, und es ist wahrlich keine angenehme
Fahrt, bis wir endlich um 20.30 h den Campingplatz Stover Strand
in Drage an der Elbe erreichen. Müde und frustriert
von Georgs ständigen Meckereien mache ich eine Runde um den Platz
und entdecke zu meinem Erstauen, dass wir auf einem wunderschönen
Fleckchen Erde gelandet sind. Es gibt hier einen Teich voller Seerosen,
wo die Leute locker herum campieren, und die Fläche auf der anderen
Seite jenseits des Dammes gehört auch noch zum Areal. Hier lagern viele
Urlauber, die auch Boote besitzen und damit auf der Elbe fahren.
Ein echt schöner Platz, um einige Zeit hier Urlaub zu machen, leider
spielt nur das Wetter heute nicht mit. Das Gewitter hat hier auch übel
mitgespielt, überall stehen noch die Pfützen. Als es langsam dunkel
wird, kehre ich zum WoMo zurück und bereite uns Ham and eggs zu.
Mahlzeit und gute Nacht.
Freitag, 08.08. (0 km – 54 km mit dem Roller)
Nun ja, heute an diesem trüben
Morgen freute mich erst einmal gar nichts, so ging ich halt duschen, um
meine Gelenke aufzuwärmen. Georg hatte die glorreiche Idee,
inzwischen Frühstück zu machen. Für ihn bedeutet dies natürlich frisches
Gebäck und etwas Gutes drauf. Auch egal, heute muss ich so etwas
verändern. Als er mir vorschlug, mit dem Roller nach
Lüneburg zu fahren, waren mir die 27 Kilometer dorthin
zuviel, nur ausruhen wollte ich aber auch nicht. So zog ich dann doch
mein Jeanszeug und feste Schuhe an, und wir fuhren los. Eine längere
Fahrt auf dem Soziussitz des Rollers macht mir nicht soviel Spaß. Es
zieht von allen Seiten, sehen kann ich wegen Georgs breitem
Rücken auch nicht viel, so sitze ich wie eine Statue, grad Beckenboden-
oder Atemübungen kann ich machen. Das ist nicht meines, aber ich wollte
keine Spaßverderberin sein. Als es dann schon nahe Lüneburg zu
regnen anfing, war es, glaube ich, auch für den Georgi keine
Freude mehr. Leider hörte es auch in der Stadt nicht auf, und so wurden
wir ordentlich nass.
Wir waren auf der Suche nach einem
Postamt, weil wir unseren jungen Chinesen – der ältesten CHEN-Tochter
Jíng Huí und ihrem Bräutigam CHIU (recte QIU)
Wei, der übrigens gar nicht Chinesisch spricht … – die ja heute, am
denkwürdigen 08.08.08, heiraten, ein
Glückwunschtelegramm mit Musik senden möchten. Das Postamt war nach
Stadtplan eine Viertelstunde entfernt. Wir wollten Nützliches mit
Notwendigem verbinden und durch das sehenswerte Handwerkerviertel
an unser Ziel gelangen, sahen und fotografierten jede Menge von sehr
romantischen, mit viel Grün und Rosen bewachsenen Häusern, achteten
dabei gar nicht mehr auf den Regen, der einmal stärker, dann wieder
weniger an uns runterlief, aber die Post fanden wir lange nicht.
Es mag wohl eine dreiviertel Stunde gedauert haben, ich bin einfach
alleine weitergelaufen, weil Georg immer die Passanten
ausquetscht, aber da war etwas Gelbes, tatsächlich eine Postbank, oder
Bankpost. „Ein Telegramm wollen Sie aufgeben, ja das tun wir schon
lange nicht mehr. Da müssen sie den Telefondienst anrufen und es dort
bestellen. Ist aber sehr teuer, darum macht es ja bei uns keiner mehr.
Bezahlen, ja das geht auf ihre Telefonrechnung, Ah, Sie zahlen bei uns
kein Telefon. Dann haben Sie Pech, aber versuchen Sie es mit
Kreditkarte!“Man versucht es und ruft an. „Haben Sie kein
Internet ?“, werden wir gefragt, „Telegramme ins Ausland gibt es
nicht mehr.“ Aus, basta. So schnell ändern sich die Zeiten!
So rufen wir meine Schwester
Hilde in Stockerau an und bitten sie, das vor dort aus für
uns alle drei zu erledigen. Nach einiger Zeit kommt ihr Rückruf: es gebe
in Österreich überhaupt keine Telegramme mehr ! Welch ein „Fortschritt
!“
Es hat inzwischen aufgehört zu
regnen, so haben wir noch Zeit, uns die Innenstadt genauer anzusehen.
Wir inspizieren den Marktplatz Am Sande, jedes einzelne
Haus wäre im Grunde sehenswert. Wir kaufen uns ein Kebab und essen es
gleich dort, um den Anblick und die Atmosphäre der Altstadt länger
genießen zu können. Später gehen wir gehen zum Alten Hafen, sehen
dort den Alten Kran und die anheimelnden Lokale, die sich ans
Ufer der Ilmenau schmiegen und ziemlich gut besucht sind. Eine
alte Kutsche führt Touristen herum.
Ohne Kirche geht es doch nicht, und
so besuchen wir die Nikolai-Kirche, die von außen nicht so
viel verspricht, dafür innen doch viele Kunstschätze besitzt. Speziell
hinter dem Flügelaltar sind im Chorumgang schöne
vergoldete, gut erhaltene Reliefs zu sehen. Die Krypta
wurde zum Raum der Stille bestimmt, sie ist äußerst meditativ
eingerichtet. Zufrieden bereiten wir uns auf die Rückfahrt vor. Wir
haben Glück und kommen trocken nach Hause.
Es ist inzwischen 14 h geworden, und
die Fernsehübertragung der Eröffnung der Olympischen Spiele
aus Peking beginnt. Der chinesische Filmregisseur
Zhang Yimou hatte viele und überraschend gute
Ideen. Man zeigt soviel Schönheit und Harmonie in Tanz, Musik, Bewegung
und Choreografie, wie wir es bis jetzt eigentlich nur von Chinesen
gesehen haben. Die Technik ist am allerletzten Stand, gut ausgetüftelt
und eigentlich ohne Panne, mit speziellen Überraschungsmomenten, wie
z.B. der letzte Akt, das Entzünden der olympischen Flamme. Wir sitzen
drei Stunden wie gebannt und verfolgen genau den Ablauf. Zu sehr hat uns
Peking im letzten Jahr beeindruckt, als dass wir die von uns
erwartete Wirkung auf den Rest der Welt nicht miterleben möchten. Es
gibt sehr viele Umweltprobleme in diesem riesigen diktatorisch regierten
Land, wir haben aber während unserer Studienreise 2007 in China
gesehen, dass die Leute mit Freude und Stolz mitarbeiten und gewohnt
sind, gegängelt zu werden, ähnlich wie seinerzeit die DDR-Bürger – nicht
alle Ostdeutschen sind mit der Wiedervereinigung Deutschlands zufrieden;
viele haben dabei verloren...
Inzwischen wurde es 20 Uhr. Wir
haben guten Fisch gegessen, abgewaschen habe ich auch schon, nun sitze
ich noch vor dem WoMo und nütze das restliche Tageslicht, um meinen
Reisebericht zu schreiben und über die Ereignisse dieses besonderen
Tages nachzudenken. Der Himmel ist ziemlich bewölkt, es türmen sich
immer wieder Gewitterwolken auf, jede Stunde lässt eine Wolke über uns
aus, es sah aus wie ein roter Atompilz; die starke Brise, der viele
Sauerstoff tun mir aber sehr gut, und ich musste den abendlichen
Gewitterhimmel im Bilde festhalten.
Für mich hat die Nacht nicht so gut
angefangen, weil ich erst schon mal nicht einschlafen konnte. Ich musste
immer wieder über Georgs manchmal schlechte Launen nachdenken. Es
ist mir schon bewusst, dass man nach stundenlangen Fahren in Regen und
Sturm nicht gut drauf ist, für mich daneben ist es aber auch kein
Honiglecken, wenn ich bei ganz fahlem Licht der Straßenkarte Genaues
entnehmen soll, es aber nicht wirklich kann. Wenn noch dazu die
„Uschi“ immer wieder mit unsinnigen Vorschlägen kommt, wird mein
Holder ganz ärgerlich. Ich muss mir doch eine billige Lupe für unterwegs
kaufen.
Samstag, 09.08.
Um 10 h kommen Bine und
Jürgen Volkmar, unsere Hamburger Freunde, die wir durch meinen
Jugendfreund Sepperl kennengelernt haben. Wir zeigen ihnen den
Campingplatz mit dem Schiffsanlegemöglichkeiten an der Elbe und
den kleinen von Seerosen bewachsenen Teich und lassen uns von ihnen nach
Hamburg entführen. Es ist doch noch ca. 30 km dahin, mit
den Öffis wäre die Anreise etwas problematisch gewesen. Aber so machen
sie mit uns eine Runde durch die Altstadt, die schon 810
von Karl dem Großen gegründet worden war, zeigen uns zuerst das
neue Rathaus – wegen des Parkplatzproblems leider nur von außen
– und den angrenzenden, sehr gut besuchten, wieder sehr eigenständig
dekorierten Hauptmarkt, und führen uns zu dann den
Landungsbrücken, zu Kais und Höfen, wir besuchen
Speicheranlagen, sehen eine alte Kaffeebrennerei, wo man
jetzt auch gleich den frisch gebrannten Kaffee trinken oder auch
mitnehmen kann. Die vollen Säcke mit Kaffeebohnen sind dort
aufgestapelt, die Leute sitzen dazwischen, es riecht einfach aromatisch
und anregend, leider müssen wir alles etwas im Zeitraffer aufnehmen. Wir
schauen auch in eine Architekturausstellung, wo der Hafen,
wie er sich in den nächsten 10 Jahren entwickeln soll, präsentiert wird.
Mit der geplanten Neuen Philharmonie, den Veranstaltungshallen
und den vielen Wohntürmen will man neues Leben in das alte Viertel
bringen.
Da der Magen schon knurrt, werden
wir auf ein Fischbrötchen auf die Landungsbrücken eingeladen. Ich
wähle eines mit Butterfisch und ein neuartiges Kolagetränk mit doppelt
soviel Coffein, das von 2 jungen Hamburgern erst vor kurzem auf den
Markt gebracht wurde. Dies ersetzt mir den Mittagskaffee. Die frisch und
sehr knackig gerösteten Brötchen schmecken uns allen so gut, dass wir
glatt ein zweites vertilgen. Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt es
sich ganz ungeniert. Vom Butterfisch gestärkt, machen wir uns auf
dem Weg zum Michel, der dem hl. Michael geweihten
Hauptkirche, wo gerade eine Hochzeit stattfindet. Besonders
bemerkenswert sind dort das romantische Altarbild und die wie ein
aus dem Wasser gehobenes Schiff wirkende Kanzel. Trotz
Fotografierverbotes gelingt es Georg, sie schnell bildlich
festzuhalten.
Wir wollen auch auf den Turm,
um die Stadt auch von oben zu sehen. Natürlich nur, weil es einen
Aufzug gibt. Das denken sich leider auch sehr viele andere
Touristen. Hätten wir dies vorher gewusst, hätten wir vielleicht darauf
verzichtet, aber so stehen wir schon mit unseren Tickets mitten in der
langen Schlange auf der Treppe. Das Warten hat sich gelohnt – wir
genießen eine großartige Aussicht über Hamburg und unser Eindruck
von der Hafenstadt wird dadurch abgerundet.
Mit der U-Bahn fahren zu Bines
Wohnung, um die Torte, die sie schon um 6 h früh für uns gebacken hatte,
zu genießen. Erst einmal bewundern wir das schöne, frisch renovierte
Heim, mit dem jüngst angebauten, von alten Bäumen beschatteten Balkon,
wo man sich urgemütlich von der vielen „Hatscherei“ entspannen kann. Die
Wohnung ist sehr geschmackvoll eingerichtet, eher spärlich mit Möbeln
ausgestattet.
Man merkt die Liebe, mit der die
Hausfrau all die Kleinigkeiten – wie Efeublätter auf dem Tisch –
arrangiert hat, die Sorgfalt, mit der die einzelnen
Einrichtungsgegenstände ausgewählt wurden, und man spürt das Wesen der
Bewohner und ihre Vorlieben, man erkennt, dass sie in Harmonie mit sich
selbst leben. Ich freue mich darüber, dass sie unsere Freunde sind, und
zu sehen, dass es ihnen gut geht. Der Kaffee und die Torte und tragen
außerdem noch zu unserem Wohlbefinden bei, Georg schmeckt
letztere so gut, dass er ein Viertel der Torte allein isst. Die Blätter
des Birkenbaumes über uns fächeln uns Kühlung zu.
Solcherart gestärkt machen wir uns
auf den Rückweg, den wir diesmal auf der Fähre zurücklegen wollen. Wir
schlendern den Weg dorthin durch Parks entlang und plaudern über tausend
Dinge. Unten am Elbufer werden wir noch auf ein Glas Wein in
solch ein Lokal eingeladen, wie wir es auch auf der Donauinsel
haben. Liegestühle stehen im Sand, man lässt sich genüsslich darauf
nieder, genießt die Abendsonne und die Aussicht auf die Schiffe und
bekommt das Gefühl, irgendwo weit weg auf Urlaub zu sein.
Die Schiffe ziehen vorbei, unsere
Freunde kennen viele davon beim Namen und wissen Geschichten über sie zu
erzählen. Schön ist die Welt, und jeder ist selber daran schuld, wenn er
nicht versteht, auch an kleinen Dingen Freude zu haben. Alles hat einmal
ein Ende, und so begeben wir uns auf die Fähre, die bereits voll von
Menschen ist. Wir ergattern dennoch einen Platz an der Reling zwischen
einer Schar von Kindern dunkler Hautfarbe. Sie sind durchwegs schön
anzusehen, weil sie meist so große schwarze Augen haben. Wir unterhalten
uns zwar nicht mit ihnen, haben aber doch irgendwie Kontakt zu ihnen
aufgenommen. Der Fahrtwind bläst uns angenehm um die Ohren, und die
Stadt zieht langsam an uns vorbei. Bei den Landungsbrücken ist
Endstation für alle. Jürgen holt sein Auto, um uns noch zum
Campingplatz zu bringen. Eigentlich wollten wir sie noch zu uns ins WoMo
einladen und Ihnen die Fotos von unseren gemeinsamen Unternehmungen zu
zeigen, doch wir waren alle zu erschöpft von dem starken Tag und dem
vielen gemeinsam Erlebten, so dass ich nicht beleidigt bin, als Bine
vorzieht, noch bei Tageslicht wieder nach Hamburg zurückfahren.
Auch wir müssen alles einmal setzen lassen. Es war ein sehr schöner,
gelungener, gemeinsamer Tag!
Sonntag, 10.08. (187 km)
Wir haben in Stover Strand
abgerechnet, noch ein bisschen mit unseren bayrischen Nachbarn
geplaudert und uns dann für die Route Lübeck – Puttgarden auf
Fehmarn, die Vogelfluglinie (Fähre Puttgarden –
Rødbyhavn auf Lolland), sowie für die anschließende
Öresundbrücke von Kopenhagen nach Malmö entschieden.
Unsere Tochter Gudrun rief an
und sagte, sie wünsche sich als Mitbringsel aus Lübeck Marzipan
von dem berühmten Niederegger. Gute Idee, wir hatten ohnedies als
nächste Station
Lübeck vorgesehen, wo wir trotz feuchten Wetters unsere
Räder herunter nahmen und unsere Suche nach der ersten Kirche begannen.
Dieses war der Dom, der schon 1173 vom König Heinrich
dem Löwen, gegründet worden war. 1477 wurde das große Kunstwerk
Bernd Notkes fertig, eine riesige Triumphkreuzgruppe
mit einem überlebensgroßen Jesus und noch 80 großartig
geschnitzten Figuren. Von ihm stammt auch die Holzbühne des
Lettners mit einer astronomischen Uhr aus dem 17. Jh.,
die auch heute noch funktioniert.
Bekannt ist auch das Paradies
mit reichen Steinmetzarbeiten, eine Vorhalle, wo sich früher die Büßer
und Bettler aufhalten durften.
Im Vorbeifahren schauten wir das
Rathaus mit der schönen, überdeckten Renaissancetreppe an und
fuhren dann zur nächsten, zur Marienkirche, die wiederum
die größte gotische Backsteinkirche im Ostseeraum ist. Das
Sakramentshäuschen von 1479, und das noch ältere Taufbecken,
sowie ein äußerst beeindruckender Marienaltar aus Antwerpen
werden mir lange in Erinnerung bleiben.
Zum Drüberstreuen musste Georg
noch in die Jakobikirche mit den 3 historischen Orgeln.
Dort finden natürlich wirklich hörenswerte Orgelkonzerte statt. Heute
wollte die Mesnerin aber schon ihre Ruhe haben und hat überall schon vor
18 Uhr das Licht abgedreht. Was wiederum sein Gutes hatte, denn wir
hatten eigentlich damit gerechnet, dass die Marzipanerzeugung
Niederegger bis 20 h offen halten würde. Dem war aber nicht so: Als
wir um 18 Uhr hinkamen, stand schon ein junges Mädchen vor der Tür, das
Niemanden mehr hineinlassen sollte. Da hatte sie aber nicht mit uns
gerechnet. Wir können doch nicht ohne Niederegger-Marzipan nach
Wien kommen. Wir haben sie einfach ignoriert und uns welchen von
all diesen verführerischen Angeboten ausgesucht. Eigentlich müssen wir
froh sein, dass wir nicht mehr Zeit gehabt haben. Draußen musste ich
sofort gierig von diesen Köstlichkeiten kosten und tatsächlich: das
Espresso-, Cappuccino- und Milchkaffeemarzipan ist auf der Zunge
zergangen.
Mit dieser Errungenschaft konnten
wir über Großenbrode und die Fehmarnsund-Brücke nach
Puttgarden weiterfahren. Ein sehr naturbelassener
Campingplatz mit einem interessanten Campingrestaurant Grüner Brink,,
wo ich liebend gerne länger verweilt hätte, vielleicht zum Essen
frischer Fische oder um all diese Kleinigkeiten im Lokal wie Vögel im
Netz etc., näher zu betrachten, wenn uns nicht die Übertragung von
VERDIs Otello von den Salzburger Festspielen in 3sat noch
mehr interessiert hätte. Man kann eben nicht alles haben. Carlos
Álvarez war als Jago sehr überzeugend, ich habe einen
großen Teil stehend angesehen, fast so wie in der Wiener Oper am
Stehplatz, weil ich sonst die kleinen Untertitel nicht hätte lesen
können. Nun aber bin ich müde und mache noch ein kleines Spielchen
Freecell. Gute Nacht!
Montag,11.08. (302 km)
Heute bin ich mit dem Gefühl
aufgewacht, dass mein Giorgio ein ordentliches Sonntagsfrühstück
verdiene, – eigentlich war schon Montag… – und so lud ich ihn in das
nette Lokal ‚Grüner Brink’ des Camping Johannisberg ein,
was seine Morgenstimmung erheblich verbesserte. Aus einem von ihm
ersehnten Fischbrötchen ist aber ein konventionelles Frühstück mit
Brötchen, Schinken u. Käse geworden. Ich konnte aber dabei die Vögel im
Netz und die gesamte Raumgestaltung eingehend betrachten und auch im
Bilde festhalten. Der alte Baum im Garten, der wahrscheinlich vorm
Absterben gerettet worden war, macht eine gemütliche Atmosphäre, der wir
uns nur ungern entzogen.
Es war dringend nötig, unseren
Reiseproviant für den Norden aufzustocken, und dafür mussten wir leider
noch einmal zurück nach Burg, in den Hauptort der Insel,
wo wir ein sehr ausgedehntes Einkaufszentrum vorfanden, in dem sichtlich
auch viele Skandinavier eine Menge Geld ausgaben. Beim Aldi
schien man den ganzen Laden aufkaufen zu wollen. Die Kunden kamen oft
mit einem Einkaufswagen nicht aus, es wurde jede Menge von
Alkoholika eingekauft. Schon nach ein paar Verkaufsreihen wurde mir
ganz übel. Mir vergeht dann jede Lust, noch weiter zu kaufen, und ich
möchte nur mehr raus. Doch angesichts der viel höheren Preise in
Skandinavien bemühte ich mich um einen guten Überblick über das, was
wirklich nötig war und was wir auch noch unterbringen konnten. Das
Verstauen nahm dann ja genau soviel Zeit in Anspruch wie der Einkauf.
Die Mittagsglocken läuteten, und wir
kauften uns gleich noch einen warmen Snack noch zu vernünftigen Preisen.
Dann fuhren wir schwer beladen zur Skandinavien-Fähre. Ich kann nur
hoffen, dass uns niemand auf die Waage schickt, dann hätten wir
vielleicht ein größeres Problem.
Die Verladung der Wohnwagen und
-mobile verlief ganz reibungslos, die Organisation ist bis ins Kleinste
durchdacht. Es ist alles bestens geplant, so dass Fahrzeuge
gleichzeitig auf zwei Stockwerke des Schiffes fahren können, unten die
schweren und oben die Pkws. Während der 45 Minuten Fahrzeit können sich
die Passagiere mit Essen, Trinken und Duty-Free-Waren versorgen. Die
Angestellten sind bestens trainiert und geschult. Uns bleibt sogar noch
Zeit, die frische Luft auf dem Sonnendeck zu genießen und die
Annäherung an Dänemark zu beobachten. Bald darauf legen wir in
Rødbyhavn auf Lolland an. Ich bin nun zum ersten Mal in
Dänemark. Wir nehmen die Autobahn Richtung Kopenhagen,
überqueren eine weitere Brücke und kommen an den Stadtrand
Kopenhagens.
Entlang der Autobahn ist nicht viel
zu sehen. Endlos weite Felder, alles kultiviert, manche schon abgeerntet
und auch schon wieder gepflügt. Man sieht nur wenige dazugehörende
Wirtschaftsgebäude, und die erinnern irgendwie an Kolchosen, meist grau
oder in anderen farblosen Tönen gehalten. Da sieht man nichts von
Blumenschmuck oder Fachwerkhäusern wie in Deutschland – alles ist
nur zweckmäßig und sachlich ausgerichtet. Dafür stehen oft eigene Silos
dabei. Fabriksartig!
Die Autobahn selbst ist eher
spärlich befahren; je mehr wir uns Kopenhagen nähern, umso
dichter wird der Verkehr. Wir lassen die dänische Hauptstadt links
liegen und fahren auf die 17 km lange Öresund-Brücke.
Allein die Brückenmaut kostet ca. 40 Euro, aber eine Fähre wäre
langsamer und umständlicher. Nach der Brücke sind wir in
Schweden, für mich schon wieder eine Premiere. Georg
hingegen hat hier bereits in seiner Jugend in Vadstena gesungen.
Richtung Malmö geht es diesmal. Leider ist keine Zeit, die
Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, wir wollen noch eine längere Strecke
hinter uns bringen, bevor es dunkel wird. Georg schafft es bis
Ängelholm, wo sich ein Campingplatz anbietet.
Die Reception ist leer, aber auf der
Anschlagtafel steht, dass man sich einfach einen Platz aussuchen solle,
es komme dann später jemand zum Inkasso vorbei. Auf einer hügeligen
Wiese stehen einige Holzhäuschen mit Veranda zum Übernachten. Eine Küche
für die Allgemeinheit und die Waschräume sind etwas primitiv, aber es
ist vorhanden, was man braucht. So schauen wir nur, dass wir ein
trockenes Plätzchen finden, wir stehen nämlich auf einer aufgeweichten
Wiese, und etwas weiter hinauf will Georg nicht, damit man nicht
so weit laufen muss.
Wir richten uns ein, und ich bereite
uns Vollkornhörnchen mit Huhn, Schinken und Broccoli zu. Etwas Rotwein
ist auch noch da, so haben wir alles, was wir brauchen. Mitten im Essen
klopft es, und der Wirt will sein Geld haben. 160 SEK oder 20 Euro,
nicht billig für das, was geboten wird, aber was soll man machen.
Dienstag,12.08. (331 km)
Der Tag beginnt etwas trübe, aber
ich bin in Schweden und das ist aufregend genug. Unweit
hört man die Autobahn, wie immer auf einem Campingplatz, und die Wiese
ist auch nicht ausgetrocknet, da es in der Nacht natürlich wieder
geregnet hat. So versuche ich, zwischen den Pfützen einen halbwegs
trockenen Weg zu den Duschen zu finden. Das Wasser ist angenehm warm, so
bin ich's zufrieden. Georg sitzt, wie immer schon vor dem Laptop,
bis er sein Obstfrühstück bekommt.
Wir benützen die E6 in Richtung
Göteborg (Gotenburg). Sie hat zwei Fahrbahnen in beide Richtungen,
nur vor der Großstadt weitet sie sich auf 4 Bahnen beiderseits aus.
Viele Lastwagen sind unterwegs, auch 2 Österreicher fallen uns auf,
sonst ist die Strecke doch etwas monoton und für den Fahrer
einschläfernd. Nach dem Mittagessen gönnen wir uns wieder eine Ruhepause
und studieren die Karten. Am Nachmittag sehen wir das erste Mal
„Oslo 250 km“ angeschrieben. Entlang der Autobahn gibt es
nur wenige Orte, es ist nicht mehr ganz so flach, wie in Dänemark,
die landwirtschaftlichen Betriebe sind hier meist in der Farbe Siena
gehalten. Hie und da sieht man ein Fachwerkhaus mit abgerundeten
Giebeln. Wir empfinden es schon als Abwechslung, wenn wir ein paar
Felsen sehen. Manchmal sind die Autobahnen direkt durch die Felsen
eingeschnitten, da muss es große Sprengungen gegeben haben. Jetzt fällt
mir erst auf, wie schön zum Beispiel die Schweden Österreich oder
die Schweiz finden müssen, wo die Landschaft wirklich viel
reizvoller und kultivierter ist.
Wir fahren durch immer mehr Wald.
Das Holz verwenden die Schweden intensiv zur Papiererzeugung und
exportieren es weltweit. Jetzt werden die Stämme nicht mehr wie früher
auf den Flüssen transportiert, sondern gleich an Ort und Stelle im Wald
in einem Arbeitsgang gefällt, von Ästen befreit und auf eine Normlänge
gebracht.
Ich bin begeistert von den
Birkenwäldern, die man immer wieder sieht. Dieses helle Holz gibt dem
Wald so ein jugendliches Aussehen, so schön, dass man ihn malen möchte.
Unser heutiges Ziel ist
Fjällbacka, wo es die Kungsklyftan (=
Königsschlucht) zu sehen gibt. Ich bin total überrascht von der
Schönheit dieses kleinen Ortes am Meer. Überall die Schären und
dazwischen nette kleine, bunte Häuser und Lokale und natürlich jede
Menge von Booten und Schiffen.
Weniger begeistert bin ich zuerst
von dem steilen, durch die Nässe sehr rutschigen, felsigen Anstieg zur
Königsschlucht, aber Georg gibt mir hilfreich seine Hand,
damit ich nicht wieder einen Fehltritt begehe. So geht es gleich
leichter, und manchmal stützen wir uns gegenseitig. Der Felseinschnitt
mit drei tonnenschweren Felsblöcken, die über uns in dem Felsspalt
stecken, ist gewaltig, und obwohl ich hoffe, dass sie heute kaum
herunterdonnern und vielleicht noch Jahrzehnte da oben stecken bleiben
werden, bin ich erleichtert, als ich darunter vorbei bin. Eine nasse
Holztreppe führt steil bergauf, und die Tropfen beginnen wieder einmal
vom Himmel zu fallen. Es fällt immer mehr Regen, aber da wir nun schon
da sind, wollen wir auch die versprochene tolle Aussicht von oben
genießen. Bei Sonnenschein wäre es sicher viel freundlicher gewesen,
aber es war auch so ein wunderbares Gefühl, in die Weite zu sehen, wo
aus dem Meer immer wieder riesige runde Felsen auftauchen, ein
Anblick, den wir Binnenlandbewohner nur selten genießen können.
Ziemlich durchnässt machen wir uns
bald an den Abstieg und fahren weiter bis nach Grebbestad
zum dortigen Campingplatz. Dies ist ein Platz mit 4 Sternen, aber wir
können das nicht ausnutzen, denn seit wir hier sind, regnet es mal, dann
schüttet es wieder. Dann regnet es leise weiter. Wir lieben es zwar
beide, wenn die Tropfen auf das Wohnmobildach fallen, und wir sitzen
gemütlich herinnen. Wenn es nur morgen wieder schön würde ! Wir möchten
Schweden doch auch einmal bei Sonnenschein sehen.
Mittwoch, 13.08. (195 km)
Schweden möchte sich nicht lumpen lassen: das Wetter zeigt sich heute von
einer besseren Seite, der Himmel ist zwar noch etwas bedeckt, aber es
wird immer freundlicher. Wir haben vor, die prähistorischen Stätten
aufzusuchen, die sich im Bezirk
Tanum befinden. Dort gibt es auf einer Fläche von 45 km²
über 500 Stellen mit eingeritzten Felsbildern. Diese Felszeichnungen aus
der Bronzezeit, von 1800 bis 500 v. Chr. zeigen Kampfszenen und
Liebesakte, sowie immer wieder lange Boote, die den Weg vom Leben in
den Tod versinnbildlichen. 1994 wurden sie als Weltkulturerbe
anerkannt worden und gelten jetzt als eine große Attraktion.
Das Museum in
Vitlycke bei Tanumshede bietet bei freiem
Eintritt eine Ausstellung mit Diaschau, an die Decke geworfenen
Projektionen und Spielen für Kinder, die dadurch die Urgeschichte
vertiefen sollen. Die Felsenbilder selbst sind an ihren Fundorten rot
gefärbt worden, damit man sie besser erkennen kann. Sie sind nicht immer
leicht zugänglich, da durch den vielen Regen Gras und Erde sehr rutschig
sind, aber da heute die Sonne immer stärker wird, ja richtig wärmt,
haben wir einen guten Zeitpunkt erwischt. Es ist alles sehr interessant
und aufschlussreich, aber da ich jetzt weiß, dass wir heute noch
Oslo erreichen und bei Gernot zum Abendessen eingeladen sind,
möchte ich nichts wie hin. Zulange habe ich unseren Sohn schon nicht
mehr gesehen. Wir verlassen die prähistorische Stätten von
Vitlycke, aber Georg fährt auch noch zu einer 2.
Fundstelle, nämlich nach
Fossum. Da gehe ich nur noch für einen kurzen
Überblick mit. Hier soll ein Mann allein 600 Bilder angefertigt haben –
wie man das herausfinden konnte, weiß ich nicht.
Dann geht es endlich weiter nach
Oslo. Bis Stromstad gibt es auf der E6 Gegenverkehr,
erst dann wird sie wieder zur Autobahn. Die Landschaft wird immer rauer,
die Felsen wuchtiger. Plötzlich an einer Mautstelle merken wir, dass wir
schon fast in
Norwegensind. Bald haben wir unser erstes großes Ziel
erreicht.
An Fredrikstad, Moss
und Drobak vorbei erreichen wir
Oslo. Nach langem wieder einmal eine Großstadt. Wildes
Treiben: überall Baukräne und Bauarbeiten, lauter Autobahnschleifen,
viele Lastautos, viel Lärm. So hatte ich diese Stadt nicht in
Erinnerung! Wir haben trotz Uschi, unserer Navigatorin, Probleme,
den richtigen Weg zu finden, weil der Verkehr sehr dicht und das Ziel
nicht so leicht zu finden ist, doch führte sie uns schließlich direkt
vor Gernots Haustüre.
Gegen 19 Uhr kommen wir in der
Vibes gate 10 an, doch leider gibt es keinen freien Parkplatz, der 5
m Raum bis zur nächsten Straßenecke frei ließe. Aus dem Reiseführer
hatte ich Georg vorgelesen, dass die Norweger von
Parkplatzsündern und Schnellfahrern drastische Strafen verlangen, und so
sind wir vorsichtig. Gernot ist bereits da, uns zu
begrüßen. Er sucht mit uns eine Parkmöglichkeit, die wir dann ein paar
Straßen weiter entlang eines Parkes in der Pilestredet finden.
Nachdem ich die Mitbringsel gefunden und die Laptops eingepackt habe,
begeben wir uns in Gernots Wohnung. Sie liegt am 3. Stock. Wir
sind dies nicht mehr gewohnt und keuchen hinauf. Trude
erwartet uns bereits. Sie schaut hübsch aus in ihrem kurzen Kleidchen
mit leggings.
GernotsHeim macht einen guten Eindruck, helle Räume mit viel Holz und einer
schönen, hellen Sitzgruppe. Die Küche ist auch gut und praktisch
eingerichtet. Sie hat auch noch eine Zwischendecke mit viel Stauraum, wo
sogar jemand schlafen könnte.
Unser Sohn bewirtet uns aufmerksam,
und wir tauschen die ersten Neuigkeiten aus, während wir ein Glas Sekt
genießen. Die Überraschung ist groß, als er uns bald danach ein
hervorragendes Mahl vorsetzt. Es besteht aus 1,2 kg mit Knoblauchbutter
und Chili gebratenen Scampi, Nudeln mit speziellem Pesto und Rucolasalat
mit Parmesanblättchen. Wir sind von der Zusammenstellung begeistert und
greifen nach Herzenslust zu. Gemeinsam schaffen wir die ganze Menge.
Mampf, satt!
Dadurch werden wir bald müde und
vergessen, dass wir ursprünglich im WoMo schlafen wollten, wir nehmen
nun gerne Gernots Angebot an: Georg schläft im Wohnzimmer
auf der Bettbank ein, und ich, nachdem ich noch Gernots
Internetzugang nutzen und mit Gudrun und Trudy Wey über
Skype geplaudert hatte, schlafe im Nebenraum, wo auch Gernot sein
Stockbett hat. Ich höre nicht mehr, wann er zu Bett geht, und schlafe
gut.
Südnorwegen
(14.08. bis 08.09. – 3.175 km)Oslo – Eidsvoll Verk – Hamar – Lillehammer (Maihaugen) – Gudbrandsdal – Ringebu – Otta – Vågåmo – Otta – Sel – Dombås – Hjerkinn – Dalen – Alvdal – Tynset – Røros – Rognes – Trondheim (CP Flakk) – Spongdal – Orkanger – Fähre Halsa > Kanestraum – Kristiansund – Fähre > Bremsnes auf Averøya – Atlanterhavsvegen – Vevang – Bud – Molde (Varden) – Fähre Sølsnes > åfarnes – Andalsnes – Trollstig(sveg)en – Valldal – Stordalen – ålesund (CP Prinses) – Stordal – Fähre Linge > Eidsdalen – Ørneveien – Geiranger – Djupvasshytta – Stryn – Olden – Briksdalsbreen – Olden – Fossheim – Fjærland – Sogndal (CP Kjørnes) – Kaupanger – Fähre Mannheller > Fodnes – Øvre årdal – Tyinkrysset – Borgund – Lærdalstunnel (24 ½ km !!) – Flåm (Flåmsbane) – Voss – Dale – Haukelund – Bergen – Fjell (auf Sotra) – CP Skogtun – Straume – Bergen (Fløybane) – Troldshaugen – Fähre Halhjem > Sandvikvåg – (CP) Haraldshaugen – Haugesund – Fähre Arsvågen > Mortavika – Stavanger – Sandnes – Fähre Lauvik > Oanes – Preikestolen – Fähre Oanes > Lauvik – Oltedal – Ålgård – Bue – Varhaug – Egersund – Flekkefjord – Mandal – Kristiansand – Lillesand – Grimstad – Arendal – Telemarksveien – Seljord – Heddal – Kongsberg – Drammen – Oslo
Donnerstag 14.08 (67 km)
Den Morgen beginne ich tolpatschig,
indem ich mit der Dusche nicht zurecht komme, bis mir Georg
zeigt, dass nur ein Drehknopf fehlt. Wir haben heute beide etwas
Wirbelsäulenprobleme, wollen nicht so viel gehen und beschließen, unsere
Räder zu holen und damit in die Altstadt und zur Neuen Oper
(Nya Operan) zu fahren. So kommen wir erst an
Schloss und Schlosspark vorbei, sehen das
Nationaltheater, die Universität, die
Nationalgalerie, das Parlament (Storting)
und ein sehr imposantes Haus mit einer Filiale von Louis Vuitton
mit dekorativen Malereien. Seine Taschen haben mir ja nie gefallen,
nicht einmal geschenkt möchte ich eine haben. Daneben ist ein
interessantes Geschäft, das durch seine Spiegel optisch wirkungsvoll
eine Tiefe vortäuscht, und dessen Geschäftsführer ein äußerst
attraktiver junger Mann ist.
Danach suchen wir die Neue
Oper (Nye Operan) und finden sie auch in all ihrer
zeitgenössischen Schönheit und Pracht am alten Hafen, den man damit
wieder revitalisieren wollte, was auch voll gelungen ist. Jetzt beginnt
man, einen neuen Tunnel vor der Oper unter dem Hafenbecken zu bauen, um
den Verkehrslärm und die Unruhe von dort weg zu bekommen, denn man will
am Hafen noch weitere Kultureinrichtungen bauen. Damit bestätigt sich
der gestrige Eindruck von einer unruhigen, sich in einer Umbauphase
befindenden City. Ideal wird es demnach erst in einigen Jahren sein. Wir
genießen aber das Heute und schließen uns einer Führung durch das
Opernhaus an, die ein rühriger, für die kulturelle Entwicklung des
Hauses zuständiger Theaterpädagoge leitete. Er sprach ein tadelloses
Englisch und bestach durch sein Wissen.
Beim Bau dieses Opernhauses wurde
extrem viel Rücksicht auf die Akustik genommen, und man hat sich sehr
bemüht, natürliche Materialien zu verwenden. Im Theatersaal und
im Bühnenraum wurde alles die Akustik verstärkende genützt,
während man in der Eingangshalle und den Pausenräumen Schall
absorbierendes Material, eben wieder ganz andere Holzarten, verwendet
hat.
Man hat das Gefühl, dass dieses
Opernhaus voll gelungen ist und von der Bevölkerung, auch von der
Jugend, gerne als Treffpunkt genutzt wird. Zufrieden mit all den neuen
Eindrücken will ich meine Stadtrundfahrt beenden und fahre nicht mehr
zur Alten Oper mit. Ich will unseren Sohn wiedersehen und die
verbleibende Zeit mit ihm nutzen. So suche ich meinen Weg mit dem
Fahrrad alleine zurück zur Vibes gate.
Unser Sohn will gerade einkaufen
gehen. So machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Supermarkt. Leider
gibt es heute keinen Tunfisch, wie Gernot es geplant hätte, und
so entscheiden wir uns für Kabeljau (Dorsch, Bacalao), der uns dann auch
herrlich schmeckt. Es kommt vor allem auf das Gespür an, mit dem man
ihn zubereitet, und das versteht unser Gastgeber vorbildlich. Wir mögen
auch dieses zweite Abendessen mit ihm, das er noch durch einen
Brownies-Kuchen krönt. Georg gefällt es so gut bei ihm, dass er
gar nicht weg will, aber ich merke, dass Gernot seinen Zeitplan
einhalten will und für seinen bald ankommenden Besuch von Roland,
Beni und Hans vorbereiten will, deshalb dränge ich zum
Aufbruch. Wir verabschieden uns herzlich und hoffen auf ein baldiges
Wiedersehen.
Da es schon fast 20 Uhr war,
wollten wir nicht mehr sehr weit fahren, sondern einen CP in der Nähe
aufsuchen. Nach dreimaligem Nachfragen fuhren wir bei
Kløfte von der E6 ab auf den RV
(Riksveien) # 2 und suchten verzweifelt und ziemlich lange in
Richtung Kongsvinger, bis wir – nach insgesamt 67 km – endlich
Frogners Strand-Camping fanden. Dies war ein äußerst idyllischer
Platz an einem Fjord. Vor Einbruch der Dunkelheit machte ich einen
Rundgang und erfreute mich an der schönen Umgebung. Die Wohnwagen mit
Vorzelt waren alle mit hübschen Blumen, Ziergegenständen und sehr viel
romantischen Beleuchtungskörpern hergerichtet wie Wochenendhäuser.
Sogar eine eigene Grillstelle gab es. Tatsächlich bewohnt waren nur
wenige, wahrscheinlich war den Norwegern das Wetter zu schlecht.
Durchreisende Gäste, so wie wir, gab es doch einige. Eine Familie, die
einen Superplatz direkt am Wasser eingenommen hatte und dort bei
Kerzenlicht die Abendstimmung genoss, kam aus Hamburg, wo wir ja
vor kurzem mit Jürgen und Bine einen erlebnisreichen Tag
verbracht hatten. Wir tauschen einige Erfahrungen aus, und dann ging
ich, das Abendessen zuzubereiten.
15.08. (171 km)
Heute früh erkundete ich die
andere Richtung des CP, wo ich die Stimmung einer Aulandschaft vorfand,
und noch ein Stück weiter gab es sogar einen Sandstrand zum Baden. Es
war aber niemand im Wasser, überhaupt waren nur wenige Leute zu sehen.
Ein paar Pferde grasten auf der Weide des Nachbarhauses.
Zurück im WoMo schauten wir uns noch
die Route an, und beschlossen, nach
Eidsvoll Verk zu rollen, wo 1814 im Hause des reichen
Eisenwerkunternehmers Karsten Ankers eine norwegische Verfassung
erarbeitet wurde. Diese Villa steht in einem weitläufigen Park mit
einigen imposanten Statuen der damals Mitwirkenden. Mit der
Selbständigkeit klappte es vorerst nicht: Die im damals dänischen
Kiel abgeschlossenen Verträge und ein Einmarsch des
schwedischen Königs Karl Johan,
nachdem die wichtigste Straße in Oslo benannt ist, verhinderten
dies.
Eine nette junge Dame machte
nur für uns beide eine Führung auf Englisch über die politischen
Ereignisse von damals. Dabei erfuhren wir eher zufällig, dass jener
schwedische König Karl XIV. Johan, (bzw. Karl III. Johan von Norwegen) und
der französische General Jean-Baptiste Jules Bernadotte ein und dieselbe Person waren.
Ein kostümierter junger Mann empfing
uns als Aspirant auf den angestrebten Königsthron von 1814, und eine
ebenfalls kostümierte „Haushälterin“ spielte ebenfalls mit. Die
Autonomie konnte übrigens erst 1905 friedlich in eine völlige
Unabhängigkeit Norwegens von Schweden umgewandelt werden.
Ein dänischer Prinz wurde als Haakon VII. erster
norwegischer König der Neuzeit.
Die nächste Pause machten wir 1n
Hamar, wo für die Olympischen Spiele von 1994 eine
Halle für 20.000 Menschen aus Holz und Beton in Form eines
umgestülpten Wikingerschiffes errichtet worden war. Jetzt war der
riesige Parkplatz dort menschenleer und verlassen, nur die Feuerwehr
machte in einem angrenzenden Gebäude ihre Übungen.
Etwas außerhalb der Stadt, auf einer
Halbinsel befindet sich das Hedmark-Freilichtmuseum
mit 40 einzelnen Häusern, die waren aber heute leider schon zu, und wir
konnten nur von außen einige Aufnahmen machen.
Die von einer enormen Glaskuppel
überdachten Ruinen des Domes und des
Bischofspalastes aus dem 12. Jh. konnten wir aber sehen, das war
für uns in dieser Form ganz neu. Diese Anlage ist noch Zeuge der
einstigen Bedeutung Hamars, das lange ein wichtiges
Handelszentrum war. Erst im letzten Jahrhundert verlor es seine
Bedeutung an Lillehammer,
eigentlich „Klein-Hamar“. Das war auch unser Ziel zum
Übernachten.
Schon von weiten sah man die Olympia-Sprungschanze.
Ich fotografierte sie für Georg etliche Male. Die Stadt liegt
sehr schön am Nordende des Mjøsa-Sees. Aufgrund ihrer
schneesicheren Lage war sie immer schon ein Anziehungspunkt für
norwegische Skifahrer. Wegen des inspirierenden Lichtes ist es auch bei
Dichtern und Malern beliebt. Wir hoffen, hier heute einen einladenden CP
zu finden. In der Tat, es dauerte zwar, bis jemand an die Reception
kommt, aber dann werden unsere Wünsche erfüllt. Wir können uns selber
einen guten Platz nahe dem Wasser aussuchen. Da es noch relativ früh
ist, können wir noch von der Abendsonne profitieren, indem wir wieder
einmal im Freien essen. Schweinskoteletts in Paprikasauce mit Karotten
und gedünstetem roten Paprika, sowie böhmische Knödel, die sehr gut den
Saft aufsaugen. Dazu ein Glas Wein. Mensch, was willst Du mehr? Nach dem
leidlichen Abwasch mache ich noch eine Runde mit der Kamera und entdecke
viele schöne Motive. Diese friedliche Abendstimmung ist sehr anregend.
Unser Abend klingt wie üblich aus, Georg bearbeitet seine Fotos,
und ich schreibe.
Samstag, 16.08 (8 km)
Ich schaue aus meinem Alkovenfenster
auf den Mjøsa-See, ein erfreulicher Ausblick. Das Wetter
weiß noch nicht wirklich, was es will, es ist aber trocken. Unsere
Nachbarn ringsum sind alle schon beim Einpacken. Da waren gestern vier
deutsche Wohnmobile vom Nordkap zurückgekommen und hatten eine Art
Wagenburg gebildet. Die meisten von ihnen waren noch berufstätig, darum
mussten sie pünktlich zurück zur Arbeit sein. „Wie gut es uns doch
geht !“ denke ich mir und drehe mich noch einmal um. Da Georg
noch schläft, bin ich auch ganz still. Es ist sehr wichtig, dass der
Fahrer zu seinem erforderlichen Quantum an Schlaf kommt. Wir machen auf
gemütlich – es ist ja unser Urlaub, unser Leben, das wir uns jetzt
selbst gestalten können!
Nach unserem vitaminreichen
Obstfrühstück gehe ich noch die Birkengruppe fotografieren, für die es
gestern abends doch zu dunkel war. Natürlich bieten sich da noch andere
Motive an, z.B. ein Opa, der mit seinem Enkel Steine wirft, und eine
Taube, die daher spaziert und ihr Frühstück am CP sucht. Mir weicht sie
aus, indem sie auffliegt, doch hinter mir spaziert sie suchend weiter.
Es wird fast Mittag, bis wir unser
WoMo wieder à jour haben und in Richtung Maihaugen-Freilichtmuseum
rollen. Diese Einrichtung wurde vom Zahnarzt Anders Sandvig
1887 gegründet; sie besteht heute aus 170 Gebäuden aus dem
Gudbrandsdal mit einer im 12. Jh. erbauten Stabkirche aus
Lom. Leider beginnt es gleich beim Eintritt einmal zu regnen.
Umsichtig genug, habe ich unsere Schirme dabei. Der Regen hier ist
meist kurz, wenn die dunkle Wolke vorbei ist, ist es oft schon wieder
freundlich. Aber dafür passiert es öfters am Tag. Man kann hier im
Freilichtmuseum auf sehr anschauliche Art die frühere Lebensweise der
norwegischen Landbevölkerung und deren Weiterentwicklung verfolgen. An
idyllischen Waldwegen gruppieren sich viele Bauernhöfe, auch
Keuschen, eine Kapelle, eine Kirche und zwei
Pfarrhöfe, verschiedene Werkstätten, Gärten,
Teiche und Bäckereien, sowie eine Apotheke und die
Post im Wandel der Zeit (besonders detailliert und
aufwendig dargestellt). So kann man sich ein gutes Bild von Norwegen
bis zur heutigen Zeit und sogar über die Zukunftsbauten – es gab
sogar ein eigenes Haus der Zukunft mit allerlei
technischem Schnick-Schnack ! – machen. Wir sind über vier Stunden dort
verblieben, und wenn man nicht um 17 Uhr die Gäste gebeten hätte, das
Haus zu verlassen, wären wir vielleicht jetzt noch dort. Ohne Schmäh,
nachdem wir die Versteckte Kunst im Keller noch entdeckt
hatten, waren wir geschlaucht und froh, uns niedersetzen zu können.
Außerdem waren wir schon sehr hungrig, da wir seit dem Frühstück nicht
zum Essen gekommen waren. Und das nennt man Urlaub!
Eigentlich wollten wir dort auf dem
Parkplatz am Waldesrand gleich übernachten, doch während des Essens im
WoMo erlebten wir eine böse Überraschung. Fünf Jugendliche kamen mit
einem Zelt, ließen sich neben uns nieder, packten ihr Bier aus, machten
überlaute Musik und trafen Anstalten, einfach da zu übernachten. Da
wollten wir einfach nicht mehr bleiben. Die Jugend hatte uns die Stille
und die Laune verdorben. Wir suchten das Weite! Georg fuhr erst
einmal zur Olympia-Sprungschanze, um sie von etwas
näher zu besichtigen, was mir persönlich zu mühsam war; ich wollte
lieber in die Altstadt von Lillehammer, die im Führer nett
beschrieben war. Da mein Bester aber so lange herumbrodelte, bis die
Geschäfte geschlossen waren, war auch in der City nicht mehr viel los.
Verärgert habe ich die Inspektionsrunde allein gedreht und habe dabei,
glaube ich zumindest, einen ganz netten, informativen Film gemacht. (Wir
können ihn erst anschauen, wenn wir Zeit dazu finden).
Zusammen haben wir uns noch ein Eis
im Stanitzel genehmigt. Als ich sah, wie großzügig die Verkäuferin die
Kugeln formte, waren mir 2 davon genug. Wir schleckten unser Eis auf
einer Bank in der Fußgängerzone und musterten die Vorübergehenden. Es
war inzwischen 21 Uhr geworden, doch immer noch hell. Bei meiner zweiten
Eiskugel begann mir schon kalt zu werden, und wir schlenderten langsam
zurück zur Friedhofsmauer.
Zu unserem WoMo hat sich inzwischen
ein zweiter Laika gesellt, der neben sich auch noch ein anderes
WoMo zur Seite hatte. In Gesellschaft fühlten wir uns neben dem Friedhof
gleich wohler. Wir zogen uns in unser Gemach zurück und gaben uns der
allabendlichen Tätigkeit hin. Nachdem ich über 2 Stunden geschrieben
hatte, gab mein Laptop plötzlich den Geist auf und wurde schwarz. Welch
ein Schreck, keine Power mehr. Mein alter Medion hatte mich stets
vorher gewarnt, wenn der Akku schwach wurde, der neue HP tat
nichts dergleichen. Jetzt wusste ich nicht, hat er nun meinen
Tagesbericht gespeichert oder ist alles gelöscht worden. Konsterniert
ging ich zu Bett und musste auch heute immer dran denken, konnte es
daher nicht erwarten, dass wir am Abend auf einen CP kommen und wieder
am Strom angeschlossen sind. Zu meiner Erleichterung konnte ich sehen,
dass der Hewlett Packard auch da mitdenkt und gespeichert
hatte. Danke Dir, lieber Läppi!
Sonntag, 17.08. (201 km)
Heute morgen sind wir reichlich
abgekühlt erwacht. Die Nachttemperatur sinkt jetzt schon ziemlich ab.
Draußen hatte es 12 Grad, aber herinnen auch nur 14. Es herbstelt schon
ziemlich. Also schnell einen warmen Kaffee, und da ja Sonntag ist, gibt
es ein gutes Ham and Eggs mit Vollkornbrot. Das bringt schon wieder
Energien zurück. Wir verabschieden uns vom Friedhof und fahren nach
Øyer, wo es den schönsten Familienpark Norwegens geben soll,
wie manche meinen. Wir finden daran nichts Interessantes und fahren
weiter nach Ringebu, durch das ganze
Gudbrandsdalen. Es ist tatsächlich so schön, wie wir immer
gehört hatten.
Oben auf einem Hügel steht in
Ringebu die hölzerne Stabkirche, die 1270
erbaut wurde, aber bei unserer Ankunft nicht zugänglich war, weil eben
eine Messe mit mehreren Taufen stattfindet. Weil wir von sooo weit her
kommen, lässt man uns dann doch hinein, und wir können noch etwas von
dem hören, was die Priesterin dem Volk mitzuteilen hat. Hören wohl,
verstehen aber nicht. Auf alle Fälle halten wir die Sehenswürdigkeiten
in Foto und Film fest, auch ein paar von den an der Taufe Beteiligten in
der Sonntagstracht. Hier ist es anscheinend noch üblich, bei Feiern im
traditionellen Kostüm zu erscheinen, wie ich es auch gestern bei der
Hochzeit in der Stabkirche des Freilichtmuseums in Lillehammer
bemerkt hatte. Dies zeugt von einem bewussten regionalen
Zusammengehörigkeitsgefühl.
Anschließend schauen wir noch in den
Pfarrhof, wo einige Maler unterschiedlicher Richtung ihre Werke
ausgestellt haben.
Wir rollen weiter über Hundorp,
Vinstra und essen unterwegs bei irgendeinem Bahnhof im WoMo
Bratwürstl mit Erdäpfelpüree und Gurkensalat. Die Landschaft unterwegs
wird immer schöner, die Berge höher, die Täler sind saftig grün (kein
Wunder bei dem vielen Regen), immer wieder fahren wir an Gewässern
entlang. Es gäbe ununterbrochen malerische Motive zum Fotografieren.
Einmal bleiben wir abrupt stehen, so überwältigend ist der Ausblick in
die Berge, wo ein reißender Gebirgsfluss herunterstürzt, immer wieder
starke Wirbel und das angenehme Wassergeräusch erzeugend. An den Ufern
wachsen die weinroten Gejtrams und weiße Margeriten, immer
wieder mit reifem wildem Hafer und anderen Grashalmen gemischt. Ein
leiser Wind streift durch die Büsche, und es duftet angenehm. Der
Blütenduft des warmen Sommertages vermischt sich mit der Frische des
leisen Sprühnebels, der durch die Schnelligkeit des Wassers entsteht.
Wir saugen diese Naturschönheit einfach auf, überwältigt von der
Einmaligkeit des Naturwunders, des Augenblicks. Georgs
Fotoapparat klickt ununterbrochen und hält diese Augenblicke fest, um
sie mit lieben Freunden noch einmal erleben zu können. So atemberaubend
kann die Natur aussehen, und da gibt es Menschen, die Kriege führen!
Irgendwann haben wir uns losgerissen
und unsere Reise fortgesetzt nach
Vågåmo, wo auch – umgeben von hohen Bergen – inmitten
eines gepflegten Friedhofes eine Stabkirche steht, die
ursprünglich im 12. Jh. erbaut wurde, natürlich einmal abgebrannt und
in der Renaissance aus möglichst vielem noch Verwendbaren wieder
hergestellt wurde. Der Altar und an die Kanzel bestechen durch ihre Form
und Farben, obwohl sie erst im 17. Jh. fertig gestellt wurden. Die
Holzarbeiten und die Vergoldung sind gelungen.
Georgwollte noch in den Rondane-Nationalpark. Ich fand
aber, dass wir an diesem Tage schon so viel Außergewöhnliches gesehen
hatten, dass einfach keine Steigerung mehr möglich wäre und dass man
erst einmal alles setzen lassen müsse. So kehrten wir um und steuerten
den nächsten CP an, das Touristencenter Otta.
Beeindruckend war hier nur der Name,
alles andere war, wie uns erst nach und nach auffiel, einfach
heruntergekommen und vernachlässigt. Ein Bus voll junger tschechischer
Sportler, die dort zelteten, war da, sonst tote Hose. „Es ist ja nur
für eine Nacht“, so beruhigten wir uns, weil wir zu bequem waren, es
noch zu ändern. Ein gutes Abendessen besserte unsere Stimmung. Wir aßen
Truthahnfleisch mit Tortellini und Karotten-Apfel-Salat, und dann noch
etwas Käse mit Rotwein. Beim Fernsehen spielten wir Fotos ein, zum
Reisebericht war ich dann schon zu müde und gab auf. Die Nacht war sehr
kühl, ich muss aber zumindest mein Alkovenfenster offen haben, mit einer
zusätzlichen Decke geht’s dann schon.
Montag, 18.08. (223 km)
Heute früh mussten wir zum ersten
Mal die Heizung aufdrehen: draußen hatte es 11 Grad und drinnen 14. Wir
fühlten uns nicht mehr wohl. Erst einmal musste ich den Wein, den ich
neben das eine Heizungsrohr gelegt habe, weil ich nie geglaubt hätte,
dass wir die Heizung je benötigen würden, wegräumen. Erst dann konnten
wir die Heizung das erste Mal ausprobieren. Welch ein Genuss, warme
Luft aus den Düsen zu verspüren; die alten Knochen werden wieder warm,
und man fühlt sich einfach viel wohler. Ein heißer Kaffee und eine
vitaminreiche Melone (Georg wollte doch Schinken dazu) mit Mango,
und die Welt ist wieder in Ordnung.
Zum ersten Mal ziehe ich feste,
geschlossene Schuhe mit Socken an, muss sie aber schon bald wechseln,
weil ich durch das nasse Gras marschiert bin und das Rauleder sich
schnell ansoff. Wir machen unser WoMo wieder reisefertig, verlassen
diese unrühmliche Stätte (ich mag gar nicht erzählen von dem Teich, der
mir unsauber erschien und den Duschen, „wie seinerzeit im Ostblock“,
laut Georgs Vergleich). Wir sind froh, dass wir draußen sind,
und fahren zur Stabskirche von
Sel, wo Sigrid Undset, eine der drei
Literatur-Nobelpreisträger Norwegens, gerne ihre Sommer verbracht
hat. Dort gibt es eine Statue, die eine ihrer Hauptfiguren,
Lavrans Tochter, darstellt. Eine toll gelungene Statue.
Das Grün-Gold des Kleides wirkt so elfenhaft. Die Kirche ist leider noch
zu, nur der Friedhof ist offen, und dort wollen wir noch nicht hin.
So fahren wir weiter, nach
Dombås, einem zentral gelegenen Einkaufsdorf, von wo gerne
Wanderungen gestartet werden. Da wir aber wenig wandern, und bei diesem
miesen Wetter schon überhaupt nicht, schauen wir uns das Zentrum und
das Einkaufszentrum etwas an. Heraußen stehen viele WoMo, anscheinend
wissen alle bei den wenigen Wärmegraden nichts anzufangen und gehen
einkaufen. Wir schauen ein bisschen ins den Trollladen,
amüsieren uns über all das Angebot und die enormen Preise. Endlich
finden wir im angrenzenden Tourismusinfocenter ein paar interessante
Unterlagen.
Da uns das Angebot und die Preise im
Selbstbedienungsrestaurant nicht passen, ziehen wir unser WoMo vor,
kaufen schnell noch frisches Brot und Milch, Georg nimmt noch ein
gutes Krabbenfleisch mit, das wir mit gemischtem Salat zu einem
köstlichen Mal verwandeln. Zur Feier des Tages erlauben wir uns ein
Gläschen Weißwein zu Mittag. 0,2 Promille sind ja erlaubt.
Zu neuen Schandtaten bereit, folgen
wir der Strecke nach Hjerkinn, am Rande des Dovrefjell-Nationalparks
vorbei. Die Landschaft ist abwechslungsreich: man sieht von weitem die
runden Bergkuppen der alten Gebirgsfaltung, wahrscheinlich aus dem
Tertiär. Es wirkt heute alles etwas gedämpft durch die feuchte Luft,
daher auch schlechte Sicht wie in einer Waschküche und deswegen unscharf
aussehende Fotos. Es beginnt immer wieder zu regnen, manchmal sieht man
sogar noch Reste von Schnee in den Felsrinnen zwischen den einzelnen
Bergkuppen. Über Dalen, Folldal und Tynset rollt
unser Iveco, für Georg ist es sehr anstrengend zu fahren, immer
diese nassen Straßen, die Bankette, die oft ausgebrochen sind. Es sind
doch große Höhenunterschiede zu bewältigen, manchmal gelangen wir auch
auf Sandstraßen. Zwischendurch fahren wir oben auf Bergkämmen,
Serpentinen hinab, dann wieder im Tal neben der rasch fließenden
Glama. Echt schade, dass wir diese Gegend nicht bei Sonnenschein
sehen können. Georg wäre gerne auch auf den Tron
mit 1666 m hinaufgefahren, um die sagenhaft schöne Aussicht von oben im
Bilde festzuhalten. Das wurde aber vereitelt durch die tiefen, schwarzen
Wolken, die seine gesamte Höhe verdeckten und deshalb überhaupt keine
Sicht ermöglicht hätten.
So hielten wir Kurs auf die
Kupferbergbaustadt Røros.
Zu unserem großen Entzücken sahen wir die Straßenränder immer mehr
gesäumt mit der hier so häufigen „Geißenblume“ Gejtrams, die in
lila-violetter Farbe weithin leuchtet. Anscheinend ist ihr das Klima
hier in diesem Gebiet besonders lieb, weil sie oft große Flächen bedeckt
und kleine Hügel, Erdhaufen und Straßenränder bewächst. Sie lockerte das
trübe Naturbild durch große Farbkleckse auf, manchmal auch gepaart oder
vermischt mit einem dottergelben Gewächs.
Gegen 18 Uhr,
nach mehr als 230 km Wegstrecke, sahen wir im Gemeindegebiet von
Røros einen CP, wo wir Halt machten. Die Wiesen und Wege waren nass
und der Himmel noch immer sehr dunkel bewölkt, kaum Leute auf dem
Terrain. Die Außentemperatur betrug zwar schon 15 Grad, aber an ein
Essen im Freien war nicht zu denken. Wir suchten eine Stromquelle und
legten die Keile unter, um halbwegs gerade zu stehen, und verzogen uns
schnell hinein ins Trockene. Um uns aufzuwärmen, machte ich schnell
eine Dose Ochsenschwanzsuppe heiß, dazu aßen wir von dem frischen
Vollkornbrot, so fühlten wir uns um einiges wohler. Satt waren wir noch
nicht, denn bei so kühlen Temperaturen verbraucht der Körper mehr
Energie. Im Grill machte ich schnell überbackene Brote mit etwas kaltem
Truthahnfleisch und Tiefkühlgemüse, so wurden wir herrlich satt.
Dienstag,19.08 (180 km)
Benjamins Geburtstag. Wir rufen ihn an, um ihm „Happy Birthday“ zu
singen und zu gratulieren. Er teilt uns mit, dass er von unserer Spende
ein neues Handy bekommen habe. Ist uns recht, wenn er damit die größte
Freude hat.
Wie geplant, begeben wir uns nach
Røros, in die alte Kupferbergbaustadt, deren
Stadtkern in die Weltkulturerbeliste der
Unesco aufgenommen wurde.
Die letzte Kupfermine wurde schon 1986 geschlossen, aber davor
hatte man hier über 340 Jahre lang Kupfer abgebaut und verhüttet.
Røros gehörte damals zu den größten Industriestädten Nordeuropas.
Wir haben die beiden Hauptstraßen durchwandert und haben die alte
evangelische Bergmannskirche angeschaut, sowie den sie umgebenden
Friedhof, auf dem erstaunlicherweise viele unterschiedliche Pilze
wuchsen. Dort gab es außerdem wilde blaue Glockenblumen und Klatschmohn,
den ich schon lange überhaupt nicht mehr gesehen hatte.
Nun peilten wir unser
nördlichstes Ziel an, nämlich
Trondheim, die alte Haupt- und Krönungsstadt. Sie war
zwar nur noch 180 km entfernt, aber bei diesen Straßen hängt sich das
schon an. Wir legten noch eine Mittagspause mit Melone und Schinken,
Avocadobroten und Kaffee ein. Gegen 18 Uhr erreichten wir unser Ziel,
den Hafen der Stadt, wo ein Stellplatz für Wohnmobile („Bobil
Center“) sein sollte. Aber dem war nicht mehr so. Wir mussten
umdisponieren, was in einer Großstadt, in der man sich nicht auskennt,
etwas beschwerlich ist. Wir schafften es dennoch, einen CP ausfindig zu
machen, der leider ca. 10 km westlich außerhalb der Stadt, aber sehr
malerisch am Trondheim-Fjord liegt. Nach einigen Mühen fanden wir
den richtigen Weg und fuhren die kurvenreiche Straße am Meer entlang.
Neben dem Fährhafen nach Fosen lag der weite, offene CP
Flakk direkt am Meer. Der Receptionist Åge Olsen
war sehr freundlich und erlaubte
uns, uns selber einen Platz auszusuchen. Am besten gefiel uns eine
Stelle unweit der Duschräume, ziemlich hoch gelegen, so dass der Blick
frei bis zum Wasser war. Wir sind da zwar etwas dem Wind ausgesetzt,
doch wenn es zu schlimm werden sollte, haben wir ja die Möglichkeit, uns
ins Innere zurückzuziehen. Georg sitzt ohnedies meist drinnen,
weil er seine Verkabelung braucht. Das Abendessen nehmen wir im Freien
ein. Heute sind es Fischspieße mit Erdäpfelpüree und Lollo rosso. Ein
Stück Käse schloss den Magen.
Es muss alles schnell gehen, denn
dann kommt ja ein Universum über China im Fernsehen. Ich freue
mich über unsere neue Antenne der Marke Oyster, die es uns
ermöglicht, österreichische Sender sogar in Norwegen zu
empfangen. So sind wir am Laufenden über Geschehnisse weltweit und auch
über den Stand des Wahlkampfes in Österreich, so dass wir nicht
zu sehr überrascht sein werden, wenn wir im September heim kommen. Wir
hören auch die Wetterberichte und wissen, wie es zuhause am Wochenende
sein wird. Ob es in Trondheim morgen auch regenfrei sein wird,
werden wir erst an Ort und Stelle erfahren.
Mittwoch 20.08 (0 km – per
Bus unterwegs)
Heute war es in
Trondheim den ganzen Tag trocken. Das Frühstück konnten
wir im Grünen genießen. Georg hat zwar etwas über den zu frischen
Wind geklagt. Man sagt jedoch, es gäbe kein schlechtes Wetter, nur
schlechte Kleidung.
Wir sind um 11 Uhr zu Fuß zur
Bushaltestelle gelatscht - mit dem Roller zu fahren, über 10 km auf sehr
kurvenreicher Strecke mit ungenügender Schutzkleidung, wäre mir nicht
recht gewesen. Wenn ich mich verkühlte, wäre mein Urlaubsvergnügen
vorbei, und das möchte ich wirklich nicht aufs Spiel setzen. Die 15
Minuten Gehzeit haben uns nicht geschadet, dann hat uns der Bus bis ins
Zentrum gebracht. Der Busfahrer war uns Touristen gegenüber sehr
aufgeschlossen und wollte wissen, wie wir Fremden seine Heimat sähen.
In der City von Trondheim
gingen wir zuerst in die Tourist-Info und dann gleich zum
Nidaros-Dom, weil wir um 13 Uhr das im Führer angekündigte
Orgelkonzert hören wollten. Doch auch das war abgeschafft. Wir besorgten
uns die nötigen Eintrittskarten für die Kirche und wollten bis zu Beginn
der Führung das Innere im Bild festhalten. Dies war nicht erlaubt,
außerdem war der Kirchenraum so düster, dass die wenigen verstohlen
gemachten Aufnahmen auch nicht sehr gelungen sind. Bei der englischen
Führung erzählte man uns, dass der Dom, nachdem er 1290 vollendet
war, schon 1328 einem Feuer zum Opfer fiel, dem später noch ein paar
Brände folgten, so dass die Kirche für ein paar Jahrhunderte Ruine war
und erst ab 1869 wieder ihr mittelalterliches Aussehen erhielt. Die
Westfassade mit ihren 76 Skulpturen ist nun einzigartig, worauf die
Trondheimer auch sichtlich sehr stolz sind. Im Inneren sind das
Taufbecken von Gustav Vigeland und die
Glasfenster von Gabriel Kielland, sowie die
1930 von Frauen gespendete Rosette besonders erwähnenswert.
Nach einem kurzen Blick in das
erzbischöfliche Museum
gingen in die Cafeteria eines Einkaufszentrums, um einen norwegischen
Mittagstisch („dagens middag“) zu probieren - es war nicht
schlecht: wir bekamen Nudeln mit Schinken und Käsesauce überbacken,
leider ohne Salat, eine Creme und einen Kaffee um 110 NOK pro Person.
Ich wollte noch gerne das größte hölzerne Haus Norwegens sehen,
das sich eine reiche Witwe hat erbauen lassen und wohin dann auch die
Könige zum Übernachten gekommen waren, weil es so schön war. Heute ist
es im Besitz des Staates. Unsere Führerin war eine junge Schweizerin,
die seit 8 Jahren mit einem Norweger verheiratet ist und einen
5-jährigen Sohn hat. Sie war besonders charmant, noch dazu, wo dies
heute ihre letzte Führung für heuer war.
Vor 17 Uhr wollten wir noch in die
Fischhalle, von der wir gelesen hatten. 10 Minuten vorm Zusperren
konnten wir noch das ganze Verkaufsangebot sehen, was auf mich aber
nicht immer positiv wirkte. Sie hatten dort noch große Fische und eine
Riesenkrabbe, wie einen Hummer, die in einem Bottich mit zu wenig Wasser
vegetierten, und auch sonst schien mir der Fisch jetzt am Abend nicht
mehr begehrenswert. Im Freien an Holztischen aßen wir dann eine
Trondheimer Fischsuppe. Die war lecker: Lachsstücke, Crevetten mit
Junggemüse und viel Obers in einer großen Müeslischüssel mit Butter und
Brot. Ich konnte gar nicht alles aufessen, gab von meinem Brot auch noch
einem Spatzen, der ein Abendessen suchte. Wieder mussten wir uns
beeilen, weil Georg noch vor 18 Uhr eine Angelrute kaufen wollte.
Hier in Norwegen darf jeder im Meer gratis fischen, und
das möchte er gerne in den Fjorden ausprobieren. Für Flüsse und Seen
braucht man eine eigene Karte für 190 NOK, um fischen zu dürfen. Ich
befürchte nur, dass das ganze Drumherum teurer ist, als das, was wir uns
durch die paar Fische einsparen. Aber wenn es ihm Spaß macht!
Bei der Rückfahrt im Bus zum
CP Flakk haben wir noch zwei junge Bernerinnen kennen gelernt,
die mit ihrem Rückengestell-Rucksack durch das Land ziehen. Sie haben
bei uns am CP ihr Zelt aufgeschlagen. Beide studierten Psychologie.
Die Abendstimmung am Meer ist etwas
enttäuschend. Der erwartete farbenfrohe Sonnenuntergang wird von dunklen
Wolken verdeckt, und ich kann den eben erst wiederentdeckten
Nightshot auf der Videokamera nicht ausprobieren. So schlendere ich
noch einmal bis zum letzten Felsen am Meeresrand, sehe dort die Fähren
einander abwechseln und schaue einem jungen deutschen Paar beim Fischen
zu. Man merkt sofort, dass auch sie totale Neulinge auf diesem Gebiet
sind, aber sie haben offensichtlich ihr Vergnügen dabei!
Kochen brauche ich heute nicht mehr,
da Georg mit der Fischsuppe zufrieden war. Ich nehme mir noch ein
Yoghurt, wasche meine Haare, mache Schönheitspflege (zumindest versuche
ich es) und setze mich zum Bericht.
Donnerstag, 21.08. (203 km)
Diese Nacht war weniger kalt. Ich
habe meinen Nierengürtel nicht gebraucht; trotzdem mag ich nicht aus
dem Bett, weil es da so kuschelig ist und sonst am Morgen doch sehr
frisch. Die Sonne steht hier im Norden eher spät auf, wenn sie überhaupt
erscheint. Das Meer sieht durchs Alkovenfenster so grau aus und kalt.
Nun, im Bett herumkugeln kann man zuhause auch. Nützen wir die Zeit zum
Besichtigen. Ich bereite unser Obst zum Frühstück vor. Es gibt ½ Mango,
½ Banane, 2 Zwetschken und ein paar Weinbeeren mit Kaffee, ausreichend
Energie für den Tagesstart.
Vom CP Flakk fahren wir noch
ein Stück den Trondheimer Fjord, dann den Orkdalsfjord
entlang bis Orkanger. Dem Meer entlang offerieren sich
ununterbrochen neue malerische Eindrücke, die man mitnehmen möchte, aber
während des Fahrens ob der Geschwindigkeit nicht immer optimal
fotografieren kann. Wenn man nicht schnell genug ist, ist diese
einmalige Gelegenheit für immer vorbei. So drücke ich halt immer öfters
auf den Auslöser, denn löschen kann man ja allemal ohne großen Aufwand.
Es besteht natürlich die Gefahr, dass man sich in den Bildern
wiederholt, denn es gibt ja überall tolle Winkel, egal, ob es an einem
Fjord oder an einem See ist, man kann es ja nicht immer gleich
unterscheiden. Einmal liegen die Boote links und die Felsen ragen rechts
heraus, nächste Straßenbiegung schaut es ein bisschen anders aus. Man
weiß es wohl, aber man wird mitgerissen von den spontanen Empfindungen,
von der Schönheit des Augenblicks. Es ist eben gerade Norwegen
für diesen Reichtum an gewaltigen Naturformen bekannt, und da wir nun
endlich einmal da sind, riskiere ich es, mich zu wiederholen.
Zwischen Orkanger und
Vineøra liegen zwei
Seen an der E39, und ab Vineørafahren wir immer wieder entlang des
Arsundfjords. Man müsste
Dichter sein oder Poet, um die Gegend adäquat beschreiben zu können. Es
gibt Alles, was man sich ersehnt, hohe Berge, sanfte Hügel, schroffe
Felsen, abgerundete Tafelberge, seichte Wasser, wo man oft das Gras oder
Schilf heraus wachsen sieht, Stellen, wo Strudel wirbeln oder wo das
Wasser steil bergab zischt. Man sieht schöne Yachthäfen oder einzelne
Boote bei schön gepflegten Anwesen verankert, Stabkirchen, die kleine
Dörfer überragen, noch stehendes reifes Getreide oder schon abgeerntete
Felder. Häufig erblickt man ausgedehnte Weiden, wo viele Kühe oder oft
eine Gruppe von Pferden grasen. So viel Sehenswertes folgt aufeinander
und wird dadurch auch überlagert, man kann es im Einzelnen nicht mehr
beschreiben, wenn man schon 10 Tage durch das Land rollt. Einfach
ausgedrückt, man ist überwältigt von all dem, was Norwegen zu
bieten hat.
Auch der Wohlstand der Einwohner
fällt einem auf. Die Häuser sehen meist frisch gestrichen aus, und die
Gärten sind voller Blumen. Die Leute, die man auf den Straßen sieht,
sind geschmackvoll gekleidet und selbstbewusst, aber nicht übertrieben,
sie zeigen eine natürliche Offenheit.
Während ich meine Eindrücke
beschreibe, fällt mir auf, dass es immer mehr eine Lobrede wird. Ich
empfinde es so! Natürlich habe ich auch hier Sandler und weniger
attraktive Menschen gesehen, aber dies ist ein verschwindend geringer
Prozentsatz. Auch die Anzahl der renovierungsbedürftigen Anwesen ist
klein. Man merkt, dass überall erneuert und verbessert wird.
Eigentlich wollte ich von unserem
Weg nach Kristiansund berichten. Das Wetter war
sehr abwechslungsreich, wir hatten den Fjord entlang öfters kurze
Regenschauer, dann lugte die Sonne wieder zwischen den Wolken hervor,
so dass man sich gut vorstellen konnte, wie hinreißend es bei
Sonnenschein sein müsste.
Von Halsa nahmen wir
die Fähre, die uns in 20 Minuten nach Kanestraum
übersetzte. Wir stiegen nicht mal aus dem Mobil aus, weil die Bordwände
so hoch waren, dass man keine Aussicht gehabt hätte. Wieder an Land
führte uns die E39 weiter über die nächsten zwei Inseln in Verbindung
mit modernen Brücken und vielen Tunnel. Dann kam der große Tunnel, der
den Fjord unterquert und 5,2 km lang ist. Leider haben sie nicht, wie
die dänischen Tunnelbauer, das Licht zu Beginn verstärkt und erst
später, wenn das Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, abgeschwächt,
sondern den ganzen Tunnel sehr düster gehalten. Das ermüdet sehr, und
zum Schluss geht es auch noch bergauf. Wir wussten schon von Sylvia, was
uns bei diesem Tunnel erwarten würde, und waren froh, wieder draußen zu
sein.
Nun waren wir also in
Kristiansund. Man weiß ja, dass sie dort sehr viel
Fisch- und Erdölindustrie haben, und das sieht man auch. Während des
Krieges hat man die alten Häuser der Innenstadt zerstört, so dass
einiges von dem Charme verloren ging. Die Stadt ist über drei Inseln
verteilt. Zuerst fuhren wir einen CP in der Nähe des Sprungschanzenturms
Storbakken außerhalb der Stadt an, der wild romantisch war, aber
zu abgelegen. Sie hatten einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit offenem
Kamin ! Im Stadtviertel Atlanter, mehr im Zentrum, fanden wir
unseren Campingplatz für die Nacht.
Eigentlich hatten wir vor, noch
etwas die Stadt zu besichtigen und vielleicht Fisch zu essen, aber es
fing wieder einmal zu regnen an. So zogen wir vor, in unserem bequemen
WoMo zu bleiben. Zum Nachtmahl gab es Linseneintopf aus der Dose mit
gemischtem Gemüse vom Vortag und gebratenen Bauchfleischschnitten,
sowie böhmische Knödel.
Der Fernseher hatte keinen Empfang,
und so hatten wir einen ruhigen Abend.
Freitag,22.08. (57 km)
Auch heute früh hatte es nur 12
Grad, und der Himmel war bedeckt, aber nach dem Frühstück war es
wenigstens trocken. So nahmen wir unsere Räder und begannen unsere
Erkundungsfahrt. Im Zentrum suchten wir vergeblich die Info, aber
enteckten zu unserer Überraschung ein schönes Kulturhaus, wo sogar Oper
von Laien gespielt wird. Es war geöffnet, und wir bekamen die Erlaubnis,
uns allein das ganze Haus anzusehen. Das ist wieder ein Beispiel für
norwegische Offenheit.
Anschließend suchten wir die moderne
Kirkeland Kirke mit einer 30 m hohen
Chorwand aus Glasfenstern auf. Diese waren in sehr schönen Farbtönen
ausgeführt und reichten bis in die Dachkonstruktion. Von außen sah sie
aus wie ein modernes Wohngebäude. Ohne es zu wissen, hätte man darin
keine Kirche vermutet.
Unser nächstes Ziel war der
Varden, ein schöner, weißer Aussichtsturm, den man auf den
Ansichtskarten sah, von dem man eine gute Aussicht über die gesamte
Stadt haben sollte, aber der Turm war aus Ersparnisgründen geschlossen,
und Georg musste sich mit der Aussicht vom Hügel begnügen.
Bei der Rückfahrt ins Zentrum
radelten wir an einem kleinen Park (Vanndamman) vorbei, wo
verschiedenes Geflügel gehalten wurde. Wir sahen verschiedenfarbige
Pfauen, zwei weiße Schwäne, einen Truthahn und natürlich Enten, wie
überall im Teich. Alles wurde natürlich auf Speicherplatte festgehalten.
Nun ging’s zum Fischlokal
Sjøstjerna (= ‚Seestern’) ins Zentrum. Leider entpuppt sich dieses
als ein Abendrestaurant, das erst um 16 Uhr aufsperrt. Eigentlich habe
ich genug von Kristiansund, das Fischereimuseum
interessiert mich nicht wirklich, und ich möchte gerne weiterfahren.
Georg willigt zwiespältig ein, wir kehren zum Campingplatz zurück,
machen das WoMo reisefertig und zischen ab.
Wir benützen die Fähre nach
Bremsnes auf der Insel Averøya, verkneifen uns
einen Abstecher zu einer Stabkirche an der Küste und gehen in den
nächsten Supermarkt, um Brot, Milch und ein paar Kleinigkeiten zu
besorgen. Unsere ersten Ansichtskarten werfen wir auch ein.
Weiter geht es zum
Atlanterhavsvegen(=
Antlantikstraße). Ich habe mir vorher nichts darunter vorstellen
können und bin nun ganz begeistert von den vielen Schären, der wild
zerklüfteten Felslandschaft, bewachsen nur von Heidekraut, Grashalmen
und weichem Moos, an denen sich die Brandung der Nordsee austobt. Ein
tolles gewundenes Brückengebilde verbindet zwei Halbinseln. Das Wetter
passt auch, die Sonne hat sich durchgesetzt und schickt ihre wärmenden
Strahlen, die wir so lange vermisst hatten. Wir machen kurz Rast, um
unsere Aufnahmen zu machen. Da hören wir die Möwen wie wild kreischen
und durcheinander fliegen. Ich nehme an, dass sie sich für einen
gemeinsamen Flug verabreden würden, dann sehe ich, dass ein Fischer sie
mit Innereien seiner Fangbeute füttert, und es ist der pure Futterneid,
der sie so agieren lässt.
Georg bekommt nun auch Lust, seine neue Angel auszuprobieren. Was kann man
sich Schöneres vorstellen, als diese Umgebung fischend und
philosophierend in sich aufzunehmen. So spricht er den jungen Fischer an
und lässt sich das Handwerk von ihm erklären. Dieser, ein Mailänder
namens Andrea, ist nun tatsächlich so nett, nimmt sich die Zeit
dafür und weist Georg sehr geduldig in das Metier des Fischens
ein, obwohl sich seine Partnerin Stefània schon mit dem Fang im
Nylonsackerl ins Auto zurückgezogen hatte und nur noch darauf wartet,
dass Mann und Kind (Arianna) auch kommen würden.
Ich nehme meine Kamera und beobachte
und filme von weitem, wie sich die beiden anstellen. Es wird mir nur ein
bisschen bange zu sehen, dass Georg es an dieser Steilküste
ausprobieren möchte. Denn wenn er einmal kräftig an der Angel zieht,
könnte es ja passieren, dass er das Gleichgewicht verlöre und baden
ginge. Mir ist es dort zu steil, um ihm gegebenenfalls herauszuhelfen,
und das Wasser wäre auch zu kalt. Kann er sich nicht irgendwo an einem
bequemeren Ort niederlassen ? Nun nach einer halben Stunde scheinen sie,
Erfolg gehabt zu haben: mit einem kleinen Fisch (‚merluzzo’,
Dorsch) in der Hand klettern sie hoch. Georg führt das kleine
Mädchen an der Hand. Für seine Geduld und Nächstenliebe hat sich der
Mailänder Entomologe (Käferspezialist) zumindest eine Flasche Rotwein
verdient, über die er sich sehr freut. Diese junge Familie ist echt
liebenswert und wird im Bilde festgehalten.
Allein gelassen, versucht mein
Bester, von der nächsten Brücke zu fischen und findet dort wieder eine
Dame, die ihm behilflich ist, beider Angelschnüre zu entwirren. Ich
nütze diese Pause im WoMo zum Schreiben, da ich immer im Rückstand bin;
ich bin aber dann doch froh, als Georg zurückkommt, denn es wird
durch die Meeresbrise schon kühl, und ich möchte das Tageslicht nützen,
um noch mehr von dieser schönen Umgebung zu sehen.
Der Atlanterhavsvegen
ist viel zu früh zu Ende, sehr zu unser beider Bedauern. Am liebsten
wären wir ihn nochmals zurückgefahren. Wir kehren aber doch nicht um,
sondern dieseln weiter bis zu dem Fischerdorf
Bud.
Dort auf dem Parkplatz steht neben
uns ein Minibus mit Wiener Autokennzeichen – die Besitzer hätten wir
gerne kennen gelernt. Mein Giorgio ist noch immer auf der Suche
nach einem Fischlokal. Abendstimmung liegt über dem Dorf, die milde
Sonne bringt die farbigen Häuser so richtig zur Geltung, die Oberfläche
des Wasser ist ganz ruhig, so sieht man die Spiegelung der Boote und
Bäume ganz klar. Man spürt die Stille direkt.
Da kommt das Ehepaar aus Wien gerade
zurück. Sie erzählen uns von ihren Erlebnissen an der Südküste und dass
sie in Bergen, das sonst die meisten Regentage aufweist,
herrliche Sonnentage genossen hätten. Wir beneiden sie, freuen uns aber
auf die kommenden Tage an der Küste, und gehen dann jeder unserer Wege.
Ich brauche etwas Bewegung und
wandere den Hügel auf den Damm hinauf, während Georg das WoMo
als Transportmittel benützt. Die Kirche Buds liegt auf meinem
Weg, leider ist sie schon geschlossen. Oben am Kamm entdecke ich das
Fremdenverkehrsbüro mit Restaurant. Die Angestellte scheint in Eile und
will schon schließen, denn die Saison wäre schon vorbei. Einen Lageplan
und Infos über die Fischlokale kriege ich doch noch, denn sie selbst
kochen nicht mehr aus.
So schlendere ich weiter über die
Wiesen und entdecke einiges Überraschende. Unter der Grasdecke dieses
Hangs versteckt liegt noch eine ehemalige Bunkeranlage der
Deutschen Wehrmacht, die die Norweger wieder instandgesetzt haben
und als kriegshistorisches Museum vermarkten. Das ganze Unternehmen wird
aber neu verwaltet und soll 2010 wieder in Betrieb genommen werden. Man
sieht Bunker, Kanonen und einen Riesenscheinwerfer
auf der Wiese stehen, der Rest ist untertage. Mich interessiert mehr die
schöne Landschaft und die Aussicht auf das Meer mit den vielen kleinen
Inseln. Das Gras und das Moos sind weich, um darauf zu gehen und es
duftet frisch, vermengt mit der Meeresbrise. Da sehe ich Georg
wieder, der von der anderen Richtung den Hang hochgekommen ist. Er
studiert aber die Bunkeranlage mit den Operationsräumen und der
Kommandozentrale, so trennen sich unsere Wege erneut und wir begegnen
einander wieder in dem von der Fremdenberaterin empfohlenen
Fischrestaurant am Meeresstrand.
Das Lokal ist einfach, aber
geschmackvoll eingerichtet; wir ziehen die besonnte Terrasse vor, da wir
die ‚Liesl’ solange vermisst hatten. Es tut einfach gut, die
angenehme Wärme auf der Haut zu spüren. Die Wirtin kümmert sich sehr
aufmerksam um uns, ich bestelle eine Fischsuppe, und Georg lässt
sich alle Fischsorten erklären, die auf der Speisekarte vorhanden sind.
Endlich ordert er solch einen Exoten mit Pfeffersauce. Das Essen ist gut
zubereitet und schmeckt uns vorzüglich. Meine Suppe ist auf die gleiche
Weise gemacht wie jene in Trondheim, nur fehlen die Lachsstücke.
Aber mir reicht es auch so.
Das Haus wird von einem Osloer
Ehepaar geführt, das früher in dieser Gegend nur seine Urlaube verbracht
hatte, das aber jetzt, wo seine 4 Kinder erwachsen und selbständig sind,
die Ruhe des Dorfes dem Lärm der Großstadt vorzieht. Die Wirtin
gestattet, dass wir unser WoMo hinters Haus stellen und dort die
Nacht verbringen. Dies ermöglicht mir, noch etwas auf den Felsen zu
verweilen und ins Meer zu blicken und auch später den Sonnenuntergang
oben vom Hügel aufzunehmen. Mit Fotoapparat und Videokamera
experimentiere ich mit dem Lichtspiel der Wolken, den Felsen und den
Fischerhäusern. Zufrieden mit dem Ergebnis schlendere ich dann wieder
heim, die Zeit war gut genützt. Beim Schlafen gehen bin ich mir sicher,
dass wir mit Morgensonne erwachen würden, was tatsächlich eintrifft.
Samstag,23.08. (249 km)
Es ist zwar frisch – die Luft am
Meer ist doch feuchter –, aber allein wenn die Sonne scheint, fühlt man
sich viel fröhlicher. So machen wir uns auf, um
Molde zu besuchen, die „Stadt der Rosen“. Sie
macht diesem Namen alle Ehre, es ist wirklich jedes mögliche Fleckchen
mit Blumen bepflanzt. Hauptsächlich Rosen, aber auch alle anderen, der
Saison entsprechende Gewächse sind vertreten. Eine Blütenpracht, wie man
sie in diesen Breitengraden nicht erwartet. Die Stadt hat eine sehr
aufmerksame Verwaltung; alles ist hier sehr gepflegt. Da im 2. Weltkrieg
die ganze Innenstadt zerstört wurde, gibt es lauter neue, zweckmäßige
Bauten. Die markante, moderne Kirche mit sogar zwei Türmen können wir
nur von außen bewundern; sie ist leider geschlossen.
Unvergesslich wird uns die
Aussicht vom 400 m hohen Berg Varden bleiben. Er gibt
den Blick frei über den Romsdalfjord und die rundherum liegenden
222 Gipfel. Ich habe sie nicht nachgezählt, aber der Führer behauptet es
so. Manche Berge sind noch schneebedeckt, andere von Wolken umgeben. Man
steht dort oben und staunt einfach. Bei der klaren Sicht heute braucht
man eine Weile, bis man Alles erschaut hat. Dann muss man sich setzen
und schaut weiter. Die Lämmer springen herum, die Vögel zwitschern.
Erika wächst zwischen den Gras- und Moosbüscheln.
Augenblick, verweile doch,
Du bist so schön! Ich muss mich lösen, Georg
hat schon den Motor des Elf angelassen. Elf
haben wir das WoMo zur Erinnerung an Georgs Erbtante Elli
bzw. Elf(riede) getauft – es muss doch einen Namen
haben, wenn es uns so weit durch die Welt trägt!
„Es erwartet dich noch viel
Schönes heute“, sagte Giorgio, „aber
wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Tunnel, eine Fähre von
Solsnes nach Åfarnes und weiter nach
Andalsnes,das im 2. Weltkrieg total
zerstört wurde und sich durch den gelungenen Wiederaufbau jetzt zu
einer Touristenstadt, die auch gerne von Kreuzfahrtschiffen angefahren
wird, entwickelte. Zufällig treffe ich wieder auf die beiden Oldies aus
Stavánger, Die wir auf dem Varden oberhalb von Molde
kennengelernt hatten, und wir grüßen einander freundlich.
Weiter geht’s zum
Trollstig(sveg)en, mit Sicherheit eine der schönsten
Serpentinenstraßen Europas. Schäumend bahnt sich der Valdola
seinen Weg durch die tiefe Schlucht Gudbrandsjuvet. Die
Landschaft wird immer rauer, riesige Felswände bauen sich auf.
Wasserfälle von der Schneeschmelze stürzen herunter. Manche Wände
glänzen vor Nässe im Sonnenschein. Wir bleiben immer wieder stehen, um
zu filmen und zu fotografieren. 800 Höhenmeter führen uns die
Serpentinen hoch. Immer wieder muss man für ein breites Fahrzeug zur
Seite ausweichen, gottlob begegnen uns heute keine Busse.
Oben auf dem Plateau gibt es einige
Buden mit Souvenirs, darunter vor allem Trolle, die
nordischen Zwerge mit den Grimassen, groß und klein, alt und jung.
Überall auf den Felsen sind Türmchen aus Steinen aufgebaut, was ich
eigentlich als tibetischen Brauch kennen gelernt habe. Es verwunderte
mich, so viele davon hier zu sehen. Dabei tut man es hier, um die
Trolle zu besänftigen. Ein liebenswerter Volksglaube.
Ein reges Treiben herrscht hier auf
dem Pass, heute an dem schönen Sommertag nützen auch viele junge
Motorradfahrer die Gelegenheit, sich sportlich zu betätigen. Überall
hört man Kameras klicken. Die Fahrgäste einiger Busse stehen bereit zum
Einsteigen da, als plötzlich zwei Schafe mit lautem Blöken durch die
Menge laufen. Suchen sie ihre Herde ? Haben sie sich verlaufen ? Einige
Touristen versuchen, ihre Aufmerksamkeit zu erringen und ihnen zu
helfen. Doch sie flüchten wieder verwirrt.
Wir treffen ein drittes Mal das
Ehepaar aus Stavanger. Sie freuen sich offenbar über eine
Gelegenheit zum Tratschen und erklären mir die Namen der Gipfel, die sie
1962 selbst bestiegen hatten. Der alle überragende sei der Bischof,
links von ihm die Königin etc. Die Rückseite der Felswand sei der
Trollveggen (= Trollwand) zwischen Andalsnes und
Horgheim in Romsdalen.
Wir gehen dann ein wenig
spazieren und setzen dann unsere Fahrt an Bergseen und mit Wollgras
bewachsenen Wiesen vorbei hinunter nach Valldal fort, wo wir an
den Storfjorden kommen. Über Stordalen, Vagsvik und
Sjøholt erreichen wir am Abend Ålesund, wo uns am CP
Prinses ein sehr vifer Wirt begrüßt und wir uns ein hübsches
Plätzchen am Wasser aussuchen. Man merkt das Wochenende – es sind viele
Gäste am CP, meist Familien, die oft noch lange bei kleinem Licht im
Freien sitzen und sich sichtlich wohl fühlen.
Sonntag,24.08. (130 km)
Heute ist Sonntag, wir haben
Brötchen bestellt für ein reichhaltiges Frühstück, wie Georg es
liebt. Da die Sonne auch gut gelaunt ist und uns ihr bestes Gesicht
zeigt, hole ich den Tisch und die Sessel heraus und bereite alles vor.
Leider sind die Eier zu weich, für ein Sonntagsfrühstück bin ich nicht
so geeignet. Früher haben es zuhause unsere Kinder hergerichtet, jetzt
macht es Giorgio, wenn wir daheim sind. Gut, dass es nur einen
Sonntag pro Woche gibt. Es schmeckt trotzdem, mit Blick direkt auf das
Meer ist alles wunderbar. Ich bin ganz happy und möchte gerne
bleiben, faulenzen, den Elf etwas gründlicher pflegen – wir
wohnen jetzt schon sechs Wochen darin – und erst am Nachmittag die Stadt
mit den vielen Jugendstilhäusern angucken, dann meinen Bericht à
jour kriegen und endlich einmal schwimmen, hier wäre es gut
möglich. Am Wochenende sollen sich die Anderen auf den Straßen und bei
den Sehenswürdigkeiten drängeln. Wir haben ja die ganze Woche zur
Verfügung.br>
Doch Georg macht mir
einen Strich durch den schön ausgetüftelten Plan. Er hätte schon
Programm gemacht, und wir müssten heute nach der Stadtbesichtigung noch
den Geiranger Fjord sehen etc., etc. Widerwillig gebe ich nach,
ich sehe ja ein, dass wir nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung haben,
ich bin aber sauer. Nachdem die Stadt
Ålesundmir doch
nicht diesen Kunstgenuss bot, den ich mir erwartet hatte, ausgehend von
Werken von Hoffmann, Olbrich, Kolo Moser und davon, was ich von
der Fjellstua (= Bergstube) auf dem 70 m hohen Stadthügel
aus gefilmt hatte, bin ich noch mehr enttäuscht, besonders wenn ich dann
an die Naturschönheiten vom Vortag denke, die ich erst einmal setzen
lassen und verarbeiten will. Was soll diese Überlagerung – es kann
Alles, was ich heute sehe, keine Steigerung mehr bieten. Ein
Geiranger Fjord verdient es aber, gewürdigt zu werden. Ich bin
unzufrieden mit mir und der Welt. Warum lässt man mir den Ruhetag nicht,
meine Augen tun weh, ich will einmal nicht fotografieren. Ich will meine
Seele baumeln lassen!!
rotz guten Willens schaffe ich es
nicht mehr, diesen Missmut zu unterdrücken und ... werde immer
grantiger. Ich ziehe mich zurück. Das ist auch nicht recht! Und jetzt
erst kommen meine Stacheln heraus, wer meine begründete Meinung nicht
respektiert, der muss es büßen. Die Stimmung ist hin, der Abend ist
verdorben!
Hätte ich nur meine Sonntagspause
gehabt ! Wie jeder Reiseroutinier weiß, hätte ich meinen Stress vom
ewigen Serpentinen Fahren abbauen können – der Beifahrer sitzt ja stets
auf der Seite des Abgrunds und sieht immer hinunter, und es dreht und es
dreht, man stemmt sich immer dagegen und fällt von einer Seite auf die
andere... Alles schön und gut: wenn ich es einen Tag mache,
genieße ich es, einen zweiten Tag auch. Aber jetzt sind es schon fast
zwei Wochen. Ein Gipfel am Tag, schön, herrlich! Aber nicht rauf
und runter, ohne dazwischen ausreichend Bewegung zu machen. Auch das
Schönste wird monoton, wenn es nicht durch Abwechslung unterbrochen
wird.
So, jetzt habe ich mir das von der
Seele geschrieben und hake es damit ab. Ab morgen wird genauer und
gemeinsam geplant, nicht immer nur laufen lassen.
Wir fahren nun ein Stück der
gestrigen Strecke zurück und gelangen über Stordalen nach
Linge, wo wir mit der Fähre nach Eidsdalen übersetzen. Dann
geht’s wieder den
Ørneveien (=
Adlerweg) bergauf. Bei der
ørnesvingen (= Adlerkurve, -kehre),
einer Kurve mit Parkplatz, von wo man den
Geiranger Fjord schön
überblicken kann, warten wir etwa eine halbe Stunde in der Hoffnung, die
Sonne würde dann hinter einem Berg wieder hervorkommen und den Fjord
beleuchten. Ohne sie würden wir nun mal keine ‚gescheiten’ Aufnahmen
zustande bringen. Wir warten vergebens, fahren dann hinunter und steuern
den ersten CP an. Er lag unten vor der Stadt Geiranger direkt am
Wasser. Georg hat mir hier einen Ruhetag versprochen. Okey!
Montag,25.08. (105 km)
Am Morgen legt sich die Sonne auf
die gegenüberliegende Bergwand, unser CP liegt total im Schatten. Es
kommt immer wieder ein stürmisches Lüfterl auf, das uns die Decke vom
Frühstückstisch weht. Das Wasser schaut dunkel und kalt aus. Kein
Wunder, es fließt ja auch ein durch die Schneeschmelze oben entstandener
Bach hinein. Wie soll ich hier schwimmen, faulenzen im kalten Wind ??
Hier will ich keinen Ruhetag verbringen. Hier passt es nicht!
Wir fahren ins Zentrum des
Fremdenverkehrsortes
Geiranger, besorgen uns Bargeld – mit unseren
Bankomat- und Kreditkarten ist das gar nicht überall möglich! – und
kaufen ein wenig ein.
Ich bin jetzt bereit, zu unserem
nächsten Programmpunkt mitzufahren, um dort an einem geeigneteren Ort
der Ruhe zu frönen. Das heißt also, es geht wieder bergauf über den
nächsten Pass, anders kommen wir hier nicht hinaus. Okey, gut ausgeruht
und mit gutem Willen, halten wir es wie gewohnt. Wir rollen und
fotografieren und fotografieren. Georg fährt immer weiter hinauf,
immer steiniger wird es, immer mehr Felsen, immer mehr Geröll und
Schnee. Immer mehr Wolken zeigen sich am Himmel, es schaut nicht mehr
freundlich aus. Immer wieder kommen Sturmböen auf. Wir versuchen ein
paar Mal, ein ruhiges Plätzchen für die Mittagsrast zu finden. Bei der
Djupvasshytta ist der Generator zu laut, zweimal bitte ich
Georg, weiterzufahren und einen stilleren Platz zu suchen. Neben
einer Tunneleinfahrt finden wir eine durch Bergwand und Bäume geschützte
Stelle. Wegen der abgekühlten Temperatur mache ich mit Käse überbackene
Fleischbrote und einen gemischten Salat. Wir essen mit gutem Appetit, es
ist schon wieder 15 Uhr. Am Bergfuß angekommen wenden wir uns Richtung
Stryn, am großen Strynvatnet vorbei, ein Stück dem
Innvikfjorden entlang, dann eine Nebenstraße nach Süden, wohin? Ja
wohin eigentlich? Zum Gletscher Briksdalsbreen möchte er
noch rauf, den müsse man gesehen haben. Und das soll ein Ruhetag sein?
Man verstehe, wie meine Laune umschlug. Schon wieder, rauf und runter,
rauf und runter. Ich streike! Nicht zwei hohe Berge an einem Tag.
Nun sind wir da
am CP Oldevatn (= Oldener See) am
gleichnamigen See. Der Regen klopft auf unser WoMo-Dach. Ich habe für
erste Mal unser Backrohr ausprobiert. Es funktioniert aber äußerst
langsam oder schwach, wie man es will, so habe ich das Fleisch mit den
Karotten und Zwiebeln in den Griller getan. Es riecht schon gut, die
Nudeln sind fertig, so werden wir den Abend gemütlich beschließen und
morgen, sofern es das Wetter zulässt, zu dem Gletscher wandern.
Dienstag, 26.08. (163 km)
Kaum zu glauben: die Sonne lacht vom
Himmel und taucht diesen herrlichen Oldevatn in ganz
mildes Morgenlicht. Man merkte natürlich schon gestern die Idylle
dieses Platzes, aber jetzt könnte man es Paradies nennen. Es ist
ganz ruhig auf dem Platz; der alkoholisierte Russe mit seinem BMW hat
sein Zelt schon abgebaut und ist abgereist. Die beiden netten jungen
Rotterdamer schlafen noch, und sonst ist auch noch niemand zu sehen.
Die kleine Birke neben unserer
Sitzgruppe vor dem WoMo wiegt sich leise in der Brise, das Gras ist noch
nass, und das türkisfarbene Wasser des Sees kräuselt sich leicht. Wenn
nicht von allen Seiten das eisige Schmelzwasser in den See flösse und
stellenweise, wie man es am Rauschen des nahen Wassers hört, auch
strömte, wäre man (ich) versucht zu schwimmen. Ich will jedoch keine
Verkühlung riskieren und nehme daher die Kamera, um auch den oberen Teil
des Gewässers jenseits der Brücke zu erkunden und zu filmen.
Wir frühstücken noch gemütlich,
lassen die Umgebung auf uns wirken und plaudern mit den Holländern bis
knapp vor 12 Uhr .
Georg lenkt in Richtung Briksdal auf der recht
verbesserungswürdigen engen Landstraße. Schon von weitem sehen wir den
beeindruckenden Gletscher und bleiben wiederholt zum Fotografieren
stehen.
In Briksdal gibt es
einen großen Parkplatz, für dessen Benützung man 50 NOK berappen muss.
Dort bekleiden wir uns „berggerecht“ und machen uns auf den Weg, der uns
bergauf durch einen lichten Birkenwald führt. Mittendrin sieht man immer
wieder gewaltige, bemooste Felsen, die da einmal heruntergerollt sein
müssen. Manche schauen auch jetzt von unten so ausgewaschen aus, dass
man lieber rasch vorbeigeht. Den Pfad entlang schäumt wild der
Gebirgsbach, die Weiterführung des Wasserfalles. Es macht den Eindruck,
als spränge das Wasser übermütig von Felsen zu Felsen.
Wir steigen langsam auf,
zwischendurch immer wieder verschnaufend, besonders wenn die „Trolle“ an
uns vorbei zischen. „Trolle“ heißen hier die Taxis zum Gletscher für
jeweils sechs Personen, die pro Kopf und Nase 180
Nok hinblättern müssen; das war meinem Besten zuviel, und so
kommen wir zumindest zu einer Bergwanderung in Norwegen. Wir
kommen an einer Stelle vorbei, wo das Wasser einige Meter frei fällt und
dann auf die Felssteine aufprallt, Gischt und dann ganz feinen
Sprühnebel erzeugt, das bleibt uns allen vor Staunen den Mund offen.
Dass dabei die Haare nass werden, stört mich weniger, aber dass die
Brille beschlagen wird und ich auch meine Kamera vor der Feuchtigkeit
schützen muss, also schlecht filmen kann, wird mir zum Problem.
Wir klettern weiter, sehen, wie
zufrieden die Leute aussehen, die schon zurückkommen, was uns
natürlich anspornt. So viele Menschen wie hier sieht man sonst nur in
einer skandinavischen Großstadt, und das an einem Wochentag. Alle wollen
diese dicke Gletscherzunge sehen, die sich durch die starken
Niederschläge der letzten Jahre extrem weit vorgeschoben hat. Man hört,
es sei der größte Gletscher Europas. Auf Hinweistafeln wird des öfteren
auf die Steinschlaggefahr aufmerksam gemacht - diese mächtigen Blöcke
wirken auch entsprechend bedrohlich.
Langsam erreichen wir die Höhe und
müssen erst einmal durch zwei enge Felsentore hindurch, um dann endlich
vor dem kleinen Gletschersee zu stehen, verblüfft und entzückt ob der
Erhabenheit der Natur. Ich blicke rundum und nehme die Weite in mir auf
und bin beeindruckt von dieser gewaltigen Gletscherzunge des
Briksdalsbreen, die sich da herunter lässt. Wie
viele Tonnen mag sie wohl wiegen ?! Die Sonnenstrahlen ergießen sich
über den See und über den Strand. Ich setze mich auf einen Felsen
nieder, wie so viele andere Besucher auch, und sauge alles in mich ein,
bevor ich filme.
Georg möchte hier noch verweilen, bis die Sonne voll über die
Gletscherzunge strahlt, damit die bläuliche Farbe noch mehr herauskommt,
und da willige ich gerne ein und entspanne mich vollkommen.
Nach einer halben Stunde, als der Po
am harten Felsen zu kalt wird, machen wir uns doch auf den Rückweg,
wissend, dass wir auch noch im Tale die Gesamtansicht heranzoomen
können. Der Abstieg ist eine Freude, man ist beschwingt, sieht alles
nochmals, merkt jetzt erst die Schafherde, die blökend und miteinander
rangelnd herumtollt, entdeckt den herrlich idyllischen Jausenplatz beim
grasbedachten Häuschen unter den Jungbirken. Leider haben wir keine
Jause mit, um sie dort genüsslich zu verspeisen.
Wir kommen wieder zum großen
Wasserschauspiel, wo man am Tosen die geballte Kraft verspürt und gut
begreift, dass auf solche Weise durch die Jahrtausende tiefe Täler in
Bergrücken eingeschnitten wurden. Jetzt, wo die Sonne darauf scheint,
wirkt alles noch kraftvoller. Man sieht einen Regenbogen, der sich im
Sprühnebel formt und einem eine Weile begleitet, je nach Blickrichtung
und Lichteinfall. Immer wieder nehme ich die Kamera heraus, die ich
schon glaubte, verstauen zu können, weil ich ja beim Aufstieg schon
alles gesehen hatte. Nein, es ist doch immer anders, man glaubt nicht,
soviel Schönheit fassen zu können. Zauberhaft!
Beim Elf angekommen, nehmen
wir mit viel Appetit unser Mittagmahl ein. Wenn wir schon den Parkplatz
für den ganzen Tag bezahlen müssen, wollen wir ihn auch nützen.
Zurück müssen wir wieder die enge
Landstrasse bis Olden, über Karistoja,
wo wir, weil es inzwischen genieselt hat, erneut einen großen Regenbogen
über das ganze Tal gespannt sehen, und wir trauen unseren Augen nicht,
da ist ja noch ein etwas schwächerer, aber doch ein Zweiter.
Georg will fischen, und das im Meer, weil er sonst auch noch eine
Fischerkarte bräuchte, also müssen wir weiter düsen, bis wir wieder an
einen Fjord kommen. Es wird der Sognefjord sein, das
bedeutet wieder einige Tunnel, eine kurze, aber teure Fähre von
Hellmann nach Fodness. Jetzt sind wir am größten
und tiefsten Fjord, der selbst im schmalsten Seitenarm mehrere hundert
Meter tief ist. Nahe Badestrand (so heißt der Ort !)
erreicht er die sagenhafte Tiefe von 1380 m!!
Wir finden den 4-Stern-CP
Kjørnes in Sogndal direkt am Fjord. Schon
während der Fahrt ist mir kalt geworden, und ich habe einige Male
geniest. Beim Fotografieren muss man die Scheiben runter drehen, wobei
starke Zugluft entsteht, die meiner Halswirbelsäule nicht bekommt. Es
beginnt auch wieder zu regnen, im Landesinneren ohne Golfstrom ist es
anscheinend doch um einige Grade kühler. So ziehe ich mich gerne in den
Elf zurück, auch um die guten, rohen (rå)
Scampi nach Gernots Rezept zu braten. Das wird ein Festmahl.
Dazu ein fertiges Risotto und ein Glas Weißwein!!
Mittwoch, 27.08. (113 km)
Ich schaue morgens durch das
Alkovenfenster – brrr: grau, diesig, kalt. Ich glaube, es hat nur 9
Grad. Da will ich gar nicht unter der Decke hervor. So praktisch läge
dieser Platz, mit einem seichten Zugang ins Wasser, ideal zum Schwimmen.
Wenn ich mir aber diese Gipfel rundum betrachte, wo noch einige von
Schnee bedeckt sind, dann vergeht mir jede Lust dazu. Da will ich nicht
mal raus aus dem Bett!
Ob es Georg da zu fischen
Spaß macht? Er probiert es nach dem Frühstück, und ich setze mich zu
meinem Bericht. Nach einer Weile möchte ich ihn gerne bei seiner Aktion
filmen und schaue hinaus, da steht er stinksauer vorm WoMo mit einer
total verhedderten Angelschnur. Er hatte die Angel so schwungvoll
ausgeworfen, dass sich hoch oben in den Ästen eines Baumes verfing.
Abgesehen von seinem abgerissenen silbrigen Köderfisch gibt es doch
keine Fische auf Bäumen! Nach einiger Zeit kann ich nicht mehr zusehen
und helfe ihm, die Schnur wieder zu entwirren. Als wir es hingekriegt
haben, merke ich, dass es fast Mittag ist – wir müssen einpacken.
Gesagt, getan, und wir sind wieder auf der Straße.
Nun müssen wir wieder über ein
Gebirge in Richtung Kaupanger, wo es eine Stabkirche
aus dem 12. Jh. gibt, die im 17. Jh. umgebaut wurde. Allerdings ist sie
innen eingerüstet, und dafür ist uns selbst der halbe Eintrittspreis zu
hoch, und so fahren wir gleich zur Fähre von Mannheller nach
Fodnes über den Årdalsfjord weiter.
Unser nächstes Ziel ist nämlich die
berühmte Stabkirche von Borgund. Wir hätten erst
vor dem Lærdalstunnel nach Osten abbiegen sollen und tun das
irrtümlich bereits vor dem ersten Tunnel. Eine Abbiegung zu früh, und
wir waren – „außer Programm“ – schon in ein richtiges Abenteuer
unterwegs. Leider haben wir unseren Irrtum erst 25 km später bemerkt.
Zurückzufahren wäre auch nicht lustig gewesen; über Tyin sei es
gleich weit, sagte uns ein Passant.
Ab Övre Årdal waren wir schon
wieder bergauf unterwegs. Wenn der Himmel unbewölkt gewesen wäre,
wäre das ja ein Vergnügen gewesen, doch dicke Tropfen fielen aus den
vielen, vielen dunklen Wolken vom Himmel. Es ist grau und verhangen,
meine Stimmung passt sich an. Nicht missmutig, aber auch nicht fröhlich.
Es ist, wie es ist!
Die Tunnel sind oft kurz und
unbeleuchtet, bisweilen sogar gedreht wie eine Kehre, die Straßen sind
mies, die Ränder oft abgebrochen, und ich glaube immer, Georg
würde mit dem schwankenden Aufbau abrutschen. Immer wieder Baustellen,
sogar im Tunnel. Es ist nicht lustig. Wir bleiben öfters zum
Fotografieren stehen. Die Landschaft ist rau, große und kleine Felsen
liegen herum, Felswände bauen sich auf. Durch den vielen Regen ist alles
saftig grün, oft voll Moos und dazwischen helle Flechten oder Irish
Moss, wie immer man es nennen will. Wasser in Form von kleinen
Tümpeln, Teichen, Rinnsalen oder Flüsschen, alles ist gut durchnässt.
Nach einem Fotostop vernehmen wir
beide plötzlich ein beunruhigendes, immer wieder kehrendes zyklisches
Geräusch, das nicht sein soll und nicht sein darf ! Ich steige aus und
schaue nach, ob ich die Ursache erkennen kann. Ich bemerke nichts
Störendes an den Rädern, weder links, noch auf der rechten Seite, weder
beim Vorfahren, noch beim Zurückrollen. Wir schauen in der Garage nach,
auch hier passt alles. Man hört es ja nur beim schnelleren Fahren, aber
dann bedrohlich. Was tun? Beim Weiterfahren könnten wir etwas total
ruinieren oder wir könnten in einem Tunnel liegen bleiben.
So suche ich die Telefonnummer des
NAF (Norsk Automobil Foreningen), des norwegischen
Partners des ÖAMTC, heraus. Georg kommt mit seinem Handy nicht
durch; ich habe auf meinem nur mehr wenig Strom zur Verfügung. Aber ich
schaffe die Verbindung, zwar nicht mit dem lokalen NAF,
sondern mit deren Einsatzzentrale in Oslo. Dort erklärt man
Georg, sie würden gerne jemand schicken, doch müsse dies über den
österreichischen ÖAMTC angefordert werden. Es wird ein mehrmaliges Hin-
und Hertelefonieren mit Wien, bis man unsere missliche Lage
begriffen hat. „Notfall – wir stehen am Pass eines Bergmassivs,
dessen Namen wir nicht kennen, irgendwo zwischen Øvre Årdal und
Tyinkrysset, wahrscheinlich auf dem RV 53. Der Fahrer vermute
aufgrund des zyklischen Geräuschs, dieses stamme von der Kardanwelle
oder vom Differenzial. Wir wissen nicht weiter, wir brauchen Hilfe ! Es
hat nur 7 Grad, es regnet, es wird schon bald dunkel, und unsere
Handyakkus werden langsam leer.“ Banges Warten, bis die
Kommunikation zwischen Wien und den Norwegern klappt und
sie eine Lösung finden.
Um die Zeit zu nützen, mache ich
einen heißen Tee und Marmeladebrote, wir heizen auch etwas ein. Georg
ist immer so sparsam mit dem Gas, weil man nicht gut erkennen kann, wie
viel Reserve noch in den Gasflaschen ist. Gottlob, haben wir Alles, um
im Notfall da zu übernachten. Wir schmökern etwas in unseren
Reiseführern und Landkarten. Ich sehe zu, wie draußen der Nebel,
oder wie Georg sagt, die Wolke, uns schrittweise einhüllt.
Ein Naturereignis, das ich noch nie so deutlich erlebt habe.
Zwischendurch gibt es des öfteren Anrufe, um den Stand der Entwicklung
mitzuteilen. Nach einer Stunde meldet man, dass ein Tieflader den
Auftrag habe, uns abzuschleppen. Ob unser Schutzbrief dies Alles
abdecke, sei fraglich, denn die Höhe und das (tatsächliche…) Gewicht
unseres Fahrzeuges überschritten die darin vorgegebene Größe. Nun, uns
ist erst einmal wichtig, dass etwas passiert; wie das finanziell gelöst
wird, kann man wohl später diskutieren.
So geschieht es auch. Der angesagte
Abschleppwagen mit einer etwa 1 m hohen Ladefläche, also kein
Tieflader, erscheint. Wir sind sehr erfreut darüber und bedanken uns
für sein relativ schnelles Kommen. Der Norweger hat ein gutes Auftreten,
spricht fließend Englisch und schaut gepflegt aus. Die beiden Männer
nehmen das Problem gemeinsam in Augenschein: Georg fährt das WoMo
vor und zurück, der Fachmann schüttelt den Kopf, er hört zwar das
Klopfen, erkennt aber den Grund erst auch nicht. Die Kardanwelle sei es
nicht, auch nicht das Differenzial. Schließlich entdeckt er eher
zufällig einen großen Stein, der in den Zwillingsreifen eingeklemmt ist.
Er muss ihn mit seinem Abschlepphaken herausziehen, da er so tief und
fest drin stak. Welch einfache Lösung unseres Problems!
Egal, wie dumm wir jetzt dastehen,
wir sind beide sehr erleichtert, dass unser Elf nicht in die
Werkstätte muss und wir keinen Zeitverlust dadurch erleiden – und keine
zusätzlichen Reparaturkosten. Ich nehme den Stein als Souvenir in
Empfang – wir werden ihm zuhause ein Ehrenplätzchen auf Georgs
Schreibtisch zukommen lassen. Giorgio begleicht inzwischen mit
Kreditkarte und wird in Wien die Spesen vom ÖAMTC zurückfordern.
Wir schenken dem Helfer noch eine Flasche Ettl-Rotwein und
verabschieden uns herzlich.
Inzwischen ist auch der Himmel
ziemlich aufgeklart, die Wolken haben sich wieder aufgelöst, und klarer
Himmel lugt hervor. Die Hütten rundum werden wieder sichtbar. Wir
merken, dass wir neben einem Gebirgssee Halt gemacht hatten, und
verstehen nun auch, den Zweck der vielen Hütten. Jetzt haben wir wieder
Zeit und Interesse, uns mit unserer Umwelt auseinander zu setzen, und
genießen es wieder.
Langsam rollt unser Elf den
Berg hinab, wir bleiben oft stehen, weil für uns jede Kleinigkeit jetzt
wunderbar ist, und genießen die Abendstimmung. Alles schaut irgendwie
besonders aus. Die Felsen und Steine leuchten in einem ungewohnten
Grünton, wie in Kreta einst das Lavagestein. Dazwischen die
herrlich sattgrünen Moose und die hellen, großräumigen Flechten. Ein
Bild für Götter!
Wir fahren nicht
mehr weit – wir sind von all den Ereignissen doch müde und ausgelaugt
und reagieren spontan auf den Hinweis zu einem CP
Maristua in einem Weiler, 20 km vor Borgund.
Dieser Platz ist äußerst einfach angelegt, alles egal, es regnet schon
wieder, und wir wollen nur mehr unsere Ruhe und ein warmes Nachtmahl. Es
gibt Truthahnschnitzel mit gekochten Weizenkörnern und gemischtem Salat,
außerdem vom Georg selbstgepflückte Heidelbeeren mit Joghurt. Und
der Regen tropft und klopft auf unser Dach. Alles egal, wenn es nur
morgen wieder freundlicher aussieht.
Donnerstag, 28.08. 228 km)
Nicht sehr,
aber es ist zumindest trocken. Unser Thermometer zeigt außen 7 und innen
11 Grad. Da frühstücken wir erst einmal unsere Obstmahlzeit, bevor wir
uns rauswagen. Heute gibt es 1 Kiwi, ½ Apfel, ½ Orange und eine Walnuss.
Das Geschirr von gestern muss ich auch noch waschen - ich war gestern
Abend einfach zu faul dazu. Dann unter die warme Dusche, einfach
wunderbar. Es ist alles so sauber gepflegt hier.Jetzt setzen
wir fort, was wir gestern angepeilt haben, den Weg nach
Borgund. Komisch,
dass wir die Stabkirche nicht im Ortszentrum finden, Dafür gehen
wir dort einkaufen und bekommen dabei die richtigen Hinweise. Ein paar
Kilometer außerhalb finden wir die alte, ehrwürdige Holzkirche, die im
12. Jh. von fahrenden Handwerkern gebaut wurde. Sie ist eine von den
ältesten, heute noch erhaltenen 28 Stabkirchen.
Im Museum
erfahren wir in einer Ausstellung, dass es einst 3.000 Kirchen dieser
Art in Norwegen gab. Auch in anderen Ländern wurden sie damals
nach dem selben Stil errichtet, doch nur in Südnorwegen wurden
sie echt geschützt und erhalten.
Im Elf essen
wir mittags heiße Knackwürste, die Georg heute im Supermarkt
entdeckt hat, mit gemischtem Salat und begeben uns dann in den 24,5 km
langen, (mautfreien !)
Lærdalstunnel, der kurz nach 2000 eröffnet wurde. Man
hat schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man da hineinfährt, aber man
gewöhnt sich mit der Zeit an die Dunkelheit. Zur Erleichterung der
langen Tunnelfahrt und um einen Koller zu vermeiden, baute man alle 6
km eine Bucht mit Parkplätzen, die jeweils grün, blau und wieder grün
beleuchtet sind. Durch diese Abwechslung erscheint es einem viel
kürzer, aber man ist dann doch froh, nach 20 Minuten wieder draußen zu
sein, und öffnet sofort weit die Fenster, um gute frische Luft
einzuatmen.
Georg hatte große Lust, mit der
Flåmsbane, der Eisenbahn
von
Flåmnach
Myrdal, zu fahren, die dafür bekannt ist, innerhalb
von 20 km 800 Meter Höhenunterschied zu überwinden und dabei auch noch
20 Tunnel zu durchqueren. Nun, warum nicht. Für mich war es kein solch
erstrebenswertes Erlebnis, da ich in den letzten Tagen soviel
Höhenunterschiede, Gletscher, steile Felswände, Wasserfälle und
reißende Bäche erlebt habe wie sonst noch nie in meinem Leben. Aber ich
will keine Spielverderberin sein. Der nächste Zug hinauf ist schon
ausgebucht, man empfiehlt uns, auf gut Glück eine Stunde zu warten. Okey!
Als unser Zug einfährt, ist die Menschenschlange schon unüberschaubar.
Es kommen noch Busse und Gruppen dazu und es „wurlt“ nur so am
Bahnsteig. Ob all die Leute in den Waggons Platz finden werden ? Die 8
Personen auf der Warteliste bangen. Ich bleibe cool. Es ist, wie es
ist ! Eigentlich wäre schon Abfahrtszeit, und Georg fragt,
wie sie es damit hielten. „So pünktlich wie möglich“, war die
lakonische Antwort. Plötzlich ist doch noch für Alle Platz – anscheinend
wollte man die Spannung erhöhen. Schließlich blieben in unserem
Abteil sogar noch zwei Sitze frei.
Die Lokomotive
pfeift und beginnt zu schnaufen. Die Insassen drängen sich an die
Fenster, um Aufnahmen machen zu können. Heute geht es denen so, wie
sonst mir, wenn ich während des Fahrens fotografieren soll. Sie werden
viele Bäume auf den Bildern sehen, dort, wo sie sie nicht vermutet
hätten. Ich bin ein stiller Beobachter, habe ich doch nur noch für zwei
Minuten Filmmaterial, das ich während der Abfahrt vom einem
Fensterplatz runterspulen will. Bei einem Wasserfall machen wir 5
Minuten Pause, wobei sich der Perron so schnell füllt, dass man mehr
Menschen als sonst etwas auf dem Film bekommt. Nach 50 Minuten Fahrt
erreichen wir die Endstation. Dort wartet bereits ein Zug der
Bergen-Bahn, in den etliche Passagiere umsteigen. Als eine der
Ersten steige ich aus, um noch einen freien Blick auf den Pass zu
erhaschen. Doch hier ist jede Menge von Strommasten und Leitungen, so
dass mir die Lust zum Aufnehmen vergeht. Deshalb kehre ich in unser
Abteil zurück und reserviere einen Fensterplatz. Georg geht es
genau so, er belegt einen auf der gegenüberliegenden Seite, so dass wir
während der Talfahrt Zugang zu beiden Seiten haben. Doch es kommt oft
anders, als man denkt: wir hatten die vielen Tunnel vergessen…
Mitten während in
einer Filmsequenz unterbricht mich solch ein Tunnel – man bedenke, dass
20 solche Unterbrechungen den Spaß etwas verderben können. Wir werden,
sobald wir einmal Zeit finden, sehen können, was daraus geworden ist.
Wieder auf festem
Boden, wenden wir unser „Bobil“, wie die Norweger ein
Wohnmobil nennen, in Richtung Gudvangen, wo meine
bessere Hälfte gerne am Nærøyfjord, dem engsten aller
Fjorde, fischen möchte. Als wir dort anlangen, geht es wegen Bauarbeiten
nicht mehr weiter. Georg fragt einen Einheimischen, wie man zu
dem Dorf komme, und dieser meint, das seien nur diese 7 Häuser um uns
bei der Fährstation ! (Im Führer lese ich später, dass man eine
Schiffsreise empfehle, um diesen Fjord richtig zu erleben.)
So fahren wir
notgedrungen weiter. Der nächste Fjord an unserer Strecke beginnt laut
Karte erst kurz vor Bergen. Die Landschaft zu beiden Seiten ist
abwechslungsreich und natürlich schön, doch man kann nicht
ununterbrochen bewundern. Man gewöhnt sich daran – undankbar, wie der
Mensch eben ist.
Immer wieder schaue
ich, ob ich nicht irgendein Fjördchen an der Straße entdecke, doch dann
sehen wir wieder einen Abfluss, das heißt, es ist doch nur ein See, und
Georg fährt weiter. Er gewöhnt sich an die Kurven, legt sich
hinein und senkt leider die Geschwindigkeit nicht mehr viel. Immer
wieder kommt ein Tunnel, überraschend einer mit 11 km. Wie gut, dass
wir den 24,5 km langen schon geschafft haben, jetzt kann uns kaum mehr
etwas erschüttern. Sie hören aber nicht auf, diese Tunnel, kurze, lange,
gerade, gekrümmte, hellere und düstere, die Augen werden müde durch den
Wechsel von hell und dunkel. Dazwischen im Freien auch Kurven, an Seen,
an Flüssen. Georg ist nicht zu stoppen, er tritt auf das Gaspedal
und kurvt. Seit 50 km kein Hinweis auf einen Campingplatz, was soll das
?! Sonst kommt einer nach dem Anderen. Einmal glaubte ich, einen CP
bemerkt zu haben, doch bis Georg zum Bremsen kommt, sind wir
längst daran vorbei. Mir wird langsam übel, ich möchte mich erneut
bewegen. 130 km unter solchen Bedingungen, das zieht sich...
Bergen naht schon, soweit wollten wir heute gar nicht fahren. Da
endlich eine Anzeige, nichts wie hin, Fjord oder nicht Fjord. Nein, das
Wasser sei ein See, sagt mir der Receptionist, aber er erlaube, dass
mein Mann fische. Halleluja!
Als wir fix stehen
und Strom haben, ist es 21.30 Uhr. Kein Wunder, dass wir müde sind und
auch einen Riesenhunger haben. Erst mal ein bisschen Salami, damit wir
etwas in den Magen kriegen und unsere Laune sich bessert, dann gibt es
noch ein warmes Fertiggericht und ein Bier dazu. Dieser CP
Haukeland hat den bisher höchsten Preis für die
Übernachtung verlangt: 230 NOK, das macht sicherlich die Nähe zu
Bergen. Aber dass man zusätzlich 10 NOK für eine Dusche berappen
muss, wo man nichts regulieren kann, das finde ich stark. Die Nacht
davor hatten wir 120 NOK ohne Dusche bezahlt. Hier gibt es keine
geregelten Preise.
Freitag,29.08. (57 km)
Heute morgen wache ich auf, schaue,
denke nach, in welchem Ort wir eigentlich schlafen? Ich schaue beim
Alkovenfenster raus und traue meinen Augen nicht: der See ist voller
Nebelschwaden, die sich in drei Schichten aufteilen und zwischendurch
die Berge erkennen lassen. Ein total mystischer Anblick – schnell meinen
Trainingsanzug! Leider hat meine Filmkamera gestern gestreikt, so nehme
ich Georgs Fotoapparat, der hat wieder keinen Akku drin. Nix als
Hindernisse, inzwischen kann sich die ganze Morgenstimmung verändern.
Endlich, es geht noch, ich schieße etwa 15 Bilder von der sich ständig
verändernden Szenerie, von der Spiegelung der Bäume im Wasser trotz des
Wasserdampfes, bis dann die Sonne ganz durchbricht und ich nicht mehr
gegen sie aufnehmen kann. Ich bin happy. Solch ein Glück, dass
ich zufällig zur rechten Zeit aufgewacht bin! Die Langschläfer wissen
ja gar nicht, was sie versäumt haben.
Nach dem Frühstück, heute, unter der
Woche gab es sogar Brötchen, weil ich in der Früh die Duschmarken holen
musste, und Georg von mir so abrupt geweckt worden war. Eine
Wiedergutmachung sozusagen. Nach dem Brötchenfrühstück versuchte
Giorgio sein Glück beim Fischen. Da gab es aber wieder zu viele
Algen, und zu seicht war der See obendrein. Vielleicht klappt es beim
nächsten Mal.
Nun wollten wir Bergen
sehen und dort einen CP finden, was gar nicht so leicht war. Der eine
war zu weit entfernt, den anderen gab es nicht mehr. Und auf einmal
waren wir schon wieder in einem 3 km langen Tunnel, der uns zu dem
nächsten führte, und wir wussten nicht mehr, wo wir eigentlich waren und
was wir jetzt wollten. Da las Georg eine Straßennummer, von der
er sich gemerkt hat, dass sie zu einem CP führe. Schicksal, dass wir
dorthin sollen! Wir nahmen es an und fuhren die 20 km bis zum CP
Skogtun in Skogen bei Fjell, am Schärengarten auf
der Insel Sotra.
Die Umgebung so ist attraktiv und es
ist auch schon Nachmittag – zu spät für Museen und Kirchen in Bergen
– und so beschlossen wir zu faulenzen. Nach den Bratwürsteln mit
Apfel-Karotten-Salat ging Georg wieder fischen und ich Brombeeren
pflücken und auf eine Erkundigungsrunde. Die wilde Erika blüht
hier, formt kleine Hügel und setzt bunte Farbkleckse in die Landschaft.
Die Brombeersträucher sind voll roter unreifer und blauer reifer
Beeren, und ich bin vorsichtig, damit ich nicht zu oft hängen bleibe.
Schnell habe ich meinen Becher voll; so gehe ich schauen, wo Georg
fischt. Es ist nicht einfach, da hinunter zu gelangen. Der Weg ist
teilweise voll Geröll und Felsen, außerdem geht es steil bergab. Langsam
schaffe ich es und sehe meinen Besten unweit unseres Nachbarn stehen und
die Angel auswerfen. Damit nicht diesmal ich die Angel in die
Haare kriege, klettere ich wieder hinauf, was schneller und besser geht.
Meine Runde führt mich weiter über das Gelände und lässt mich ganz
herrliche Flecken entdecken. Ein junges, Deutsch sprechendes Paar hat
sich da eine versteckte Idylle gemacht. Sea-Camping heißt die
Etage, wo die jungen Leute ihr Zelt hinstellten – für die Caravans wäre
das Gelände zu uneben und zu bucklig. Aber die Aussicht von diesen
Stellen auf das Meer ist wunderbar und sehr reizvoll. Ein Gebiet für
Pfadfindergruppen sehe ich auch, richtig urwüchsig zum Erforschen der
Natur.
Man muss aber aufpassen, wo man
hinsteigt. Manchmal ist der Boden sehr weich und nass und gibt nach.
Einmal wäre ich fast in ein Loch gestiegen, was mir für einen Maulwurf
zu groß erschien, wer weiß, was da drin war. Ein schön ausgetretener
Pfad führt über Steinstufen zu einem Fischerhaus, davor liegen zwei
Boote mit Rudern. Man warnt die Fremden, mit Ruderbooten in den Fjord zu
fahren, weil einem der Sog schnell ins Meer hinaus ziehen könnte. So
kehre ich zum Elf zurück, setze mich mit dem Laptop ins Freie und
lass den Blick oft in die Weite schweifen, während ich schreibe. Nach
einer Stunde kommt Georg mit einem Nylonsackerl. Es ist was
drinnen: er hat 2 Makrelen gefangen. Super! Gratuliere zum ersten Fang!
Der Nachbar schenkt ihm noch zwei – sogar schon frisch gegrillte! –
dazu für ein herrliches Nachtmahl. Geht es uns gut ! Wir lassen sie uns
mit einem Glas Wein herrlich munden.
Der Abend verabschiedet sich mit
einer schön eingefärbten Wolkenstimmung; es ist auch noch warm wie schon
lange nicht, was uns anregt, mit unsern beiden Nachbarn noch Erfahrungen
auszutauschen. Erst als es ganz dunkel wird, verabschieden wir uns.
Samstag, 30.08. (27 km)
Die Temperatur sinkt während der
Nacht nicht viel ab. Morgens hat es noch 14 Grad. Ich habe nach langem
wieder einmal schlecht einschlafen können. Ob es mir zu warm war? Ob
der Golfstrom schuld ist?!
Wir versuchen, schnell wegzukommen,
um den Tag in
Bergen gut nützen zu können. Erst müssen wir wieder zu
Bargeld kommen, Georgs Cosmos-Kreditkarte funktioniert nur
manchmal. Bei der ersten Bank blitzt er ab, aber bei der zweiten klappt
es. Der Navigator, die Uschi, führt uns wieder einmal richtig zum
Ziel. Der Stellplatz unter der Brücke, das Bobil-Senter am
Damsgordsvegen, ist zwar nicht schön, aber zweckmäßig. Wir nehmen
die Räder runter und radeln in die Innenstadt. Erst einmal zur Info,
dann kommen wir an der Uni und am Kunstmuseum vorbei und
schließlich zum Markt. Da tut sich was ! Einheimische und
Touristen drängen sich um die Verkaufsstände. Wir verkosten zuerst
Salamis, vom Elch, vom Rentier und vom Wal. Dann
schauen wir zum Fischmarkt, wo uns verschiedene Lachsarten
angeboten werden. Der junge norwegische Verkäufer hatte Deutsch in der
Schule gelernt und praktiziert es jetzt regelmäßig mit den Touristen. Er
versteht es, auf den Kunden einzugehen. Wir kaufen ein halbes Kilo
gekochter Garnelen, die wir mit je einem Brötchen gleich am Kai
verspeisen. Die Abfälle werfen wir ins Meer, wo die Möven schon darauf
warten. Zu Beginn unseres Snacks kämpfen die Vögel noch um die einzelnen
Scampiköpfe, sie sind aber genügsamer, als der Mensch und zeigen sich
schneller zufrieden. Wir haben noch Appetit und gustieren noch mit den
Augen bei verschiedenen Ständen.
Es gibt aber noch so herrliche
Fischteller, mit Hummer, Krabbenfleisch, Garnelen und verschieden
zubereitetem Lachs. Vieles schaut sehr verführerisch aus, doch die
Preise ernüchtern. Wir entscheiden uns für ein mit dick geschnittenem
Lachs belegtes Brötchen um 30 NOK. Die Verkäuferin, eine Berlinerin,
scherzt noch auf Deutsch mit dem Kunden vor uns. Mir kommt vor, dass man
hier gerne Native speakers aus den verschiedensten Ländern
anstellt, damit die Touristen sich wohl fühlen und mehr einkaufen. Man
spricht hier nicht von zu hohen Preisen. Alle essen, trinken und machen
einen gut gelaunten Eindruck.
Angenehm gesättigt, wandern wir
weiter zur Festung Bergenhus mit der Håkonshalle.
Im ehemaligen Burghof trainiert eine Schulklasse in
mittelalterlichen Kostümen Degen- und Turnierkämpfe. Sie sind etwas
ungeübt, aber man freut sich über ihren guten Willen und die
Farbenpracht ihrer Kostüme. Die Håkonshalle ist verschlossen, wir
kennen sie so von Ansichtskarten, außerdem ist sie ja nicht original, da
sie durch eine Explosion zerstört worden war. So gehen wir außen herum
und schauen ins angrenzende Gebiet. Beim Spaziergang durch den Park
sehen wir wieder ein Hochzeitspaar mit Fotografen, die Erinnerungsfotos
schießen.
Auf dem Rückweg den Kai entlang
stoßen wir auf der (Tysk) Brygge wieder auf die
alten Hansehäuser mit Dachvorbauten, an deren Giebeln man noch
die Seilwinden erkennt, mit denen früher die Waren hochgezogen wurden.
So eng zusammengepfercht und dazu das dunkelbraune Holz, das Alles macht
alles einen sehr malerischen Eindruck. Am Abend, wenn die Lokale
dazwischen alle belebt sind, muss es sehr gemütlich sein.
Vor einem Verkaufswagen steht eine
Schlange um Speiseeis an; da es inzwischen sehr warm geworden ist,
stellen wir uns auch in die Reihe und genießen das Schauspiel. Der
Verkäufer plaudert mit jedem Kunden, als wäre er alleine da, und geht
auf deren Wünsche ein. Das gibt ein gutes Gefühl. Auch wir lassen unsere
Becher mit verschiedenen Sorten füllen, setzen uns schleckend auf eine
Bank und schauen dem Treiben rundum zu. Ich sehe sehr viele schön
gekleidete Menschen vorbeigehen und fühle mich in der Menge wohl.
Wir wollten uns noch die
Marienkirche ansehen, dazu schwingen wir uns auf die Räder und
treten wieder in die Pedale. Vor der Kirche steht wieder eine
Hochzeitsgesellschaft, anscheinend schon nach der Trauung. Das Brautpaar
nimmt die Gratulationen entgegen und lässt sich auch von uns
bereitwillig fotografieren. Die Hochzeitsgäste sind sehr festlich
angezogen. Die durchwegs attraktiven Damen tragen fast immer lange
Kleider in allen möglichen Farbtönen und Schattierungen, die Herren sind
zumeist im Smoking, und einige führen ihre Tracht aus. Auch die Kinder
sind sorgfältig und passend hergerichtet.
Eigentlich sollte die Kirche bis
Montag geschlossen bleiben, doch dann lässt uns die chilenische Mesnerin
doch noch hinein. Diese Kirche ist das älteste Bauwerk der Stadt, die
ehemalige Gemeindekirche der Hanseaten mit romanischgotischen
Außenmauern. Der Altarschrank mit Maria, Kind und den Aposteln
stammt aus dem 15. Jh. In der Mitte des Raumes steht eine barocke
Kanzel aus 1676.
Auf den Aussichtsberg Fløyen
fahren wir mit der Fløybane, einer Standseilbahn.
Bergen liegt breit ausgedehnt zu unseren Füßen, und wir sehen
sogar bis zu unserem CP Skogtun auf Sotra und weit hinaus
in die Schären.
Mit der Bahn sind wir schnell wieder
unten und suchen noch das Stadttheater. Wir sind
ganz überrascht, einen Jugendstilbau vorzufinden, auf den sogar Otto
Wagner stolz gewesen wäre, außen und innen sehr stilgerecht
ausgeführt.
Als wir nun zufrieden heim
strampeln, sieht Georg ein Fotogeschäft, das noch offen hat. Den
ganzen Tag hatte ich keines entdecken können. Schnell gehe ich rein und
bitte um Hilfe bei meinem Problem mit der Videocamera. Wie beim
Zahnarzt: Alles ist in Ordnung. Wie angenehm, so kann ich doch noch
etwas von Bergen filmisch festhalten. Nun geht es endgültig mit
dem Rad zum Stellplatz zurück.
Sonntag, 31.08. (125 km)
In der Nacht werde ich einmal wach,
schaue hinaus und sehe die wunderbare Spiegelung der nächtlichen Stadt
im Wasser. Das muss ich unbedingt aufnehmen – es sieht auch
beeindruckend aus.
Selbst am Morgen ist das Wasser noch
immer ganz ruhig, die Lichter sind abgedreht, aber die Brücke spiegelt
sich so genau, sodass quasi ein Ei entsteht. Das Fotografieren kann auch
zur Manie werden! Aber wenn es solchen Spaß macht!?
Nach dem Sonntagsfrühstück – ohne
Ei, aber mit überbackenen Broten – waren heute die Museen
dran. Zuerst die Rasmus Meyer Sammlingen im
Kunstmuseum. Im Billett war sogar der Eintritt in die beiden
benachbarten Museen, die Stenersen Sammlung und
die Galerie Lysverket inkludiert, und so versuchen
wir, in kurzer Zeit, soviel wie möglich von diesen herrlichen
Kunstwerken der Norweger in uns aufzunehmen, zusätzlich
fotografierte Georg Alles genau, und ich filmte einiges.
Wir hatten nicht gewusst, dass
dieses Land so viele und so herausragende Künstler hat. Wir sahen tolle
Werke von Johan Christian (Clausen) Dahl (1788-1857),
Adolph Tidemand (1814-1876), Harriet Bakker (1845-1932),
Frits Thaulow (1847-1906), Gerhard Munthe (1849-1929),
Christian Krohg (1852-1925), Erik Werenskiold
(1855-1938), Edvard Munch (1863-1944), Thorvald
Erichsen (1868-1939), Nikolai Astrup (1880-1928), Henrik
Sørensen (1882-1962), Jan Heiberg (1880-1928)
u.v.a.. Es war auch die Fülle von Gemälden besonders eines
Künstlers: Dahl hat sich nicht nur mit den Himmels- und
Wolkenstimmungen auseinander gesetzt, er hat auch jede Menge
Landschaftsbilder gemalt. In jedem Raum gab es ein Blatt mit
Beschreibungen der Werke und der darin vorgestellten Künstler, das wir
in der Hoffnung mitnahmen, dass sich später eine Gelegenheit bieten
werde, sich eingehender damit zu beschäftigen.
Anschließend haben wir im WoMo, das
wir fast im Zentrum parken konnten, die Reste vom Vorabend aufgegessen,
um dann nach
Troldhaugen zum nächsten Museum weiter zu reisen. Dort
hat sich der in Bergen geborene Edvard (Haugerup)
Grieg (1843-1907), der vom Wuchs her nur 152 cm kleine,
aber vom Ideellen her sehr große Pianist, Komponist und Künstler seine
Wahlheimat, seine persönliche künstlerische Welt geschaffen. Er hatte
lange Jahre jede Saison seinen Wohnort gewechselt, ist zwischen
Kopenhagen, Leipzig und Bergen herumgereist, hat aber
in Troldhaugen 22 Jahre lang seinen Hauptwohnsitz gehabt.
Er ist dort mit nur 64 Jahren gestorben und wurde dort auch bestattet.
Man muss heute noch zu ihm aufschauen, denn das Grab ist in 2 m Höhe in
eine Felswand eingelassen.
Wir bedauerten sehr, keine Musik von
Grieg mit dabei zu haben, um sie bei der Weiterfahrt anzuhören.
Wir konnten die E39 gleich weiterverfolgen bis Halhjem, wo wir
die Riesenfähre bis Sandvikvåg nahmen. Es war Sonntag Abend – das
heißt, sie war ziemlich voll belegt. Die Europastraßen sind eine gute
Einführung, wenn man ihnen folgt, braucht man nicht mehr lange
nachzuschauen, jetzt geht es einfach Richtung Stavanger.
Als Verbindung zur nächsten Insel mussten wir einen Unterseetunnel
benutzen. Wenn man im schummrigen Licht bergab fahren muss, hat man ein
mulmiges Gefühl, und wenn man einige Sattelschlepper vor sich hat, die
durch ihre Last einen enormen Bremsabrieb verursachen, fehlt einfach der
Sauerstoff. Man zählt die Kilometer mit und ist heilfroh, wieder ans
Tageslicht zu kommen. Da lobe ich mir die Brücken als Behelf, die durch
ihre Form und Technik beeindrucken und den selben Zweck erfüllen.
Ab Hagesund begannen wir nach
einem CP Ausschau zu halten und landeten schließlich am CP
Haraldshaugen, einem wildromantischen Platz am Meer. Zu
unserer Verwunderung hielt dieser Platz nur noch diese Nacht offen. Mit
Ende August beendeten die Betreuer die dreimonatige Sommersaison. Uns
soll es nicht stören, wir hatten ohnedies nicht vor, länger zu bleiben,
aber würden wir die nächsten Tage immer einen offenen CP vorfinden?
Kommt Zeit, kommt Rat!
Ich beeilte
mich, uns zu „installieren“; die Sonne war schon im Sinken, und ich
wollte so gern dabei sein, wenn sie im Meer untertaucht. Da hat mir aber
eine Wolke einen Streich gespielt und sich glatt davor geschwindelt.
Auch von den Felsen oben konnte ich das nicht ändern. Der Himmel wurde
ausgiebig rot, was sich auch teilweise im Wasser gespiegelt hat. Der
norwegische Maler Johan Christian Dahl, der sich intensiv mit dem
Himmel und Wolkenstimmungen befasst hat, hätte damit seine Freude
gehabt. Ich sollte mich ohnehin schon längst mit dem Abendessen
befassen.
Montag, 01.09. (82 km)
Heute war die Sonne schon früh wach.
Sie musste sich durch ein paar Wolken durchzwängen und hat sich
durchgesetzt. Die jungen Leute neben uns packen auch schon ihre Zelte
ein. Wir haben es uns angewöhnt, bis 08.30 Uhr zu faulenzen. In
Norwegen gehen die Uhren etwas anders.
Nach dem Frühstück machen wir
gemeinsam eine Runde über die Felsen und schauen zwei Fischern zu. Zum
Wasser selbst gibt es einige Hindernisse, steile, rutschige Felsen und
auch Zäune, damit die Schafe des Nachbarn bei uns auf den Wiesen nicht
alles verscheißen.
Am Grabmal des ersten norwegischen
Königs, des Harald Hårfagre (Harald Schönhaar), das
gleich neben dem CP als 17 m hoher Granitobelisk aufgerichtet ist,
wollen wir auch vorbeischauen, es ist die bedeutendste Sehenswürdigkeit
der Region. Harald hat im 9. Jh. für die Einigung des Landes
gesorgt.
Der Kleinstadt
Haugesund, wo
jeden August das norwegische Film-Festival stattfindet und der regionale
Oscar, der Armanda-Preis verliehen wird, statten wir einen
Kurzbesuch ab, weil wir Geld abheben müssen, was hier zum Problem werden
kann. Die Bankomaten hier akzeptieren nicht so gerne ausländische
Maestro- oder Kreditkarten. Die Fußgängerzone im Zentrum ist ganz
reizvoll, und am Meer befinden sich einige nette Lokale, die bei diesem
schönen Wetter heute gut besucht sind. Schon drei sonnige Tage
hintereinander – wir werden ja richtig verwöhnt!
Wir setzen unsere Route nach
Stavanger fort; der Himmel bewölkt sich langsam, und es beginnt
zu nieseln. Ich habe es anscheinend verschrien. In Arsvågen
nehmen wir das Fährschiff Stavanger bis Rennesøy.
Das Meer ist rau und stürmisch. Georg wird in die ganz linke
Reihe eingewiesen, wo wir dann so eingeklemmt sind, dass wir nicht
einmal aus dem WoMo aussteigen können. Dabei hätte ich so gerne den
hohen Wellengang von der Brücke aus gesehen. Das Schaukeln des Meeres
lässt den Alkoven unseres Elf an einen Stahlträger anstoßen. Wir
setzen uns beide auf die rechte Seite, damit durch Giorgios
Gewicht das WoMo zusätzlich mehr stabilisiert wird. Habe ich doch Angst
um meinen Alkoven ! So froh war ich noch nie, von der Fähre wieder
runter zu kommen.
Nach einem weiteren 6 km langen
Unterwassertunnel und zwei Brücken erreichten wir
Stavanger und fanden
einen Parkplatz am Kai, wo einige große Schiffe ankern. Es ist schon
nach 16 Uhr. So suchen wir nach dem berühmten Dom, der leider
schon geschlossen ist. Ich lese auf einer Tafel die Öffnungszeiten –
Juni bis August bis 19 Uhr, ab 1. September bis 16 Uhr. Quargel!
Schnell gehe ich zur Info, während
Georg wieder fotografiert, und merke, dass auch hier die
Nachsaison begonnen hat und wir ausgeschlossen bleiben. Mist! Das Wetter
ist auch mies, was machen wir jetzt mit dem langen Abend? Wir gehen eine
Runde durch die City, Schirm auf, Schirm zu ! Es ist nicht lustig! Wir
ziehen es vor, zu unserem Parkplatz zurückzugehen und es uns hier für
die Nacht gemütlich zu machen, denn wieder weg und einen CP suchen, wo
wir morgen hier besichtigen wollen, hat auch wenig Sinn.
Wir essen Spaghetti mit Dorsch und
Tiefkühlgemüse. Georg schmeckt es nicht so richtig, er fühlt sich
nicht so gut. Der Regen fällt auf unser Dach, mal stärker, mal
schwächer. Herinnen ist es ganz angenehm. Wir arbeiten beide am Laptop
und sind zufrieden.
Dienstag, 02.09. (55 km)
Der heutige Morgen begann mit
schnellen Aktionen, husch, husch, ins Gewand, aber nicht zu schleißig,
denn ich muss im Hotel Viktoria, vis-à-vis, Geld für den Parkomaten
wechseln. Macht einen guten Eindruck, das Haus, obwohl die Reception
gerade renoviert wird. Weil ich niemand sehe, schaue ich in den
Speisesaal. Da gibt es ein pikfeines Frühstücksbuffet, wo sich einige
elegant aussehende Gäste bedienen. Da will ich nicht stören, suche
weiter und finde um die Ecke die Receptionisten anscheinend nur
vorübergehend in diesen hinteren Raum untergebracht. Der junge Mann
hilft mir bereitwillig und wünscht mir einen schönen Tag. Das ist auch
notwendig, denn der Himmel sieht noch sehr bedrohlich aus, es hat so an
die 12 Grad. Die 40 NOK erlauben uns, bis 11.10 Uhr stehen zu bleiben.
So nehmen wir erst einmal unser Frühstück ein.
Anschließend möchte Georg mit
den Rädern zu den 170 weißen Holzhäusern von Gamle Stavanger
hinüber, da es nun auch wieder regnet, wäre mir das zu unangenehm, mit
einer Pelerine zu radeln. Ich nehme den Schirm und gehe zu Fuß hin. Ich
schlendere den Kai entlang, mache meine Bildreportage über
Stavanger und steige den Hügel hinauf, um all diese liebevoll
renovierten und mit vielen Sträuchern und Blumen geschmückten Häuser und
Gärten aufzunehmen. Es stehen immer wieder Bankerl unter Laternen und
Baumgruppen. Wie ich an einem Hausschild erkenne, wohnt auch ein
Architekt mitten drin. Ich traue mich darauf zu wetten, dass er am
Planen und Renovieren stark beteiligt war und sicher interessiert ist,
durch sein hübsches Anwesen Werbung für sich zu machen.
Dieses Viertel müsste man an einem
milden Sommerabend besuchen, wo es seinen ganzen Charme entfalten kann.
Der Denkmalschutz hat in dieser Stadt offenbar sonst nicht viel zu
plaudern, sonst gäbe es nicht dieses Misch-Masch von Stilen. Es stört
auch hier, dass hässliche Neubauten oder Industrieanlagen gleich
angrenzen. Als ich einen romantischen Garten filme und zoome, habe ich
auf einmal den großen Ozeandampfer vom Hafen im Bild. So sind hier das
Gestern und das Heute sehr miteinander verwoben. Langsam
steige ich total ins Heute zurück, versuche, den vereinbarten
Treffpunkt mit meinem Giorgio einzuhalten und gehe zum Dom.
Da es noch nicht 11 Uhr ist, schaue ich noch bei der Info hinein
und frage, was ein Tourist bei diesem Wetter tun solle, um den
Preikestolen optimal zu erleben. Man rät mir, das Schiff zu
benützen, das in der Nachsaison nur noch einmal täglich um 12 Uhr vom
Kai ablegt. Fein, ausreichend Zeit für die Besichtigung des Domes
und für die Vorbereitung zur Bootsfahrt.
Der Dom von
Stavanger soll nach jenem von Trondheim der schönste
Norwegens sein. Er ist im anglonormannischen Stil erbaut, brannte
gleich einmal ab und wurde dann hochgotisch erneuert und stammt
tatsächlich aus dem 13. Jh. Das Interieur, besonders die
Kanzel, wurde der Mode entsprechend in reichem Barock
ausgestattet. Bereits fertig mit einer genauen Außen- und
Innenbesichtigung sehe ich den Georg immer noch nicht. Es hatte
längst 11 Uhr geschlagen. Vielleicht wollte er zuerst zur Info. Nein,
auch da ward er nicht gesichtet worden. Hoffentlich ist ihm nicht noch
schlechter geworden! So muss ich, anstatt jetzt noch die doch
interessante Innenstadt mit den vielen engen Gassen, wo es rauf und
runter geht, zu durchwandern, zum WoMo zurückkehren.
Da fällt mir auf, dass mein Holder
den Parkschein verlängert hat, aber von ihm keine Spur. So soll ich
jetzt nochmals den gleichen Weg am Kai nehmen, damit ich ihn nicht
verfehle. Wir wollen ja das Schiff zu Mittag erreichen. Kein Georg
im Dom, noch auf den Straßen. Zum Verzweifeln! Ich kaufe zwei
rustikale Sandwiches, um Kleingeld für den Parkometer zu bekommen, und
auch, um nicht auf dem Schiff teures Zeug kaufen zu müssen. Gehe wieder
zum Elf. Keine Veränderung. So esse ich mein Rustikalbrød,
trinke Kaffee und gehe vor zur Anlegestelle, es kann sich ja alles noch
ausgehen.
Er kommt nicht, ich sehe ihn nicht,
das ist doch zum Ärgern. Wir hatten es klar ausgemacht, warum hält er
sich nicht daran?!!
Die Ticketverkäuferin gesteht mir
noch ein paar Minuten Wartezeit zu, es macht jedoch nicht viel Sinn,
weil wir die Parkscheine auch noch verlängern müssten. So mache ich
kehrt, total frustriert, wohl wissend, dass er in einigen Minuten
auftauchen würde, weil ja die Parkzeit vorbei ist. Da kommt er dann auch
ganz fröhlich daher, weil er entschieden hat, morgen bei schönerem
Wetter auf den Preikestolen zu marschieren. Dass ich nicht
lache!!
Verärgert gehe ich jetzt meine Runde
durch die City; er trifft eine Entscheidung, ohne mich zu fragen, was
glaubt er denn?! Soll mir den Buckel runter rutschen. (Wie er mir
später mit den Daten seiner Fotos nachgewiesen hat, war er von 11.09 bis
11.41 Uhr sehr wohl im Dom gewesen – wie konnte ich ihn übersehen??!)
Auf dem RV 508 und über die Fähre
von Lavrik nach Oanes und weiter auf dem RV 13 erreichen
wir den ganzjährig geöffneten CP Preikestolen,
ein 5-Stern-Platz, weil jeder Platz seine eigene Strom- und Wasserstelle
und auch einen Abwasserkanal hat. 250 NOK sind auch keine
Kleinigkeit. Muss ich dazu sagen, dass es immer noch regnet, einmal
stark, einmal weniger, jedoch kontinuierich ? 15 Uhr, und wir sind
schon eingerichtet – so früh waren wir noch nie dran ! Jetzt nehmen wir
erst einmal unser Mittagessen ein. Ich wärme eine Leberknödelsuppe aus
der Dose mit frischen Jungzwiebeln und gerissenen Karotten, nachher gibt
es mit Fleisch gefüllte Tortellini mit geriebenem Käse und Rucolasalat.
Wir sehen uns
anschließend einen meiner Videofilme an, der 90 Minuten dauert, bevor
wir Laptopstunde machen. Um 19 Uhr gibt es das Abendessen, bestehend aus
Paellareis mit dem restlichen gebratenen Dorschfilet. Da der Regen
ununterbrochen auf das Dach trommelt, fühlen wir uns im warmen Elf
sehr geborgen. Die Pfützen am Campingplatz werden immer tiefer, wir
überlegen schon, die Gummistiefel auszupacken. Wie wird dann erst der
Boden am Preikestolen aussehen!? Wir müssen abwarten, wie
das Wetter morgen sein würde.
Mittwoch, 03.09. (119 km)
Schon als ich aufwache, höre ich die
Tropfen immer noch auf das Dach fallen, ganz zart, aber doch. Es hat nur
9 Grad, und der Himmel ist verhangen. Während des Frühstückes - Georg
hatte für heute Brötchen bestellt im guten Glauben, dass wir am Berg
Kraft brauchen würden, dazu gibt es auch Ei und Salami – wird der Regen
immer stärker und wir beschließen, das Abenteuer abzublasen; wir packen
aber doch zwei Jausenbrote ein, für alle Fälle.
Und plötzlich kommt die Sonne
heraus, die ganze Situation verändert sich damit. Wir ziehen unsere
Bergschuhe an und kleiden uns wetterfest. Schnell sind wir die 4
Kilometer zum großen Parkplatz an der Preikestolenhytta gefahren,
und schon marschieren wir bergauf, wir haben ja die Option, umzukehren.
Der
Preikestolen (= ,Predigtstuhl’) ist ein
Felsplateau am Nordrand des Lysefjords, das 604 m
senkrecht abfällt und eine der größten Naturattraktionen Südnorwegens
ist. Zunächst geht es durch saftige Wiesen, auch durch Sumpfland mit
vielen Erikahügeln und helle Birkenhainen. Dann wird es langsam steiler,
die Steine werden immer größer und rutschiger, doch wir haben noch
morgenliche Kraftreserven und überwinden leicht diese Hindernisse. Als
aber immer wieder Schmelzwasser über die kleinen und großen Felsen
rinnt, kriege ich Probleme, weil ich Raulederschuhe trage. Sollten diese
nass werden, kriegte ich kalte Füße, was in der Folge meine Wanderfreude
beeinträchtigen würde. Wir stapfen weiter, schön gemütlich, so haben wir
es uns vorgenommen. Immer wieder überholen uns junge Wanderer. Wir
lassen sie gerne vorbei, so sind wir unbehelligt. So gehen wir die erste
Stunde, bis wir zum großen Lageplan kommen, auf dem wir eine starke
Steigung entdecken, dann geht es wieder gemäßigter, weniger arg weiter.
Bald stoßen wir auf eine Geröllhalde mit großen Felsbrocken, die wir
alle irgendwie bewältigen müssen. Wegen des Schmelzwassers ist ja alles
sehr glitschig. Ich nehme mir vor, noch diese lange Wand zu schaffen und
mich dann in die Sonne zu legen, wie jene Spanierin, die ihre Gruppe
ohne sie weitergehen ließ. Diese lange Steigung mit den Riesensteinen
und viel Geröll hat es aber in sich. Genauso, wie der Horizont oft
zurückweicht, geht es uns mit dieser Wand. Sie setzt sich immer weiter
fort, und ich möchte schon bald aufgeben, als uns ein Paar, das schon
auf dem Rückweg ist, beruhigt und uns sagt, wir hätten schon den
schlimmsten Teil geschafft. Derart aufgebaut, nehmen wir uns vor, auch
den Rest zu meistern. Der Weg dahin zieht sich, es kommen immer wieder
schwierigere Passagen, doch dann wieder nur leicht ansteigende Strecken,
lang gezogene Plateaus, wo das Gehen richtig Spaß macht.
Öfters fragen wir schon absteigende
Touristen, wie weit es noch sei, und hören wiederholt, „Nur noch eine
halbe Stunde“. Dass eine halbe Stunde so unterschiedlich lang sein
kann!
Eine enge Brücke müssen wir
überqueren, wo man tief hinunterblickt, und eine zweite Enge direkt am
Abgrund und ohne jegliche Sicherung war noch zu meistern, wo ich sehr
gerne Georgs Hilfe in Anspruch nehme. Danach muss ich mich etwas
zittrig hinsetzen.
Endlich sind auch wir oben und sehen
dieses sagenumwobene Plateau vor uns. Ich gehe nicht bis an den Abgrund
vor, sondern bleibe hinten an der Felswand und beobachte die wagemutige
Jugend und meinen Georg, der auf dem Bauch liegend in den Abgrund
fotografiert. Es gelingt mir, ein Foto vom Abgrund zu schießen. Dann
essen wir zufrieden unser Jausenbrot.
Da wir am Horizont schon dunkle
Wolken aufsteigen sehen, wie man im Wetterbericht voraussagte, machen
wir uns bald auf den Rückweg, wo wir ja diese schwierigen Passagen
erneut schaffen müssen. Schon etwas müde, brauchen wir für den Abstieg
doch auch 2 ½ Stunden, es zieht sich einfach. Es fängt auch immer wieder
zu tröpfeln an. Wir haben aber das erhebende Gefühl, das Schwerste
hinter uns zu haben, was uns sehr aufbaut. Wir sind jedenfalls sehr
stolz darauf, dass wir’s geschafft haben, Georg mit seinen
Wirbelsäulenproblemen und ich mit den Nachwirkungen meines
Knöchelbruchs von 2006!
Im Wohnmobil stärken wir uns und
machen eine längere Rast, bevor wir unsere Fahrt fortsetzen. Wir nehmen
die Fähre zurück Lauvik, die nur 7 Minuten zum Übersetzen
braucht, rollen den RV 508, die E39 bis Bue, dann den RV 45 bis
Varhaug, wo wir tanken und, weil wir dort einen Spar
entdecken, auch gleich einkaufen. Endlich kommen wir auf die
Küstenstrasse 44, die Georg so gerne entlangfahren möchte. Leider
beginnt es zu regnen. Hört wieder auf. Dann schüttet es so, dass wir
einmal anhalten müssen. Wo all dieses Wasser nur herkommt! So wechselt
es ab, bis zum nächsten Morgen. Dass wir während unserer Bergtour solch
ein Glück mit dem Sonnenschein hatten, ist ja unfassbar!
Im Regen finden wir unseren nächsten
CP bei Egersund, der an einem reißenden Fluss
liegt. Der Platz ist fast leer, die Wiesen sind sehr nass, teilweise
steht das Wasser in Pfützen auf der Wiese, und es ist unangenehm kalt.
Zur Feier des
Tages gibt es gebratene Scampi mit Spaghetti in Pesto und ein Glas
Weißwein. Schmatz!
Donnerstag, 04.09. (186 km)
Heute früh fand die Wiederholung der
gestrigen Wetterstimmung statt. Ich bin um 07.30 Uhr einmal
aufgestanden, um einzuheizen, so ungut war die Temperatur. Als Georg
vom Duschen kam, war es bereits angenehm warm, und die Stimme von
Anna Netrebko von einer CD verschönte uns das Frühstück. Mag es
draußen auch stürmen, wir machen das Beste daraus! Gegen 11 Uhr war die
Sonne ausgeschlafen und erfreute uns mit ihrer Anwesenheit.
Wir steuerten die City von
Egersund an, eine Stadt, die hauptsächlich vom Fischfang
und dessen Verarbeitung lebt. Wir besichtigten die Altstadt,
kauften frischen und geräucherten Fisch, sowie eine Rentier-
und eine Elch-Salami.
Dann ging’s zur nächsten Station,
nach Flekkefjord. Bis dorthin mussten wir wilde Bergstöcke
überqueren, die aussahen wie eine Mondlandschaft. Sylvia hatte das sehr
gut in ihrer Reisebeschreibung geschildert. Diese dunklen, von der
Erosion der Eiszeit abgerundeten Elefantenberge sind oft ganz kahl.
Moose und Flechten haben nur in den Niederungen und den Rinnen Chancen,
sich festzusetzen, ansonsten sind die Witterungseinflüsse noch zu stark,
um dort zarte Pflänzchen gedeihen zu lassen. Es dauert wieder
Jahrtausende, bis die Vegetation langsam durch Sporenansiedlung all
diese glatten, abgeschliffenen Steinflächen erfassen kann. Bis die Farne
dort wachsen, braucht es wieder einige Pflanzengenerationen.
Zwischendurch mussten wir auch von
Industrie sehr beanspruchte Gebirgszüge entdecken. Es ist nun eine
Tatsache, dass Norwegen einer der größten Kunstdüngererzeuger
ist. Auch als Aluminiumhersteller steht Norwegen an
Europas erster Stelle, und ich glaube, schon erwähnt zu haben, dass sehr
viel Luftverschmutzung aus den Nachbarländern Russland und
England als saurer Regen „importiert“ wird. Nicht umsonst war dieses
Land das erste, das ein Umweltschutzministerium einrichtete, was
wohl die Antwort auf einen großen Umweltskandal war: man hatte
Titanschlämme einfach in den Fjord entsorgt, wodurch der Meeresgrund im
Jøssingsfjord auf Jahrhunderte ruiniert wurde.
Man ist froh, wenn man die
Serpentinenstraße mit den dunklen Tunnel hinter sich gebracht hat und in
die blendend weiße Stadt
Flekkefjord kommt, wo alles frisch gestrichen aussieht.
Viele Holländer hatten sich hier im 16. Jh. im Viertel
Hollænderbyen niedergelassen. Sie betrieben regen Holzhandel mit
ihrer Heimat. Ganze Teile Amsterdams sollen aus Flekkefjorder
Holz errichtet worden sein.
Wir hielten uns nicht allzu lange
auf und strebten nun
Mandal zu, wo Gustav Vigeland
1869 geboren wurde, der in Oslo den Frogner-Park mit 200
Skulpturen verschönert hat. Auch der Maler Adolph Tidemand
kam hier 1814 zur Welt.
Viele Menschen kommen wegen des 2 km
westlich liegenden, etwa 900 m langen Sandstrandes Sjøsanden
hierher – uns ist leider das Wetter zu kalt zum Schwimmen.
Der Himmel ist schon wieder ganz
schwarz, und wir flüchten bald ins Auto für unsere letzte Destination
heute, wo wir schlafen wollen: Kristiansand. Es
dauert, bis wir den CP finden, und dann ist die Reception gar nicht
besetzt. Die Kosten pro Nacht sind aufgelistet, aber wir sind nicht
bereit, 280 NOK für solch einen tristen CP ohne Betreuung zu bezahlen,
und so stellen wir uns auch davor auf den Parkplatz am Hafen wie einige
andere Camper auch und verbringen dort die Nacht.
Freitag, 05.09. (124 km)
Als ich heute erwache, scheint schon
die Sonne. Von meinem Alkoven aus konnte ich sie nicht aufgehen sehen.
Hauptsache, sie ist da. Es hat nur 11 Grad, und ich muss etwas
einheizen, um es gemütlich zu machen. So schmeckt das Frühstück gleich
viel besser. Jetzt gibt es auch wieder Walnüsse zum Obst.
Dann begeben wir uns ins
Stadtzentrum von
Kristiansand, wo wir in der Nähe der Kirche einen
Kurzzeitparkplatz finden. Länger wären wir ohnedies nicht geblieben,
denn bei der Baustelle daneben hatte man sehr laute Maschinen im Einsatz
– soviel Dezibel wären bei uns nicht erlaubt. Außerdem war die
neogotische Domkirche geschlossen, wie hier leider oft üblich.
Wir fuhren weiter zum Hafen
und machten dort einen Spaziergang rund um die Christiansholm
Festning (Festung). Die Sonne machte immer noch ein
freundliches Gesicht, und einer der Bootsbesitzer sorgte für die
beschwingte, musikalische Untermalung. So könnte man es länger
aushalten.
Sonst gibt es hier wenig alte
Bausubstanz. König Christian IV. ließ die Stadt am
Reißbrett entwerfen, in Quadratur, sagt man.
Lillesand war unser
nächstes Ziel. Im Führer steht, dass man sich damit ein
Architekturmuseum erspare. Der 10.000-Einwohner-Ort wirkt sehr
sorgfältig gepflegt. Die Häuser und Gärten sind wie aus einer
Architekturzeitung, das stimmt. Auch am Hafen, wo es sonst nicht so
genau hergeht, liegen die großen Yachten wohlgeordnet nebeneinander, ein
ruhig, harmonisches Bild. Man sieht, die Menschen hier leiden keinen
Mangel, im Gegenteil, sie sitzen in den Strandcafés und in den
Gastgärten am Hauptplatz und plaudern. Das ist so verlockend, dass mein
lieber Mann mich in ein Fischrestaurant einlädt. Ich bestelle ein
Rekebrød (Krabbenbrot) und Kaffee, und bin doch erstaunt, als
ich ein Shrimpssandwich bekomme. So kann man sich mit fremden
Sprachen täuschen. Georg wählt die erprobte Fischsuppe und
ist's zufrieden.
Grimstad ist der
Ort, wo die Eltern Ibsens ihren Sohn Henrik
in eine Apothekerlehre gaben, nachdem sie um ihr Vermögen gekommen
waren. Er musste dort mit den drei Hauskindern schlafen, so kam er nicht
viel zum Malen und Schreiben, und wahrscheinlich aus diesem Grunde
suchte er in einem anderen Zimmer bei einem Mädchen Unterschlupf, was
ihn zum Vater eines Sohnes machte. Wie das Leben so spielt ! Immerhin
schrieb er in Grimstad sein erstes Drama, Catilina.
Unsere Führerin, ein fast
70-jährige, fesche Norwegerin, führte uns charmant in sein Leben ein und
zeigte uns das ganze Museum. Zwischendurch wurde sie von ihrem
jüngsten Enkel angerufen und um Rat gefragt. Störte uns nicht - wir
hatten ausreichend mit unserer Dokumentation zu tun.
Wir fuhren noch zur Dorfkirche
hinauf, die als zweitgrößte Holzkirche (nicht Stabkirche)
Norwegens bekannt ist. Leider ist auch sie geschlossen. Dafür war
die Aussicht von dort oben über den recht malerischen Ort und den
Hafen lohnend.
Der letzte Punkt auf unserem
Tagesprogramm war das 10 km entfernte
Arendal. Man nannte es 1868 das „Venedig des Nordens“,
weil es einst so viele Kanäle hatte. Heute möchte man die alten
zugeschütteten Kanäle zwischen den sieben Inseln, aus der die Stadt
eigentlich besteht, wieder aufleben lassen, aber es wurde zuviel
Modernes dazwischen gebaut, sodass ein zu großer Stilmix entstand.
Dennnoch, der Stadtteil Tyholmen war doch stimmungsvoll.
Ansonsten etwas enttäuschend – die Atmosphäre ist verloren gegangen.
Wir verließen
nun die Küste und folgten dem
Telemarksveien; erst war es der RV 42, der uns bei
Svenes zum RV 41 führte, und ab da hielten wir Ausschau nach
einem CP. Heute brauchen wir wieder Strom, weil unsere Batterien
(Laptops, Fotoapparate, Videocamera, Handys) leer sind. Es nieselte und
dunkelte schon, da stießen wir auf den CP Flateland.
„Einen Platz suchen, sich einrichten und sich dann anmelden“, hieß
es auf dem großen Brett. Gleich geschehen, unweit des Waschhauses
stellten wir uns hin. Zufällig war der Bauer gerade in der Nähe und nahm
meine Anmeldung und das Geld ziemlich wortkarg in Empfang. Es fiel im
nicht so leicht, sich auf Englisch verständlich zu machen. Ich habe
inzwischen auch gemerkt, dass er gerade beim Verladen von Holzstämmen
war, und erleichterte ihm die Sache. Später habe ich beobachtet, dass
die Männer noch im Scheinwerferlicht ihren Laster beluden, sie waren
offensichtlich unter Zeitdruck. Von der Umgebung des Platzes sah ich
nicht mehr viel. Ich bemühte mich, unser Truthahnfleisch mit
Weizenkörnern und Fenchelgemüse schmackhaft zuzubereiten
Samstag,06.09. (254 km)
Heute morgen, nach dem Frühstück,
erkundete ich die Umgebung und war überrascht von der Größe des Platzes
und die vielen Wohnwagen von Dauercampern. Verständlich: der See macht
hier eine Biegung, in deren Kurve eine Grillstelle, nette Sitzgruppen
und eine seichte Einstiegsstelle ins Wasser sind, das zwar etwas
bräunlich, aber sonst ganz klar ist. Jetzt bei den wenigen Graden heute
und dem leichten Nieseln wirkt es nicht so einladend. Ich kann mir aber
vorstellen, wie gut man hier heiße Sommertage verbringen kann. Die
Waschräume lassen jedoch sehr zu wünschen übrig, da müsste etwas
geschehen. Wir fahren wieder ab, weil wir noch einen weiten Weg bis nach
Heddal vor uns haben.
In Treungen, am
Südufer des Nisser-Sees, sieht Georg einen
Spar und erinnert sich an deren Grillhuhnwerbung. Er
bremst abrupt und parkt ein. Leider sind die Grillhühner noch nicht
fertig, es dauert noch 20 Minuten. Ich nütze die Zeit, um all das
Angebot dort zu studieren, und sehe ein paar ganz günstige Sachen.
Schnell bereite ich den Rucolasalat zu, Brot, frisch aus dem Backofen,
und das gegrillte Huhn, da leben wir wieder auf.
Dann müssen wir die Zeit aber wieder
aufholen, weil die Kirche in Heddal nur bis 17 Uhr
geöffnet ist. Giorgio braust durch die Gegend. Bäume, Flüsse,
Seen und Wasserfälle fliegen an uns vorbei, heute ist nicht soviel Zeit
zum Fotografieren. Wir sind zwar auf Urlaub, aber ... Nun ich will ihm
die Freude nicht verderben und sitze brav daneben, denn wir müssen
unseren Zeitplan ungefähr einhalten. Es geht wieder einige Berge rauf
und runter. Man merkt rundum, dass der Herbst naht. Die Birken sind die
ersten – ihre kleinen, zarten Blätter färben sich goldgelb, manchmal
hängt solch ein Ästchen wie eine Traube herunter. Auch die Farne sind
sehr sensibel, sie werden oft schon honiggelb, manche sind auch schon
braun. Unsere „Geißenblumen“ (gejtrams) sind schon total
verblüht, aber manche Laubbäume färben sich nun rötlich bis tiefrot und
setzen starke Farbkleckse in die Natur, wahrscheinlich, um die allgemein
trüber werdende Stimmung aufzuhellen. Ein einzelner so herbstlich
gefärbter Baum in einem ganzen Gebiet zieht automatisch schon von weitem
die Blicke auf sich. Ich stelle mir vor, wie die Natur in
Skandinavien sich in ein paar Wochen zeigen wird. Gewiss so
überwältigend, dass man als Landschaftsmaler wohl nicht mehr zum
Schlafen kommt.
Eben fahren wir den Nisser-See
entlang, wo aus den Trollen die Nissen werden und
wo man sich handwerklich sehr kreativ präsentiert, besonders bei der
Silberverarbeitung. Die Felsen zeigen sich hier einmal kahl, auch von
den Schmelzwassern glänzend, dann wieder von hellen Kiefern bestanden.
Am Straßenrand im weichen Moos blitzen oft handtellergroße, dottergelbe
Schwämme auf, manchmal sogar in kleinen Gruppen, auch fliegenpilzartige
Hütchenpilze tauchen gelegentlich auf. Es ist so entspannend, sich auf
die Wunder der Natur einzulassen, sie einfach auf sich wirken zu lassen.
Da unsere Norwegenreise langsam dem Ende zugeht, bin ich dafür
besonders empfänglich.
Wir flitzen an Seljord
vorbei, Georg nimmt sich nicht die Zeit, um die romanische
Steinkirche aus dem 12. Jh. zu suchen und anzuschauen, da sie nicht
direkt an unserer E134 liegt. Wir durchfahren das Saulandgebiet,
um endlich kurz nach 16 Uhr in
Heddal anzukommen. Gottlob, die Kirchentür steht noch
offen. Etwas düster, aus dunkelbraunem, altem Holz, breit aufgefächert
steht sie da, die größte Stabkirche Norwegens. Sie hat
sogar 3 Türme, die man auf manchen Ansichtskarten schön
aufsteigend angeordnet sieht, und 5 Kreuze. Innen sieht man den
farbintensiv figurierten Altar aus dem 17. Jh. und den berühmten
Bischofsstuhl, in dessen Lehne Sigurd und Gunnar aus
der Nibelungensage eingeschnitzt sind.
Im Keller des Verwaltungsgebäudes
zeigt man eine kleine Ausstellung über die nicht immer positiv
beurteilten zwei Renovierungen der beiden letzten Jahrhunderte.
Entspannt setzen wir den Weg
Richtung Oslo fort und landen bei Drammen, 17 km vor Oslo
auf einem NAF-CP. Die Receptionistin zeigt sich sehr interessiert
an ihren wenigen Campinggästen, gibt uns für die ÖAMTC-Mitgliedschaft
eine NAF-Reduktion und erzählt, dass sie auch schon am 15.09.
Saisonschluss machten. Es sei einfach nichts mehr los. Das merkt man
auch am Platz. Einige Wohnwagenbesitzer bauen ihr Vorzelt ab. Es ist
kalt, ca. 10 Grad, und windig; wenn ich mir das Wasser in dem Fluss oder
Fjord ansehe, wird mir schon kalt. Schnell gehe ich in unseren Elf
und bereite uns eine warme Hafersuppe und ein Fischgratin zu, das
Georg am Fischmarkt von Egersund als Fertiggericht
erstanden hatte.
Der Fernseher hat keinen Empfang,
vielleicht weil wir unter einem Baum stehen. Macht nichts, heute ist eh
keine Wahlkandidatendiskussion, so komme ich wenigstens ungestört zum
Schreiben.
Sonntag,07.09. (47 km)
Als ich um 7 Uhr aufwache, ist es
unverändert trüb. Ich habe deshalb keine Lust, bei diesem Wetter früh
aufzustehen. Wahrscheinlich schläft ,Frau Sonne’ am Wochenende
besonders lang. Wir machen uns ein gutes Sonntagsfrühstück – Georg
trifft nach den letzten schlechten Erfahrungen an Sonntagen heute selbst
die Vorbereitungen. Ich decke nur den Tisch. Es belustigt mich zu sehen,
dass auch Georg die Eier zu weich geraten sind. Ich glaube, die
brauchen hier in Norwegen einfach länger.
Wir brechen bald auf, um nach
Oslo zu kommen und Gernot wiederzusehen. Der Verkehr
Richtung Hauptstadt war locker, wir kamen diesmal von der Westseite,
sehen Oslo vom anderen Ende. Ich bemerke, dass das hier schon
mehr Laub verwelkt ist, das macht wohl die Wärme der Großstadt aus. Wir
sind nun wieder in der Hauptstadt, von wo wir vor ungefähr 4 Wochen
unsere Norwegenreise begonnen hatten. Es war eine sehr ereignisreiche,
wunderbare Zeit!
Unsere ,Uschi’ leitet uns
diesmal zielsicher durch das Straßengewirr in die Vibes gate, wo
wir sogar einen Parkplatz bei Gernots Wohnhaus finden. Wir freuen
uns, wieder bei Gernot zu sein.
Wir steigen mit ihm in seine Wohnung
hinauf und machen es uns gemütlich. Draußen ist es trüb wie gewohnt, das
soll uns jetzt egal sein, wir verbringen eine angenehme Zeit mit unserem
Sohn, erzählen von unseren Reiseerlebnissen, zeigen Fotos, schauen seine
Bilder von seiner WoMo-Reise mit seinen Wiener Freunden an, vergleichen
unsere Eindrücke und Reiseerfahrungen und genießen dazwischen Essen und
Trinken. Auch sie waren auf dem Preikestolen, schafften es
aber doppelt so schnell als wir. Einer von ihnen lief in nur 51 Minuten
hinauf!!
Wir führen uns auch einen meiner
Norwegenfilme zu Gemüte, was zwischendurch durch meine unbeabsichtigten
Fehleinstellungen und Pannen sehr zu Erheiterung beiträgt. Diese lockere
familiäre Atmosphäre tut uns allen sehr wohl, darum kommen wir erst
spät ins Bett.
Georg und ich haben anscheinend beide zu viel gegessen, was uns nicht
einschlafen lässt. Mein Bester holt mich, damit ich seine sitzende
Schlafstellung überwache.
Montag, 08.09.
Etwas müde nehmen wir drei ein
gemeinsames Obstfrühstück ein, bevor Georg und ich mit der
Straßenbahn zur Oper fahren, um dort für uns drei Karten für „La
Bohème“ zu erstehen, die Oper, in der seinerzeit Georg und
der damalige Sängerknabe Gernot in der Wiener Staatsoper
gemeinsam aufgetreten waren.
Nach einer Stunde gelangen wir
endlich hin und stellen uns beim Kartenvorverkauf an. Wir verfolgen eine
endlose Diskussion, die die Ticketverkäuferin mit ein paar Interessenten
führt, während ihre Kollegin lang und breit telefoniert. Es geht nichts
weiter, die Schlange hinter uns wird noch länger und wir langsam
unmutig. Irgendwann ist es soweit, dass auch wir an die Reihe kommen,
und mein Bester bestellt großzügig drei Sitzplätze für die
Abendvorstellung. „Für welche Vorstellung ?“, fragt die Gute,
„Wir spielen heute gar nicht!“
Interessant, nun haben wir extra
dafür um einen Tag verlängert und Gernot dazu eingeladen. Wieder
einmal so ein Husch-Pfusch, die Enttäuschung ist groß. Ich habe genug
von der Oper, die eine Menge Geld gekostet hat und uns nichts
zeigt.
Wir fahren mit der Straßenbahn # 12
zum Frogner-Parken, wo es viele Skulpturen des
bekanntesten norwegischen Bildhauers Gustav Vigeland
zu bewundern gibt. Er hat eine Brücke mit 58 Bronzefiguren
verziert, worunter die berühmteste das Ebenbild seines Sohnes, der
Kleine Trotzkopf (Sinnataggen), ist.
Einen Brunnen hat er mit dem
Lebenszyklus ausgeschmückt, und über drei Terrassen führen
Treppen zum Monolithen hinauf, für den er 121 Gipsfiguren geplant
hat, die 3 Steinmetze in 13-jähriger Arbeit vollendet haben. Leider ist
dieser eingerüstet und verhüllt, weil er gerade gereinigt wird.
Wunderschön geschmiedete
Gittertüren schließen das Ganze ab. Es hat nur ein bisschen Sonne
gefehlt, um das Ensemble in noch besserem Licht erscheinen zu lassen.
Die Fahrt auf den Hausberg zum
Restaurant Frognerseteren (Frogner-Alm) beim
Tryvannstårnet hätten wir uns sparen können, denn die Sicht wurde so
mies, dass wir oben gleich wieder umkehrten und den selben Zug zurück
nahmen. Auch das Aussteigen auf der Zwischenstation Holmenkollen
hat nicht viel gebracht: Alles im Nebel, dazu Nieselregen und außerdem
noch teilweise Bauarbeiten. Wir hatten die Sprungschanze vor Jahren in
viel besserem Zustand bei schönem Sonnenschein erleben und fotografieren
können.
Resigniert und
müde kehren wir zu Gernot zurück. Georg verzichtet bei
diesem sehr kühlen Abend auf die geplante gemeinsame Inselfahrt,
und wir erfreuen uns an Gernots Kochkünsten und vor allem an
seiner Gesellschaft. Da unserem Sohn am nächsten Tag eine schwierige
Arbeit bevorsteht, dehnen wir den Abend nicht zu lange aus und lassen
ihn entspannt ausklingen.
Heimreise
(09.09. bis 15.09. – 1.889 km)Oslo – Fredrikstad – Halmen – Schweden – Hafsten – Gotenburg (Göteborg) – Malmö – Öresundbrücke – Dänemark - Kopenhagen – Fähre Gedser > Rostock – Deutschland – Lutherstadt Wittenberg – Leipzig – Chemnitz – Tschechien – Komotau (Chomutov) – Saaz (Žatec) – Pilsen (Plzeň) – Budweis (České Budějovice) – Wittingau (Třeboň) – Österreich – Neunagelberg – Horn – Stockerau – Wien
Dienstag,09.09. (264 km)
Abschied muss sein, wenn es auch
schwer fällt! Da Gernot auch seinen festgesetzten Termin hat,
machen wir es kurz, indem wir nach dem gemeinsamen Obstfrühstück noch
einige Familienfotos mit Selbstauslöser knipsen und schnell
zusammenpacken. Manchmal ist es nicht einfach, das „Loslassen“. Adieu,
mein Kind, aber auf bald! Schnell abfahren, auch wenn es Georg
schwer fällt.
Die Straße hat uns wieder, und nach
dem Anlassen des Motors braucht es viel Konzentration, um die richtige
Ausfahrt zu finden, und der Fahrtwind bläst durch das Fahrerhaus.
Adieu, Oslo, Kilometer
um Kilometer schieben sich dazwischen, doch die Welt ist ja durch das
Flugzeug kleiner geworden und ermöglicht einem, schnell auch große
Entfernungen zu überwinden.
Nach
Fredrikstad sind es 113 km. Diese Stadt war von
Fredrik II. 1567 an der Glomma gegründet worden
und diente immer wieder als Bollwerk gegen die Schweden. Sie ist
heute noch fast vollständig als Festungsstadt erhalten. Es heimelt sehr
nostalgisch an, wenn man durch die alten, ruhig daliegenden Straßen mit
den Empirehäusern und den Renaissance-Karrees spaziert. Im Proviant-
und im Slaveriethus werden noch kulturhistorische Ausstellungen
gezeigt. Unten am Fluss und außerhalb der Festungsmauern kann man gut
promenieren und die vereinzelt aufgestellten Kanonen betrachten.
Nach einem kurzen Abstecher in den
modernen Einkaufsteil von Fredrikstad fuhren wir nach
Halden mit der größten, wenn auch nicht besterhaltenen
Festungsanlage Norwegens, die sich auf einem 128 m hohen Plateau
ausbreitet. In 30-jähriger Bauzeit nach französischem Vorbild errichtet,
hat sie gegen die Schweden gute Dienste geleistet.
Vor der Grenze holte sich Georg
noch einen Teil der Mehrwertsteuer von seiner Angel zurück, und wir
statteten dem Supermarkt Rema 1000 unseren ersten und letzten
Besuch ab, um noch ein paar norwegische Lebensmittel mitzunehmen.
Bei Svinesund
verlassen wir endgültig Norwegen und sind nun wieder in
Schweden. Es begrüßt uns die Tafel „Sverige“
inmitten eines Sternenkranzes – wir sind zurück in der EU.
Wir rollen weiter, vorbei an Stromstad und Tanumshede. Das
Klima ist merklich milder geworden, die Landschaft um uns wird wieder
flacher, viel weniger Felsen, dafür erneut riesige, zusammengelegte
Felder, die jetzt schon abgeerntet sind. Die Erde ist oft schon
gepflügt, schaut braun und fruchtbar aus. Die Himmelstimmung ist
eigenartig diesig, wie von ganz leichtem Nebel verschleiert, sehr
eindrucksvoll, so dass ich wieder eine Menge Fotos schieße.
Auf der Höhe von Uddevalla
habe ich in unserem Campingführer einen 14-Euro-CP gefunden, der soll
für heute unser Ziel sein. Wie immer sind diese Angebotsplätze irgendwo
weit abgelegen, so dass man in der Nebensaison durch die Werbung Gäste
anlockt. Die Anfahrt ist genau beschrieben und endlich, wir freuen uns,
diesen schön gelegenen CP Hafsten in
Bohuslän kennen zu lernen. Hier könnte man gut eine Woche
Sommerurlaub verbringen. Es werden verschiedene Sportarten angeboten.
Der CP ist von beiden Seiten vom Meer umgeben. Leider ist das Wetter
wieder einmal kalt und windig, so dass man trotz herrlicher Natur hinein
ins Warme flüchtet. Es ist 20 Uhr und schon dunkel – es wird nun bald
Herbst.
Mittwoch,10.09. (439 km)
Obwohl wir wegen der langen Strecke,
die wir heute hinter uns zu bringen planen, schon früh weiterreisen
wollten, wird es durch interessante Entdeckungen und Plaudereien erst
wieder 11 Uhr, bis wir so weit sind.
Die erste Etappe geht bis
Gotenburg (Göteborg),
für das wir uns 1 ½ Stunden Zeit nehmen. Diese heute zweitgrößte Stadt
Schwedens wurde erst im 17 Jh. gegründet und nach holländischem Muster
mit Kanälen und Grachten angelegt. Erst im 20. Jh. wurde sie nachhaltig
industrialisiert und modernisiert. Sie verdankt das ihrem bedeutenden
Seehafen und auch der Autoindustrie von Volvo.
1994 eröffnete das modernste Opernhaus der Welt hier seine
Pforten, gleich mit zwei Bühnen und Platz für 1400 Besucher.
Fiskekyrka, die Fischhalle von 1874, wird wegen ihres bis zum Boden
reichenden Daches Fischkirche genannt. Im Ostindiska
huset zeigt man das einzige erhaltene Wikingerschiff Schwedens.
Der evangelische Gustavi-Dom
wirkt innen frisch renoviert und eher modern, offen für vieles, auch
kulturelle Events. Während unseres Besuches fand anscheinend ein Treffen
von Pastoren statt.
Wir entdeckten auch eine deutsche
Kirche in der Nähe des Gustav Adolf Torgs, wo ein sehr aktiver
deutscher Pastor seine Gemeinde umsorgt und uns auch gleich in ein
Gespräch verwickelt hat. Aber wir müssen weitergehen, die Parkuhr läuft
ab. Auf dem Rückweg sehen wir noch einige bemerkenswerte
Patrizierhäuser, bis wir wieder bei der Saluhallen (Markthalle)
landen.
Bis
Malmö, der Hauptstadt der Region Schonen (Skåne),
sind es noch 280 km; die E20 (E6) ist gut ausgebaut, und man kommt
zwischen den großen Städten schnell voran. Von der Autobahn sehen wir
einen ganzen Wald voller Hochspannungsleitungen – das ergibt tolle
grafische Bilder – viele Windräder und auch eine alte Windmühle.
Zwischendurch bewegen wir uns oft am Meer entlang, wo wir viele grüne
Weiden mit Pferden und Rindern, sowie Schafherden sehen. Zweimal müssen
wir abseits der Hauptstraße in den Dörfern Räröbacka und
Attekulla tanken, bis wir am späten Nachmittag das Stadtzentrum von
Malmö erreichen.
Für den Dom St.Petri
ist es schon zu spät, so sehen wir die imposante Backsteinkirche
aus dem 14. Jh. nur von außen.
Unweit davon liegt der
Stortorget, der Große Platz, mit dem Rathaus und
einem riesigen Reiterstandbild Karls X. Gustav, der
Schonen für Schweden zurückeroberte. Ein moderner Brunnen
mit sehr phantasievollen Skulpturen ist mit wild schäumendem Wasser
gefüllt, anscheinend hat man etwas Seifenschaum beigemengt.
Das Rathaus im (Neo-)Renaissancestil
stammt erst aus dem 19. Jh., aber die alte Apotheke Lejonet hat
man schon im 16. erbaut. Es gibt da viele Bauten sehr unterschiedlichen
Stils am Großen Platz, Jugendstil, Renaissance, Klassizismus, das
stört hier nicht wirklich jemand. Gleich um die Ecke stoßen wir auf den
malerischen Lilla Torget (Kleinen Platz) oder
Nytorg mit alten Fachwerkhäusern und vielen hübschen Lokalen,
alle gesteckt voll. Es war ein buntes Durcheinander und gab einem den
Wunsch ein, hier länger zu verweilen, um diese Stimmung richtig
auszukosten. Wir begnügten uns damit, alles im Bild aufzunehmen, und
setzten unseren Spaziergang durch die nächsten Gassen fort.
Überall boten sich neue Motive an,
wir waren voll beschäftigt. Unten am Fluss sahen wir Ruderbooten beim
Training zu. Der Park war voller interessanter Statuen und Brunnen und
dazwischen überall bunte Blumenarrangements.
Wir mussten uns losreißen, da wir ja
noch bei Tageslicht über die Öresundbrücke nach
Dänemark ausreisen wollten. Es war die ideale Abendstimmung, die
Brücke, die wir beim Einreisen in vollem Tageslicht gesehen haben, jetzt
in mildem Abendlicht zu erleben. Die Umrisse waren etwas schemenhaft,
wirkten unwirklich und nebulos. Eine interessante, neue Erfahrung. Der
Sonnenuntergang über dem Meer steigerte noch unsere Begeisterung.
In
Dänemark angekommen, leitete uns Uschi ohne
Probleme zu dem ausgewählten CP Absalon in
Brøndby in der Nähe Kopenhagens. Es war in der
Zwischenzeit dunkel geworden (das erste Mal, dass wir im Finstern an
einem CP ankommen), und so suchten wir die uns zugewiesene Platznummer
mit der Taschenlampe.
Die Truthahnschnitzel mit Nudeln und
Maiskolben waren schnell hergerichtet und ebenso rasch verzehrt.
Donnerstag, 11.09.
Die Nacht war warm, die Temperatur
sank nicht unter 14 Grad. Ich habe meine zweite Decke nicht gebraucht.
Daher Frühstück ohne Heizung und möglichst rasch, damit uns ausreichend
Zeit für Kopenhagen, eine Großstadt mit über
509.000 Einwohnern (2008), bleibt.
Der Weg zur Bahn sollte 7 Minuten
dauern, trotz schnellen Schrittes brauchten wir die doppelte Zeit. Die
Fahrtdauer betrug 15 Min. bis zur Stadtmitte. Es waren moderne Waggons
mit präziser elektronischer Anzeige aller Stationen und des jeweiligen
Standortes.
Der Hauptbahnhof in
Kopenhagen (København) war sehr belebt, ein
stetes Kommen und Gehen. Ihm gegenüber befindet sich ein Eingang zum
noch geschlossenen Vergnügungspark Tivoli. Unser erster
Weg führte uns zur Touristeninfo und zu einer Bank, wo
Georg die restlichen NOK und SEK in DEK umwechselt, und dann ging es
durch die Vesterbrogade zu dem von 1892-1905 in einem Stilmix von
italienischer Renaissance und nordischer Romantik erbauten
Rathaus (Rådhus), mit schönen Dächern, vielen glänzenden
Vergoldungen und einem 106 m hohen Turm. Davor und daneben gibt es
einige interessante Skulpturen, bronzene Lurenbläser auf einer
Säule, den Dragespringvand (Drachenspringbrunnen) mit
einem Stier und allerlei gräulich Getier und ein Denkmal für
Hans Christian Andersen (1805-1875), den berühmten dänischen
Dichter vieler Kunstmärchen.
Eine lebende Figur ist mir besonders
ins Auge gestochen, eine junge dunkelhäutige Braut in einem
goldorangeroten, langen Kleid, das sie selbstbewusst zur Schau trug. Sie
bot ein Bild abgerundeter Schönheit und Harmonie. Ich muss gestehen,
dass ich auf den Bräutigam und die Trauzeugen gar nicht geachtet habe.
Durch die Lavendelstrædet
geht es vom Rådhuspladsen weiter zum Nytorv, dem
Neuen Markt, mit dem Amtsgericht und gegenüber einem Haus, in
dem der Philosoph Søren Kierkegaard (1813-1855) mehrere
Jahre wohnte. Auffallend ist eine Skulptur in Form einer zerquetschten
Getränkedose. Wir gehen weiter durch die Kompagnistræde im
Einkaufsviertel Strøget und biegen ab zum Gammel Strand,
gehen am Højbro Pladsen (= Hochbrückenplatz) mit einem
Reiterdenkmal des Stadtgründers, des Bischofs Absalon,
vorbei, über die Brücke, entlang des Thorvaldsens Museums und zur
Christiansborg, die heute als Parlament
dient.
Weiter geht es über den
Slotsplads (Schlossplatz) zur barocken Børsen,
dann zurück über die Holmens Bro zur Besichtigung der interessant
eingerichteten Holmens Kirke, an deren Stelle ursprünglich
eine Ankerschmiede stand, die König Christian IV. zu einer
Marinekirche umbauen ließ. Dann wollten wir die Nikolajkirche
sehen und fanden darin ein – Restaurant (!) vor. Durch die Østergade
(= Ostgasse), in der wir Ansichtskarten kauften, gelangten wir
anschließend zum Kongens Nytorv (Königlicher Neuer
Markt) mit einem Reiterdenkmal König Christians V. An diesem
Platz steht auch Det Kongelige Teater,
erbaut von 1872-1874 im Stil der Neo-Renaissance vom Hofbaumeister
Nikolai Eigtved. Georg hatte dort 1967 seine persische
Studienkollegin Pari Samar als Carmen erlebt. Heute spielt
man dort eher „kleinere“ Stücke, nachdem inzwischen das hochmoderne neue
Skuespilhuset (= Schauspielhaus) und gegenüber auf
dem Holmen 2005 die Nye Opera erbaut wurden. Links
neben dem Königlichen Theater steht das Schloss
Charlottenburg, benannt nach der Witwe von Christian V.,
gegenüber das Palais Thott, das sich der Admiral
Niels Juel 1683-1686 erbauen ließ. Dann wandern wir an den vielen
originellen, vollen Lokalen am Nyhavn vorbei, können uns
aber angesichts der stolzen Preise nicht entschließen, Platz zu nehmen
und zu essen. Wir hoffen auf etwas Günstigeres… Wir kommen an einem Haus
vorbei, wo Hans Christian Andersen von 1845-1864 wohnte,
und stoßen um die Ecke des Nyhavns auf das bereits erwähnte
Neue Schauspielhaus aus viel Glas. Und schräg gegenüber auf
dem Holmen steht die Neue Oper, die von
außen mit jener spektakulären Architektur des Pendants von Oslo
nicht ganz mithalten kann. Die Baukosten von ca. 335 Mio. Euro brachte
die Stiftung der Reederfamilie Møller auf, der mit dem
Mærsk-Konzern eines der größten Unternehmen Dänemarks
gehört. Der Architekt war übrigens Henning Larsen.
Wir gehen weiter über den Skt.
Annæ Plads und die Toldbodsgade (= „Zollhausgasse“), vorbei
an mehreren Botschaften und einer russischen Kirche und
biegen beim Amaliehaven (Amaliengarten) nach links ab und stehen
plötzlich auf einem achteckigen Platz, um den das Amalienborg
Slot steht, in welchem Königin Margarethe II.
wohnt. Die Mitte des Platzes ziert ein Reiterstandbild.
Ich gehe inzwischen weiter zur
Marmor- oder Frederikskirche mit einer mächtigen Kuppel von
33 m Durchmesser, während Georg bei der Wachablöse hängen bleibt.
Unter Frederik V. hatte man 1749 mit dem Bau der Kirche begonnen
– wegen drastischer Kostensteigerungen bei norwegischem Marmor wurde sie
erst 1894 fertig…
Wir wandern hungrig weiter, vorbei
an der russischen Alexandr-Nevskij-Kirche, die von Zar
Alexander III. gestiftet wurde, und am Kunstindustrimuseet.
Ein nettes Lokal an der nächsten Ecke sperrt gerade zu…
Dann stehen wir vor dem
Kastell im Churchill-Park und gehen erst rechts daran
vorbei. Dort steht die anglikanische St. Alban-Kirche und der
spektakuläre Gefion-Springvandet
(Gefion-Springbrunnen), den Anders Bundgaard 1897-1908 schuf.
Er stellt eine Tochter Odins, die Göttin Gefion, dar, die
mit Hilfe von vier Stieren die Insel Seeland (Sjælland)
aus schwedischer Erde herauspflügte.
Durch die Parkanlage entlang des
Inderhavns gehen wir an einem Denkmal König Haakons vorbei zu
Den Lille Havfru (The Little Mermaid, Die kleine
Meerjungfrau), die Edvard Eriksen 1913 nach einer
literarischen Schöpfung Hans Christian Andersens in Bronze
gegossen hat. Sie gilt als Wahrzeichen Kopenhagens. Giorgio
bietet mir an, den dringend benötigten Kaffee dort an einem Kiosk zu
trinken, doch ich bin jetzt bockig – ich wollte meinen Kaffee in einem
Lokal zu mir nehmen. Ziemlich sauer umrunden wir das Kastell
weiter bis zu einer Brücke über den Graben, die zu einem Tor des
Kastells führt. Die zwischen 1662-1665 errichtete fünfeckige
Anlage, in der es sogar eine Windmühle gibt, wird nach wie vor
vom dänischen Militär genutzt. Wir verlassen das Kastell; ich
möchte kurz in die anglikanische Kirche schauen, doch sie ist genauso
geschlossen wie das Café im Park.
Wir folgen der Esplanade und
der St. Pauls gade, schauen kurz in die St. Pauls-Kirche
und erreichen über die Kronprinsessegade den Kongens Have,
den wunderschönen, 1606 angelegten Garten des Königs. In diesem
Park befindet sich das ebenfalls 1606 erbaute Renaissanceschloss
Rosenborg, in welchem die dänischen Kronjuwelen
verwahrt werden. Wir müssen uns aus zeitlichen Gründen auf das Äußere
des prächtigen Schlosses beschränken. Zur Hebung meiner Stimmung lädt
mich Georg zu Kaffee (je DEK 30,- = € 3,80) und einem sündteuren
Brombeerkuchen (je DEK 45,- = € 5,70) und ein ebensolches kleines
Mineralwasser (je DEK 22,- = € 2,75) in das Schlosscafé Traktørstedet
ein.
Über die Østervoldgade
(Ostwallgasse) und die Gothersgade kommen wir an der Kreuzung
von Landsmærket und Købmagergade zum 35 m hohen
Rundetårn (Runder Turm), der 1642 als Observatorium
der Uni erbaut wurde. Tor und Fassade sind üppig verziert. Die
Synagoge in der Krystallgade ist so gut getarnt, dass wir sie
erst durch die Auskunft eines Passanten finden konnten. Über die Fiolstræde
kommen wir zum Frue Plads (Frauenplatz) und zur
Nørregade und stehen nun vor der 1479 gegründeten
Universität, vor der Büsten berühmter dänischer Wissenschafter
wie z.B. des Nobelpreisträgers von 1922, Niels (Henrik David) Bohr
(1885-1962) aufgestellt sind.
Gleich neben der Uni befindet
sich Vor Frue Kirke (Kirche Unserer Frau), die von
den Einheimischen als Dom bezeichnet wird. Wir werfen
einen Blick hinein – im Vergleich zu dem, was wir an Domen so kennen
(Wien, Florenz usw. usw.), ist er nur zweckmäßig und wenig opulent
ausgestattet.
Da wir nur noch wenig Zeit haben,
gehen wir zügig durch das Studentenviertel Latinerkvarter
(= Quartier Latin) – Studiestræde,
Larsbjørnsstræde und Vestergade –, wo es die urigsten
Lokale und immens viele Fahrräder gab, zurück zum Rathausplatz
und weiter zum Hauptbahnhof, erwischen gerade den richtigen Zug
und fahren nach 6 Stunden Kopenhagen zurück nach Brøndby
zum CP.
Kurz vor 18 Uhr kommen wir am CP an.
Rasch zusammenpacken, schnell noch zur Ent- und Versorgungsstation und
dann „ab die Post“. Keine Zeit mehr für einen Platzrundgang, ich habe zu
wenig von dem CP Absalon gesehen, um ihn gerecht
beurteilen zu können. Die Duschen waren in Ordnung. Für das Geschirr
gab es nur ein Abwaschbecken. Basta!
Es war ein Tag voll
unterschiedlichster Eindrücke, der mich zur Erkenntnis brachte, dass
Dänemark, besonders Kopenhagen, eine
sehr liberale, individualistische Bevölkerung hat.
Georg chauffiert nun zum südlichsten Zipfel der dänischen Insel
Falster, wo wir um 21 Uhr die Fähre von Gedser
nach Rostock nehmen wollen. Wir müssen heute noch auf die
Fähre kommen, denn am Wochenende sind die ohnedies teuren Fähren (DEK
785,- = € 99,-) noch viel unverschämter ! Ich setze mich erst einmal
nach hinten, um etwas abzuspannen.
Als ich mich wieder auf den
Beifahrersitz bequeme, sind wir im Begriff, die Brücke über den
Guldborgsund vor Nykøbing/Falster zu
überqueren, und ich mache abwechselnd Aufnahmen von der beeindrucken
Brücke und vom Sonnenuntergang über dem Meer. Das fasziniert mich.
Sicher zu viele Fotos, man muss die besten auswählen. Sobald bin ich
nicht wieder am Meer, es ist so hinreißend zu beobachten, wie sich der
Himmel verfärbt, die Sonne langsam versinkt und der Mond erst aufgeht
und später im rötlich gefärbten Himmel sich so richtig farblich abhebt.
In dieser Abendstimmung so dahinzurollen, das erfüllt meine Seele mit
Frieden und Glück.
Eine Stunde vor Abfahrt der Fähre
erreichen wir Gedser, wir nützen die Zeit, um endlich
etwas zu essen. Es gibt guten kalten, geräucherten Lachs mit Salat, Brot
und Avocados, begleitet von einem Glas Ettl-Weißwein.
Die Fähre legt pünktlich um 21 Uhr
ab. Wir machen eine Runde durch die verschiedenen Salons und auf Deck,
wo es aber schon dunkel und sehr windig ist. Es ist nirgends so richtig
gemütlich, wie bei uns im Elf, und mit dieser Erkenntnis ziehen
wir uns zurück und “laptoppen“.
Nach einer Stunde ist der Sauerstoff
schon ziemlich verbraucht, aufmachen wollen wir nicht, denn im Unterdeck
ist noch weniger davon. So freuen wir uns, als der erste Motor anläuft
und wir wieder auf festen Boden dürfen.
Wir sind wieder in
Deutschland, in Rostock, es ist Nacht und
dunkel. So stellen wir uns auf den Parkplatz eines Supermarktes in der
Nähe und computern weiter, bis zur guten Nacht!
Freitag, 12.09. (335 km)
Ich wache auf, weil ich Laster
rollen höre, schaue verschlafen durchs Alkovenfenster und sehe die
langen Trucks zur Fähre fahren. Auf unserem Parkplatz, wo anscheinend
auch andere Fährengäste übernachtet hatten, ist schon Bewegung – einige
Pkws sind bereit zum Weiterfahren. Auch Georg hat den Lärm gehört
und möchte weg.
Gut, ruck-zuck, er ist fertig zum
Abrauschen. Bei mir geht es heute nicht so schnell ohne Kaffee, so ziehe
ich mich während des Fahrens fertig an, während ich durch die Scheiben
sehe, fällt mir ein stark rauchender Schlot eines Atommeilers auf. Das
macht mir Rostock gleich weniger sympathisch, ganz dicke
weiße Rauchschwaden kommen da raus, steigen auf, und man sieht den
blauen Himmel nicht mehr. Lauter weiße Wolkenbahnen. Irgendwie ist das
unheimlich und bedrückt das Gemüt. Nichts wie weg aus dieser Gegend.
Die E 55 ist gut ausgebaut.
Giorgio nützt es aus und braust dahin, er hat eine lange Strecke vor
sich und möchte auf Deutschlands Autobahnen unseren Elf einmal
„durchblasen“ und auch ausprobieren, was er auf die Straße bringt. Er
ist ein bisschen enttäuscht, als es nicht mehr als 130 Stundenkilometer
werden. Genügt, in Österreich müsste er sonst für mehr vielleicht
sogar Strafe zahlen.
Nach einer Stunde Fahrt brauchen wir
wieder Treibstoff und fahren von der Autobahn. Die Tankstelle in
Güstrow ist gut ausgerüstet, und so lädt mich Georg dort
gleich auf ein Truckerfrühstück ein. Da bekomme ich ein Häferl Kaffee,
zwei belegte Brötchenhälften und eine Eierspeise mit Speck. Gemeinsam
putzen wir es leicht weg. Auch zu einem Reifendienst und einem
Supermarkt fahren wir noch. Und dann rollen wir gestärkt weiter bis in
die Nähe von Neuruppin, wo wir eine Pause machen, während der ich
mich bewegen muss.
Auf dieser Raststelle stolpere ich
fast über einen großen Apfel, als ich aufschaue, höre ich den Apfelbaum
rufen: „Rüttle mich, meine Äpfel sind so schwer und schon alle reif
!“ So helfe ich ein bisschen und ernte ein paar große zitronengelbe
Früchte mit roten Backen.
Weiter geht’s zur
Lutherstadt Wittenberg. Kurz davor gibt es wieder einmal eine
Baustelle. Georg stellt den Motor ab, weil eine Aufsichtsperson
mit Haltezeichen gerade die Autos aus der Gegenrichtung durchlässt. Als
wir wieder Grün bekommen und Georg wieder starten will,
tut sich nichts. Da es ohnedies bergab geht, öffnet er die Bremsen und
will den Motor anreißen. Auch das schlug fehl. So lässt er den Elf
rollen, rollen, rollen bis ins nächste Dorf . „Was tust Du, fahr
doch an die Seite !“ schlage ich vor. „Vielleicht sehe ich einen
Mechaniker“, meint Georg. Tatsächlich bei der Einfahrt zum
nächsten Ort ist ein Hinweis. Unser Elf schafft es, bis hinein zu
rollen, und dort steht uns jemand mit Rat zur Seite. Der Meister kommt
und startet erfolgreich beim ersten Versuch ! Auch er hat die
Fehleranzeige noch gesehen, kann aber das Problem nicht wirklich lösen
und empfiehlt uns an den Frächter und Iveco-Mechaniker Ehrbar in
Wittenberg weiter, den er auch gleich anruft. Dort gelingt
es dem freundlichen Mechaniker mittels Diagnosesteckers, den
elektronischen Fehler zu finden und die Fehlfunktion zu löschen. Obwohl
er sich fast eine Stunde bemüht hat, verlangt er kein Geld. Das ist
Ostdeutschland ! Georg solle etwas in die Kaffeekasse werfen, was
er sehr gerne tut. Dann fahren wir ohne weitere Probleme ins Zentrum bis
in den Schlosshof hinein, wo wir eigentlich gar nicht parken
dürften. Das bemerken wir allerdings erst, als wir weiterfahren...
Die Sehenswürdigkeiten haben bereits
geschlossen, die Touristeninfo nennt uns aber den CP Marina
beim Brückenkopf. Beruhigt spazieren wir noch durch den Ort und
erfreuen uns am mittelalterlichen Ortsbild und der angenehmen Stimmung.
Die Vorfreude auf den nächsten Besichtigungstag ist groß.
Das Personal am CP ist sehr
liebenswürdig, der Platz sehr gepflegt, aber der Wind kalt und böig. Wir
verziehen uns gleich in unser Kapäuschen und hören die österreichischen
Nachrichten, während ich unser Essen mache. Es gibt noch geräucherten
Lachs aus Norwegen und gefüllte Paprika aus der Dose.
Samstag,13.09. (87 km)
Sieben Grad zeigt unser Thermometer,
aber die Sonne scheint. Schnell unter die warme Dusche, dann sind wir
wieder fit für den Tag. Nach dem guten Frühstück, starten wir in die
Lutherstadt Wittenberg. Es gibt aber verschiedene
Meinungen, was den Tagesablauf betrifft, und weil Georg wieder
einmal etwas Anderes tut, als er angekündigt hatte, werde ich leicht
sauer.
Ich wollte ganz früh ins
Luther-Haus, um der kalten Morgentemperatur zu entfliehen und
um den großen Touristengruppen zuvor zu kommen, doch Georg fährt
erst zur Hundertwasser-Schule. Obwohl ich eine
große Hundertwasser-Verehrerin bin, passt mir das nicht in den
Kram, ich bin verärgert! Der Tag, auf den ich mich so gefreut hatte,
beginnt nicht gut.
Als wir dann erst um 11 Uhr im
Luther-Haus, einem ehemaligen Kloster, ankommen, sind
schon die Massen unterwegs, ich kann schlecht filmen, weil mir dauernd
eine Gruppe im Weg steht. Eine Führung kommt nach der der andern, jeder
erklärt etwas Anderes, und man kommt nicht dazu, den eigenen
Gedankengängen nachzuhängen. Meine Befürchtungen sind eingetroffen, und
ich bin einfach weiterhin sauer. Nach einer Stunde aber lässt der
Besucherstrom nach, vielleicht sind jetzt viele beim Mittagessen. Wir
haben Muße, um in Ruhe Martin Luthers
Leben und Wirken zu verfolgen. Von seinen 95 Thesen an der
Schlosskirchentür hatte sogar ich als ehemalige Katholikin
gewusst und auch von seiner Bibelübersetzung in ein (künstliches)
Deutsch, das er erst als Hochsprache begründete und das
zwar jeder verstand, aber niemand so sprach. Dass es aber Philipp
Melanchthon (eigentlich Schwartzerdt,
1497-1560) war, der ihn dazu inspirierte und der
überhaupt geistig sehr viel bewegte, als Universitätsprofessor die
unterschiedlichsten Vorlesungen hielt und Luther sehr
unterstützte, war mir neu. Luther selbst, abgesehen von seinen
bekannten Aktionen, imponiert mir mehr durch seine Standfestigkeit
in religiösen Fragen als durch seinen Lebenswandel. Er dürfte ein großer
Genießer gewesen sein, wie ich aus seinem Erscheinungsbild schließe.
Einmal Revoluzzer, einmal Mönch, dann wieder Ehemann, der sich immer
wieder kasteit und der auch meint, die Gesellschaft beherrschen zu
müssen, da bleibt bei mir nicht nur Bewunderung für ihn übrig. Ich orte
einen starken Machtanspruch darin, wie und wie oft er sich hat malen
lassen, etc, etc...
Der asketisch wirkende
Melanchthon mit seinem durchgeistigten Wesen hat mich viel mehr
begeistert, musste man doch nach seinem Tod gleich vier
Professoren für all jene Vorlesungen, die er alleine gehalten
hat, engagieren.
etzt werden auch wir zu
Genießern und wollen zu Mittag essen. Im Bräugasthof gibt es ab
14 Uhr nichts mehr, und so übersiedeln wir in Tante Emmas Bier- und
Kaffeehaus auf dem Markt, auf dem sich, während wir auf das Essen
warten, eine ganze Schar von Oldtimern versammelt.
Da wir zuvor noch in einer
Ausstellung von Cranach-Zeichnungen im Cranach-Haus
am Markt waren, kamen wir leider erst ziemlich spät in das
Melanchthon-Haus, so dass ich ihn nicht intensiv genug studieren
konnte. Zumindest konnte ich einige von seinen
Einführungsvorlesungen mit Kopfhörer abhören.
Bei genauerer Ansicht der Stadt
Wittenberg selbst hat sie für mich auch einiges von ihrem
Charme eingebüßt. Da gab es die alles beherrschende Familie der
Cranachs, die den größten Immobilienbesitz in Wittenberg
anhäuften, unter anderem die Malerschulen, Druckereien und
Apotheken, Lucas Cranach, der gleich dreimal
zum Bürgermeister gewählt wurde – kann das noch ein idealer Künstler
sein? Zumindest hatte er viele Schüler, die seine Ideen ausführten. Wir
konnten auch die Druckerei im Erdgeschoss seines Hauses besichtigen.
Ein Großteil der Stadtbewohner lebt
heute noch sehr von der Vergangenheit. Mir scheint, etwas zu sehr, bei
aller Wertschätzung für die Errungenschaften der damaligen Ereignisse.
Jetzt im September 2008 finden die 500 Jahr-Feiern statt, wo nur noch
Luther und die Reformation die Szene
beherrschen werden.
Jetzt setzen wir die Reise fort bis
zur Stadtgrenze von Leipzig auf den CP
Auensee, den ich in einer Werbebroschüre gefunden habe. Da
wir erst nach 20 Uhr eintreffen, ist es schon dunkel, und wir können von
dem Auensee nichts mehr sehen. Es sitzen noch einige junge Leute
draußen, die sich lautstark unterhalten. Dieser Platz scheint sehr
beliebt und gefragt zu sein.
Für uns ist es zu kühl, wir essen
unsere Knackwürste mit Chili con carne aus der Dose drinnen. Da
bekomme ich einen Anruf aus Wien vom Polizeikommissariat Hohe
Warte, die nach unserer Gudrun fragen, weil – welch ein
Schreck – ihr Freund Manuel einen Motorradunfall hatte. Der
Beamte beruhigt mich und erklärt, dass Mani nur leicht verletzt
sei, aber im Böhler-Unfallspital zur Beobachtung liege. Ich versuche
gleich, Gudrun zu erreichen. Von Karina höre ich dann,
dass sie schon ins Krankenhaus unterwegs sei. So warten wir bange, um
Genaueres zu erfahren. Es stellt sich später heraus, dass Mani
eine Gehirnerschütterung und eine Absplitterung des 6. Halswirbels
erlitten habe. Da hatte er noch großes Glück – es hätte viel schlimmer
ausgehen können. Seine Maschine sei jedenfalls Schrott.
Sonntag,14.09. (149 km)
Wir hören von Gudrun, dass es
Manuel den Umständen entsprechend gut gehe. Er sei natürlich
schwach und erholungsbedürftig und werde wochenlang eine Halskrause
tragen müssen. Da muss er durch, der Arme – unser Mädchen wird ihm
sicher eine gute Stütze sein.
Heute gibt es ein Sonntagsfrühstück
mit weichem Ei und Toast, Wurst und Käse. Wir haben vor,
Leipzig zu besichtigen,
da brauchen wir schon Kraftreserven. Wir stellen den Elf in der
Nähe des Hauptbahnhofs ab und beginnen unseren Rundgang beim
Brühl, wo Bombenruinen aus dem 2. Weltkrieg in
archäologischer Manier ausgegraben werden. In der Nähe des Alten
Rathauses bewundern wir die alte Börse, die man
erst kürzlich renoviert hat, um sie jetzt kulturell zu nützen. Im
Rathaus selbst sehen wir den Festsaal mit einem Modell der
Altstadt und Portraits aller Bürgermeister, sowie einige Säle mit
zeitgeschichtlichen Dokumenten, Bildern und Skulpturen kirchlicher und
profaner Herkunft. Auch der erste Arbeitsvertrag Bachs
als Thomaskantor ist ausgestellt. Wir merken erst nachher,
dass wir eigentlich hätten Eintritt zahlen sollen. Nun, man wird das
verschmerzen.
BGeorg lädt mich zum Mittagessen in Auerbachs Keller ein, der
historisch sehr interessant ist, weil man dort schon seit dem
Mittelalter gerne speist. Wir haben uns für das angepriesene Hausgericht
Wildschweinbraten mit Knödel, Rotkraut, Kroketten und Rotwein
entschieden und es nicht bereut. Das Fleisch war herrlich weich, zwar
nicht besonders gewürzt, aber sehr appetitlich angerichtet. Das Lokal
war ziemlich voll, doch die Bedienung weder schnell noch besonders
freundlich. Man weiß wohl, dass die Gäste hauptsächlich Touristen sind,
die nicht so bald wiederkommen.
Auch Goethe hat sich
dort oft bedienen lassen, vermutlich ganze Nächte durchgefeiert während
jener drei Jahre, als er in Leipzig Jus studierte, bis ihn ein
Blutsturz heim zur Pflege nach Frankfurt am Main zwang. Er
hat dies später in seinem jedermann bekannten „Faust I“
verarbeitet, worin er Faust und Mephisto in Auerbachs
Keller auftreten lässt, was dem Kellerlokal bis heute als beste
Werbung hilft. Man hat den ganzen Keller mit Bildern aus Goethes
Theaterstück dekoriert.
Leipzig ist schon seit 1497 kaiserliche Messestadt. Die
2. deutsche Universität – ihr Gebäude ist heute Verlagszentrum –
wurde eigentlich schon 1409 in der Thomaskirche gegründet.
Die Thomaskirche, wo
Bach als Kantor tätig war und wo elf seiner 13 Kinder
getauft wurden, war gleich in der Nähe. Als ich den Kirchenraum betrat,
umfing mich herrliche Orgelmusik, ich glaube, ich habe dieses Instrument
nie besser spielen gehört. Der Organist hatte wirklich alle Register
gezogen. Es saßen einige Leute um ihn herum, denen er wahrscheinlich
alle möglichen Facetten demonstrieren wollte. Leider währte dieses
Vergnügen nur kurz.
Anlässlich des heute in
Deutschland abgehaltenen Tags des Denkmals kamen wir jedoch
in den Genuss einer Gratis-Kirchenführung durch den begeisternden
Pastor. Durch ihn erfuhren wir einige amüsante und viele sehr
wissenswerte Details, zum Beispiel, dass Richard Wagner
hier in dieser Kirche getauft wurde, wie auch der spätere Mitbegründer
der Kommunistischen Partei Deutschlands, Karl
Liebknecht, dessen Taufpaten ausgerechnet Karl
Marx und Friedrich Engels hießen,
und dass Martin Luther von einer Kanzel, die heute im
Museum ist, hier gepredigt hat.
Coffe Baum, ein Gemisch aus Restaurant, Café und Museum, ist auch eine
Sehenswürdigkeit, der wir einen kurzen Besuch abstatteten und die uns an
unsere Aufenthalte im Morgenland erinnerte.
Auf dem Rückweg kamen wir an der
Nikolaikirche vorbei, von wo die Montagsdemonstrationen,
die in weiterer Folge 1989 zur Wende geführt haben, ihren
Ausgang genommen hatten. Georg macht noch eine Fotoserie beim
Gewandhaus und dem Opernhaus mit seinem aktuellen, ganz
interessanten Programm.
Wir verlassen die Stadt auf der B95
über Chemnitz und Marienberg, bis wir in
einem hügeligem Gelände im Bergbauort Pobershau einen
Stellplatz für nur 3 € finden.
Die Umgebung wäre bei schönem Wetter
sicher einige Wanderungen wert, doch schüttet es wieder einmal dermaßen,
dass wir mit unserem einzigen Stellplatznachbarn nur ein paar Sätze
austauschen, bevor wir ins Trockene und Warme flüchten.
Montag,15.09. (471 km)
In der Früh mache ich schnell unser
Obstfrühstück, und wir beeilen uns, auf deutschem Gebiet noch unsere
Leerflaschen einzutauschen. Georg braucht bei diesem nasskalten,
regnerischen Wetter eine stärkende Leberkässemmel, um auf Trab zu
kommen. Dann geht es los, über ein kleines gebirgiges Stück der Grenze
bei Marienberg zu.
Durch
Böhmen fahren wir über Komotau (Chomutov),
Saaz (Žatec) und Pilsen (Plzeň), wo wir zu
Mittag essen, und dann weiter über Budweis (České
Budějovice) nach Wittingau (Třeboň), wo wir
noch Pilsner und Krušovicer Bier, sowie böhmische (Servietten-) Knödel
einkaufen. Das Wetter ist durchwegs schlecht: kühl und immer wieder
Regen. Die Straßen in Tschechien sind bekanntlich auch
nicht die besten.
Wir freuen uns, endlich
Österreich zu erreichen und wieder in unserer Heimat zu
sein und genießen die heimische Luft. Es geht sich gerade aus, dass
Georg in Wien in der Leystraße einparkt
und noch in die Staatsoper zu seiner Probe zurecht kommt. Welch
ein Timing! Er braucht anscheinend diesen Stress.
Ich bin froh und glücklich, dass
mein Giorgi diese immens weite Strecke – insgesamt 8.787 km –
ohne Unfall geschafft hat. Kompliment!