Gastbericht der Familie Grondinger



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Anreise nach Oslo
(04.08. bis 13.08. – 2.135 km)
Obertrum–
Deutschland
– Wasserburg – Regensburg –Weiden – Naumburg – Magdeburg – Braunschweig – Lüneburg – Hamburg – Lübeck – Fähre Putt­garden > Rødbyhavn (Vogelfluglinie) –
Dänemark
– Öresundbrücke –
Schweden – Fjällbacka – Tanum (Vitlycke & Fossum) –
Norwegen - Oslo

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Montag, 04.08. (121 km)
Nun nach 6 Nächten in Obertrum sitzen wir wieder allein im Mobil. Nachdem wir den Chiemsee entlanggefahren sind, besichtigten wir den Ort Wasserburg in Bayern. Anfangs von der schon sehr ruinösen Burg etwas enttäuscht, durchwanderten wir den mittelalterlichen Stadtkern und betrachteten entzückt die gotischen Häuser. Zu müde, um noch lange bis zu einem Campingplatz weiterzufahren, machen wir es uns hier am Parkplatz gemütlich, essen ein bisschen kalten Lachs und setzen uns an den Laptop.

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Dienstag, 05.08. (296 km)
Wir erwachen schon ziemlich früh, machen uns fertig und fahren mit dem Rad nochmals zur Kirche St. Jakob, um die schön geschnitzte Kanzel zu fotografieren. Dann folgen wir der B15 nach Landshut. Die Stadt gefiele uns gut, aber wir haben keine Zeit, sie näher zu erkunden, da wir in Norwegen oben die Zeit zum Besichtigen benötigen werden. Wir folgen der Straße weiter bis Regensburg und finden dort glatt in der Nähe der Alten Wurstkuchl einen großen freien Platz für unser WoMo.
Das Lokal ist gesteckt voll. Die Kellnerin ist nicht sehr schnell, dafür aber herrisch, und wir müssen lange auf unsere Würstchen warten. Ein italienisches und ein bayrisches Ehepaar an unserem Tisch haben das gleiche Problem, und so wird es zumindest kurzweiliger. Hinter Regensburg wechseln wir auf die A93. Das Navi teilt nicht immer unse­re Meinung und möchte uns des öfteren wenden lassen, Georg ist nun schon misstrauisch geworden und glaubt nun eher mir, womit er natürlich Recht hat - ich habe mich inzwischen zur idealen Co-Pilotin entwickelt.
Am Nachmittag machen wir eine Besichtigungspause in Weiden, der Stadt, wo alte Handelstraßen einander kreuzten, die Goldene Straße von Nürnberg nach Prag, die schon Kaiser Karl IV. einrichtete, und die alte Straße von Nord nach Süd. Auch hier gibt es viele mittelalterliche Häuser und Herbergen. In der Fußgängerzone ist ein Lokal neben dem anderen, und man glaubt, die Leute hätten hier nichts Ande­res zu tun, als auf der Straße zu sitzen und sich zu unterhalten. Man möchte sich am liebsten dazusetzen. Wir schauen uns noch die beiden Kirchen an. Von der Josef-Kirche bin ich total begeistert. Sie ist erst ca. 120 Jahre alt; die Pfarre und die Einwohner waren mit den Erstentwürfen nicht zufrieden, und so bekam 1907 Herr Hofstätter den Auftrag, sie im Jugendstil zu vollenden, was auch total gelun­gen ist. Von der Wiener Kirche am Steinhof abgesehen und vielleicht jener in Wien-Neu­lerchen­feld, habe ich noch keine so schöne Kirche im Jugendstil gesehen. Es muss nicht unbedingt alles alt sein, um gut zu wirken.
Nachdem wir bei Wiesau von der Autobahn runter mussten, um zu tanken, haben wir uns gleich einen Stellplatz in der Nähe gesucht und sind auf einem Bauernhof bei Sinatengrün gelandet. Alles sehr einfach, aber romantisch. Wir haben unseren Tisch zum Weiher gestellt, um zu Abend zu essen, die Kinder haben mit ihren Tretautos Runden um uns gedreht und auch Ball gespielt, so dass ich Angst bekam, der Ball könnte in unserer Kaspressknödelsuppe landen. Bald wurde es dann zu feucht und kühl, und die Nacht zog ihre Decke über uns. Wieder eine ganz neue Art von Erfahrung. Morgen früh werden wir uns das Biotop, das man eben im Begriff ist, fertig zu bauen, näher anschauen.

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Mittwoch, 06.08. (369 km)
Während der Nacht hat es jedoch sehr abgekühlt, so dass wir am Morgen zum ersten Male einen Pullover anziehen. Doch schon nach dem Frühstück kommt die Sonne heraus, und es wird schnell sogar heiß. Wir machen uns auf den Weg über Hof, Bad Elster, Plauen, Greiz und Gera, wo wir kurz zum Aldi reinschauen und zu Mittag im WoMo essen.
Wir haben Probleme, den richtigen Weg zu finden. Die Straßenkarten überschneiden sich, und der Navigator leitet uns immer auf kleine Bundesstraßen, wo wir nur sehr langsam und mühsam weiterkommen.
Nun irgendwie gelangen wir über Zeitz nach Naumburg. Zuerst besuchen wir die Wenzelskirche mit einer wunderschönen Orgel, die auch entsprechend oft für Kon­zerte genützt wird, und zwei Bildern von Lukas Cranach d.Ä. Dies entschädigt uns für die verlorene Zeit.
Der Dom St. Peter und Paul selbst besticht durch seine Einfachheit und edle Ausführung. Da waren die berühmten Naumburger Meister am Werk und haben diese 12 schönen Figuren in der Vorderkirche ge­schaffen, wovon besonders Ekkehard und Uta berühmt sind.
Die Darstellung der Passionsgeschichte im westlichen Lettner, der die Schranke zwischen Klerus und Laien bildet, ist zum Teil vollplastisch in acht meisterhaften Szenen wiedergegeben.
Die Altstadt von Naumburg ist sehr historisch geprägt und bietet viele malerische Sehenswürdigkeiten. Zu schnell vergeht die Zeit beim Betrachten dieses mittelalterlichen Panoramas, wir müssen weiter, unser eigentliches Ziel ist ja Norwegen. Leichter gesagt, als getan – In Weißenfels erreichen wir wieder die Auto­bahn. Doch unsere Freude währt nicht lange, schon wieder eine Bau­stelle vor Halle und eine schlecht bis gar nicht ausgeschilderte Umleitung, die uns irgendwie auf kleine Straßen führt, ohne jemals wieder zurück zur Autobahn zu zeigen. Die Passanten, die wir um Hilfe bitten, können uns gut verstehen, anscheinend haben sie selbst auch Schwierigkeiten mit diesem Chaos.
Dann geht es endlich bis zum Autopark-Stell­platz LOMO in Hohenwarsleben bei Magdeburg halbwegs flott weiter.
Hier inmitten all der Lastautos und Container sollen wir die Nacht verbringen. Der erste Anschein trügt gottlob, wir kriegen am Rande einer Grünfläche ein für Wohn­mobile reserviertes, gepflastertes Areal mit Stromanschluss zugewiesen, und während wir noch mit dem Einrichten beschäftigt waren, geht neben uns ein Heißluftballon nieder. Leider konnte ich durch Georgs Ungeduld nicht mehr verfolgen, wie es mit dem Ballon weiterging.
Ich fand es irgendwie lustig, den Campingtisch hinauszustellen und uns das Nachtmahl appetitlich anzurichten. Wir genossen Huhn mit Kartoffeln, Karotten und Zucchini, die ich noch vom Chiropraktiker Helmut in Obertrum bekommen hatte, und ein gutes Glas Rotwein dazu, was mich auch gut schlafen ließ

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Donnerstag, 07.08. (334 km)
Heute haben wir mit einem guten Obst-Frühstück begonnen, doch als wir dann nach der Entsorgung für das WoMo suchten, die laut oberflächlicher Auskunft der Agip-Tankstelle „hinter dem Haus“ sein sollte, fanden wir nur einen Kanal vor, In den Georg Abwasser abließ und die Fäkaliencassette entleerte. Nun lernte ich zum ersten Mal ostdeutsche Stasimanieren kennen: Da kam doch so ein aufgeblasener Wichtigtuer von Agip und rief die Polizei, weil wir das Automatenentsorgungssystem nicht erkannt und daher auch nicht benutzt hatten. Es sah so richtig abgekartet aus. Die Autobahnpolizei kam dann auch und war viel entgegenkommender als der blö­de Aufseher. Sie be­dauerten sogar, dass wir mit jenem „an den Richtigen“ gera­ten seien. Außer Ärger und Verdruss hat uns das zusätzlich eine Stunde gekostet und möglicherweise eine Anzeige wegen eines Umweltvergehens eingebracht, weil der Kanal nur für Ober­flächen­was­ser (Regen) bestimmt sei…
So war es dann auch schon Mittag, als wir in Magdeburg ankamen. Heute nahmen wir doch die Räder herunter, um schneller zum Dom zu kommen. Unser Erstaunen war groß, als wir in der Nähe des Domes ein riesiges Hundertwasser-Haus vorfan­den. Dies war anscheinend des Künstlers letztes Werk, das sogar erst drei Jahre nach seinem Tod zur Ausführung kam. Wie alle seine Bauten ist es für mich ein erfreulicher Anblick, der mein Leben bereichert.
Der berühmte Dom von Magdeburg lässt durch seine großen Fenster viel Licht ein, so sah ich zum Beispiel beim Fotografieren der aus Alabaster schön gemeißelten Kan­zel gerade das Sonnenlicht auf die Jesusfigur fallen. Auch die Madonna aus dem 13. Jh. kam so sehr gut zur Geltung. Das Chorgestühl ist von besonderer Feinheit, die „Miserikordien“ unter den Sitzflächen zeigen eine Fülle von humoristi­schen, oft derben Bildern, die die Domherren an einen gottgefälligen Lebenswandel erinnern sollten. Ob es was genützt hat?
In der durch den Lettner getrennten Vorderkirche sieht man das Grab von Kaiser Otto I., der uns 996 den Namen Ostarrichi gegeben hat.
Nach einer Pause mit Weißwürsten im WoMo fahren wir nach Braunschweig, um den Dom diesmal auch von innen zu sehen. Bei unserem letzten Besuch wurde er vor unserer Nase gerade geschlossen. Bei diesem Dom bestimmt die Architektur durch die Aneinanderreihung der ein­zelnen  schlanken gotischen Bögen den Raum. Die Secco-Wandmalereien in der Kuppel sind gleich ins Auge gefallen, sie  zählen zu den bedeutendsten aus dem 13. Jh., auch das Imervard-Kreuz ist eine wich­tige mittelalterliche Skulptur. Sehr gut gefiel mir Chri­stus im Elend und die Passionssäule. Genug Kultur für heute, nun wollen wir noch ein Stück weiterkommen.
Und Georg fährt und fährt. Unterwegs beginnt ein Gewitter mit solch starkem Sei­tenwind, dass wir lieber eine Rast einlegen, um nicht umgeblasen zu werden. Aber es beginnt immer wieder zu schütten, und es ist wahrlich keine angenehme Fahrt, bis wir endlich um 20.30 h den Campingplatz Stover Strand in Drage an der Elbe erreichen. Müde und frustriert von Georgs ständigen Meckereien mache ich eine Runde um den Platz und entdecke zu meinem Erstauen, dass wir auf einem wun­derschönen Fleckchen Erde gelandet sind. Es gibt hier einen Teich voller Seerosen, wo die Leute locker herum campieren, und die Fläche auf der anderen Seite jenseits des Dammes gehört auch noch zum Areal. Hier lagern viele Urlauber, die auch Boote besitzen und damit auf der Elbe fahren. Ein echt schöner Platz, um einige Zeit hier Urlaub zu machen, leider spielt nur das Wetter heute nicht mit. Das Gewitter hat hier auch übel mitgespielt, überall stehen noch die Pfützen. Als es lang­sam dunkel wird, kehre ich zum WoMo zurück und bereite uns Ham and eggs zu. Mahlzeit und gute Nacht.

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Freitag, 08.08. (0 km – 54 km mit dem Roller)
Nun ja, heute an diesem trüben Morgen freute mich erst einmal gar nichts, so ging ich halt duschen, um meine Gelenke aufzuwärmen. Georg hatte die glorreiche Idee, inzwischen Frühstück zu machen. Für ihn bedeutet dies natürlich frisches Gebäck und etwas Gutes drauf. Auch egal, heute muss ich so etwas verändern. Als er mir vorschlug, mit dem Roller nach Lüneburg zu fahren, waren mir die 27 Kilometer dorthin zuviel, nur ausruhen wollte ich aber auch nicht. So zog ich dann doch mein Jeanszeug und feste Schuhe an, und wir fuhren los. Eine längere Fahrt auf dem Soziussitz des Rollers macht mir nicht soviel Spaß. Es zieht von allen Seiten, sehen kann ich wegen Georgs breitem Rücken auch nicht viel, so sitze ich wie eine Statue, grad Beckenboden- oder Atemübungen kann ich machen. Das ist nicht mei­nes, aber ich wollte keine Spaßverderberin sein. Als es dann schon nahe Lüneburg zu regnen anfing, war es, glaube ich, auch für den Georgi keine Freude mehr. Leider hörte es auch in der Stadt nicht auf, und so wurden wir ordentlich nass.
Wir waren auf der Suche nach einem Postamt, weil wir unseren jungen Chinesen – der ältesten CHEN-Tochter Jíng Huí und ihrem Bräutigam CHIU (recte QIU) Wei,  der übrigens gar nicht Chinesisch spricht … – die ja heute, am denkwürdigen 08.08.08, heiraten, ein Glückwunschtelegramm mit Musik senden möchten. Das Postamt war nach Stadtplan eine Viertelstunde entfernt. Wir wollten Nützliches mit Notwendigem verbinden und durch das sehenswerte Handwerkerviertel an unser Ziel gelangen, sahen und fotografierten jede Menge von sehr romantischen, mit viel Grün und Rosen bewachsenen Häusern, achteten dabei gar nicht mehr auf den Regen, der einmal stärker, dann wieder weniger an uns runterlief, aber die Post fanden wir lange nicht. Es mag wohl eine dreiviertel Stunde gedauert haben, ich bin einfach alleine weitergelaufen, weil Georg immer die Passanten ausquetscht, aber da war etwas Gelbes, tatsächlich eine Postbank, oder Bankpost. „Ein Tele­gramm wollen Sie aufgeben, ja das tun wir schon lange nicht mehr. Da müssen sie den Telefondienst anrufen und es dort bestellen. Ist aber sehr teuer, darum macht es ja bei uns keiner mehr. Bezahlen, ja das geht auf ihre Telefon­rechnung, Ah, Sie zahlen bei uns kein Telefon. Dann haben Sie Pech, aber versuchen Sie es mit Kre­ditkarte!“Man versucht es und ruft an. „Haben Sie kein Internet ?“, werden wir gefragt, „Telegramme ins Ausland gibt es nicht mehr.“ Aus, basta. So schnell ändern sich die Zeiten!
So rufen wir meine Schwester Hilde in Stockerau an und bitten sie, das vor dort aus für uns alle drei zu erledigen. Nach einiger Zeit kommt ihr Rückruf: es gebe in Österreich überhaupt keine Telegramme mehr ! Welch ein „Fortschritt !“
Es hat inzwischen aufgehört zu regnen, so haben wir noch Zeit, uns die Innenstadt genauer anzusehen. Wir inspizieren den Marktplatz Am Sande, jedes einzelne Haus wäre im Grunde sehenswert. Wir kaufen uns ein Kebab und essen es gleich dort, um den Anblick und die Atmosphäre der Altstadt länger genießen zu können. Später gehen wir gehen zum Alten Hafen, sehen dort den Alten Kran und die an­heimelnden Lokale, die sich ans Ufer der Ilmenau schmiegen und ziemlich gut be­sucht sind. Eine alte Kutsche führt Touristen herum.
Ohne Kirche geht es doch nicht, und so besuchen wir die Nikolai-Kirche, die von außen nicht so viel verspricht, dafür innen doch viele Kunstschätze besitzt. Speziell hinter dem Flügelaltar sind im Chorumgang schöne vergoldete, gut erhaltene Reliefs zu sehen. Die Krypta wurde zum Raum der Stille bestimmt, sie ist äußerst meditativ eingerichtet. Zufrieden bereiten wir uns auf die Rückfahrt vor. Wir haben Glück und kommen trocken nach Hause.
Es ist inzwischen 14 h geworden, und die Fernsehübertragung der Eröffnung der Olympischen Spiele aus Peking beginnt. Der chinesische Filmregisseur Zhang Yimou hatte viele und überraschend gute Ideen. Man zeigt soviel Schönheit und Harmonie in Tanz, Musik, Bewegung und Choreografie, wie wir es bis jetzt eigentlich nur von Chi­nesen ge­sehen haben. Die Technik ist am allerletzten Stand, gut ausgetüftelt und eigentlich ohne Panne, mit speziellen Überraschungsmomenten, wie z.B. der letzte Akt, das Entzünden der olympischen Flamme. Wir sitzen drei Stunden wie gebannt und verfolgen genau den Ablauf. Zu sehr hat uns Peking im letzten Jahr beeindruckt, als dass wir die von uns erwartete Wirkung auf den Rest der Welt nicht miterleben möchten. Es gibt sehr viele Umweltprobleme in diesem riesigen diktatorisch regierten Land, wir haben aber während unserer Studienreise 2007 in China gesehen, dass die Leute mit Freude und Stolz mitarbeiten und gewohnt sind, gegängelt zu werden, ähnlich wie seinerzeit die DDR-Bürger – nicht alle Ostdeutschen sind mit der Wiedervereinigung Deutschlands zufrieden; viele haben dabei verloren...
Inzwischen wurde es 20 Uhr. Wir haben guten Fisch gegessen, abgewaschen habe ich auch schon, nun sitze ich noch vor dem WoMo und nütze das restliche Tageslicht, um meinen Reisebericht zu schreiben und über die Ereignisse dieses besonderen Tages nachzu­denken. Der Himmel ist ziemlich bewölkt, es türmen sich im­mer wieder Gewitter­wolken auf, jede Stunde lässt eine Wolke über uns aus, es sah aus wie ein roter Atompilz; die starke Brise, der viele Sauerstoff tun mir aber sehr gut, und ich musste den abend­lichen Gewitterhimmel im Bilde festhalten.
Für mich hat die Nacht nicht so gut angefangen, weil ich erst schon mal nicht einschlafen konnte. Ich musste immer wieder über Georgs manchmal schlechte Launen nachdenken. Es ist mir schon bewusst, dass man nach stundenlangen Fahren in Regen und Sturm nicht gut drauf ist, für mich daneben ist es aber auch kein Honiglecken, wenn ich bei ganz fahlem Licht der Straßenkarte Genaues entnehmen soll, es aber nicht wirklich kann. Wenn noch dazu die „Uschi“ immer wieder mit unsin­nigen Vorschlägen kommt, wird mein Holder ganz ärgerlich. Ich muss mir doch eine billige Lupe für unterwegs kaufen.

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Samstag, 09.08.
Um 10 h kommen Bine und Jürgen Volkmar, unsere Hamburger Freunde, die wir durch meinen Jugendfreund Sepperl kennengelernt haben. Wir zeigen ihnen den Campingplatz mit dem Schiffsanlegemöglichkeiten an der Elbe und den kleinen von Seerosen bewachsenen Teich und lassen uns von ihnen nach Hamburg entführen. Es ist doch noch ca. 30 km dahin, mit den Öffis wäre die Anreise etwas problematisch gewesen. Aber so machen sie mit uns eine Runde durch die Altstadt, die schon 810 von Karl dem Großen gegründet worden war, zeigen uns zuerst das neue Rat­haus – wegen des Parkplatzproblems leider nur von außen – und den angrenzenden, sehr gut besuchten, wieder sehr eigenständig dekorierten Hauptmarkt, und führen uns zu dann den Landungsbrücken, zu Kais und Höfen, wir besuchen Speicheranlagen, sehen eine alte Kaffeebrennerei, wo man jetzt auch gleich den frisch gebrann­ten Kaffee trinken oder auch mitnehmen kann. Die vollen Säcke mit Kaffeebohnen sind dort aufgestapelt, die Leute sitzen dazwischen, es riecht einfach aromatisch und anregend, leider müssen wir alles etwas im Zeitraffer aufnehmen. Wir schauen auch in eine Architekturausstellung, wo der Hafen, wie er sich in den nächsten 10 Jahren entwickeln soll, präsentiert wird. Mit der geplanten Neuen Philharmonie, den Veranstaltungshallen und den vielen Wohntürmen will man neues Leben in das alte Viertel bringen.
Da der Magen schon knurrt, werden wir auf ein Fischbrötchen auf die Landungsbrücken eingeladen. Ich wähle eines mit Butterfisch und ein neuartiges Kolagetränk mit doppelt soviel Coffein, das von 2 jungen Hamburgern erst vor kurzem auf den Markt gebracht wurde. Dies ersetzt mir den Mittagskaffee. Die frisch und sehr knackig gerösteten Brötchen schmecken uns allen so gut, dass wir glatt ein zweites vertilgen. Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Vom But­terfisch gestärkt, machen wir uns auf dem Weg zum Michel, der dem hl. Michael geweihten Hauptkirche, wo gerade eine Hochzeit stattfindet. Besonders bemerkenswert sind dort das romantische Altarbild und die wie ein aus dem Wasser gehobenes Schiff wirkende Kanzel. Trotz Fotografierverbotes gelingt es Georg, sie schnell bildlich festzuhalten.
Wir wollen auch auf den Turm, um die Stadt auch von oben zu sehen. Natürlich nur, weil es einen Aufzug gibt. Das denken sich leider auch sehr viele andere Touristen. Hätten wir dies vorher gewusst, hätten wir vielleicht darauf verzichtet, aber so stehen wir schon mit unseren Tickets mitten in der langen Schlange auf der Treppe. Das Warten hat sich gelohnt – wir genießen eine großartige Aussicht über Hamburg und unser Eindruck von der Hafenstadt wird dadurch abgerundet.
Mit der U-Bahn fahren zu Bines Wohnung, um die Torte, die sie schon um 6 h früh für uns gebacken hatte, zu genießen. Erst einmal bewundern wir das schöne, frisch renovierte Heim, mit dem jüngst angebauten, von alten Bäumen beschatteten Balkon, wo man sich urgemütlich von der vielen „Hatscherei“ entspannen kann. Die Wohnung ist sehr geschmackvoll eingerichtet, eher spärlich mit Möbeln ausge­stattet.
Man merkt die Liebe, mit der die Hausfrau all die Kleinigkeiten – wie Efeublätter auf dem Tisch – arrangiert hat, die Sorgfalt, mit der die einzelnen Einrichtungsgegenstände ausgewählt wurden, und man spürt das Wesen der Bewohner und ihre Vorlieben, man erkennt, dass sie in Harmonie mit sich selbst leben. Ich freue mich darüber, dass sie unsere Freunde sind, und zu sehen, dass es ihnen gut geht. Der Kaffee und die Torte und tragen außerdem noch zu unserem Wohlbefinden bei, Georg schmeckt letztere so gut, dass er ein Viertel der Torte allein isst. Die Blätter des Birkenbaumes über uns fächeln uns Kühlung zu.
Solcherart gestärkt machen wir uns auf den Rückweg, den wir diesmal auf der Fähre zurücklegen wollen. Wir schlendern den Weg dorthin durch Parks entlang und plaudern über tausend Dinge. Unten am Elbufer werden wir noch auf ein Glas Wein in solch ein Lokal eingeladen, wie wir es auch auf der Donauinsel haben. Liegestühle stehen im Sand, man lässt sich genüsslich darauf nieder, genießt die Abend­sonne und die Aussicht auf die Schiffe und bekommt das Gefühl, irgendwo weit weg auf Urlaub zu sein.
Die Schiffe ziehen vorbei, unsere Freunde kennen viele davon beim Namen und wissen Geschichten über sie zu erzählen. Schön ist die Welt, und jeder ist selber daran schuld, wenn er nicht versteht, auch an kleinen Dingen Freude zu haben. Alles hat einmal ein Ende, und so begeben wir uns auf die Fähre, die bereits voll von Men­schen ist. Wir ergattern dennoch einen Platz an der Reling zwischen einer Schar von Kindern dunkler Hautfarbe. Sie sind durchwegs schön anzusehen, weil sie meist so große schwarze Augen haben. Wir unterhalten uns zwar nicht mit ihnen, haben aber doch irgendwie Kontakt zu ihnen auf­genommen. Der Fahrtwind bläst uns angenehm um die Ohren, und die Stadt zieht langsam an uns vorbei. Bei den Landungsbrücken ist Endstation für alle. Jürgen holt sein Auto, um uns noch zum Campingplatz zu bringen. Eigentlich wollten wir sie noch zu uns ins WoMo ein­laden und Ihnen die Fotos von unseren gemeinsamen Unternehmungen zu zeigen, doch wir waren alle zu erschöpft von dem starken Tag und dem vielen gemeinsam Erlebten, so dass ich nicht beleidigt bin, als Bine vorzieht, noch bei Ta­geslicht wieder nach Hamburg zurückfahren. Auch wir müssen alles einmal setzen lassen. Es war ein sehr schöner, gelungener, gemeinsamer Tag!

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Sonntag, 10.08. (187 km)
Wir haben in Stover Strand abgerechnet, noch ein bisschen mit unseren bayrischen Nachbarn geplaudert und uns dann für die Route Lübeck – Puttgarden auf Fehmarn, die Vogelfluglinie (Fähre Puttgarden – Rødby­havn auf Lolland), sowie für die anschließende Öresundbrücke von Kopenhagen nach Malmö entschieden.
Unsere Tochter Gudrun rief an und sagte, sie wünsche sich als Mitbringsel aus Lübeck Marzipan von dem berühmten Niederegger. Gute Idee, wir hatten ohnedies als nächste Station Lübeck vorgesehen, wo wir trotz feuchten Wetters unsere Rä­der herunter nahmen und unsere Suche nach der ersten Kirche begannen. Dieses war der Dom, der schon 1173 vom König Heinrich dem Löwen, gegründet worden war. 1477 wurde das große Kunstwerk Bernd Notkes fertig, eine riesige Triumph­kreuz­gruppe mit einem überlebensgroßen Jesus und noch 80 großartig geschnitzten Figuren. Von ihm stammt auch die Holzbühne des Lettners mit einer astronomischen Uhr aus dem 17. Jh., die auch heute noch funktioniert.
Bekannt ist auch das Paradies mit reichen Steinmetzarbeiten, eine Vorhalle, wo sich früher die Büßer und Bettler aufhalten durften.
Im Vorbeifahren schauten wir das Rathaus mit der schönen, überdeckten Renaissancetreppe an und fuhren dann zur nächsten, zur Marienkirche, die wiederum die größte gotische Backsteinkirche im Ostseeraum ist. Das Sakramentshäuschen von 1479, und das noch ältere Taufbecken, sowie ein  äußerst beeindruckender Marien­altar aus Antwerpen werden mir lange in Erinnerung bleiben.
Zum Drüberstreuen musste Georg noch in die Jakobikirche mit den 3 historischen Orgeln. Dort finden natürlich wirklich hörenswerte Orgelkonzerte statt. Heute wollte die Mesnerin aber schon ihre Ruhe haben und hat überall schon vor 18 Uhr das Licht abgedreht. Was wiederum sein Gutes hatte, denn wir hatten eigentlich damit gerechnet, dass die Marzipanerzeugung Niederegger bis 20 h offen halten würde. Dem war aber nicht so: Als wir um 18 Uhr hinkamen, stand schon ein junges Mädchen vor der Tür, das Niemanden mehr hineinlassen sollte. Da hatte sie aber nicht mit uns gerechnet. Wir können doch nicht ohne Niederegger-Marzipan nach Wien kommen. Wir haben sie einfach ignoriert und uns welchen von all diesen verführerischen Angeboten ausgesucht. Eigentlich müssen wir froh sein, dass wir nicht mehr Zeit gehabt haben. Draußen musste ich sofort gierig von diesen Köstlichkeiten kosten und tatsächlich: das Espresso-, Cappuccino- und Milchkaffeemarzipan ist auf der Zunge zergangen.
Mit dieser Errungenschaft konnten wir über Großenbrode und die Feh­marnsund-Brücke nach Puttgarden weiterfahren. Ein sehr naturbelassener Campingplatz mit einem interessanten Campingrestaurant Grüner Brink,, wo ich liebend gerne länger verweilt hät­te, vielleicht zum Essen frischer Fische oder um all diese Kleinigkeiten im Lokal wie Vögel im Netz etc., näher zu betrachten, wenn uns nicht die Übertragung von VERDIs Otello von den Salzburger Festspielen in 3sat noch mehr interessiert hätte. Man kann eben nicht alles haben. Carlos Álvarez war als Jago sehr überzeugend, ich habe einen großen Teil stehend angesehen, fast so wie in der Wiener Oper am Stehplatz, weil ich sonst die kleinen Untertitel nicht hätte lesen können. Nun aber bin ich müde und mache noch ein kleines Spielchen Freecell. Gute Nacht!

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Montag,11.08. (302 km)
Heute bin ich mit dem Gefühl aufgewacht, dass mein Giorgio ein ordentliches Sonntagsfrühstück verdiene, – eigentlich war schon Montag… – und so lud ich ihn in das nette Lokal ‚Grüner Brink’ des Camping Johannisberg ein, was seine Morgenstimmung erheblich verbesserte. Aus einem von ihm ersehnten Fischbrötchen ist aber ein konventionelles Frühstück mit Brötchen, Schinken u. Käse geworden. Ich konnte aber dabei die Vögel im Netz und die gesamte Raumgestaltung einge­h­end betrachten und auch im Bilde festhalten. Der alte Baum im Garten, der wahrscheinlich vorm Absterben gerettet worden war, macht eine gemütliche Atmosphäre, der wir uns nur ungern entzogen.
Es war dringend nötig, unseren Reiseproviant für den Norden aufzustocken, und dafür mussten wir leider noch einmal zurück nach Burg, in den Hauptort der Insel, wo wir ein sehr ausgedehntes Einkaufszentrum vorfanden, in dem sichtlich auch viele Skandinavier eine Menge Geld ausgaben. Beim Aldi schien man den ganzen Laden aufkaufen zu wollen. Die Kunden kamen oft mit einem Einkaufswagen nicht aus, es wurde jede Menge von Alkoholika eingekauft. Schon nach ein paar Verkaufs­reihen wurde mir ganz übel. Mir vergeht dann jede Lust, noch weiter zu kaufen, und ich möchte nur mehr raus. Doch angesichts der viel höheren Preise in Skandinavien bemühte ich mich um einen guten Überblick über das, was wirklich nötig war und was wir auch noch unterbringen konnten. Das Verstauen nahm dann ja genau soviel Zeit in An­spruch wie der Einkauf.
Die Mittagsglocken läuteten, und wir kauften uns gleich noch einen warmen Snack noch zu vernünftigen Preisen. Dann fuhren wir schwer beladen zur Skandinavien-Fähre. Ich kann nur hoffen, dass uns niemand auf die Waage schickt, dann hätten wir vielleicht ein größeres Problem.
Die Verladung der Wohnwagen und -mobile verlief ganz reibungslos, die Organi­sation ist bis ins Kleinste durchdacht. Es ist alles bestens geplant, so dass Fahr­zeuge gleichzeitig auf zwei Stockwerke des Schiffes fahren können, unten die schweren und oben die Pkws. Während der 45 Minuten Fahrzeit können sich die Passagiere mit Essen, Trinken und Duty-Free-Waren versorgen. Die Angestellten sind bestens trainiert und geschult. Uns bleibt sogar noch Zeit, die frische Luft auf dem Son­nendeck zu genießen und die Annäherung an Dänemark zu beobachten. Bald darauf legen wir in Rødbyhavn auf Lolland an. Ich bin nun zum ersten Mal in Dänemark. Wir nehmen die Autobahn Richtung Kopenhagen, überqueren eine weitere Brücke und kommen an den Stadtrand Kopenhagens.
Entlang der Autobahn ist nicht viel zu sehen. Endlos weite Felder, alles kultiviert, manche schon abgeerntet und auch schon wieder gepflügt. Man sieht nur wenige dazugehörende Wirtschaftsgebäude, und die erinnern irgendwie an Kolchosen, meist grau oder in anderen farblosen Tönen gehalten. Da sieht man nichts von Blumenschmuck oder Fachwerkhäusern wie in Deutschland – alles ist nur zweckmäßig und sachlich ausgerichtet. Dafür stehen oft eigene Silos dabei. Fabriksartig!
Die Autobahn selbst ist eher spärlich befahren; je mehr wir uns Kopenhagen nähern, umso dichter wird der Verkehr. Wir lassen die dänische Hauptstadt links liegen und fahren auf die 17 km lange Öresund-Brücke. Allein die Brückenmaut kostet ca. 40 Euro, aber eine Fähre wäre langsamer und umständlicher. Nach der Brücke sind wir in Schweden, für mich schon wieder eine Premiere. Georg hingegen hat hier bereits in seiner Jugend in Vadstena gesungen. Richtung Malmö geht es diesmal. Leider ist keine Zeit, die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, wir wollen noch eine längere Strecke hinter uns bringen, be­vor es dunkel wird. Georg schafft es bis Ängelholm, wo sich ein Campingplatz anbietet.
Die Reception ist leer, aber auf der Anschlagtafel steht, dass man sich einfach einen Platz aussuchen solle, es komme dann später jemand zum Inkasso vorbei. Auf einer hügeligen Wiese stehen einige Holzhäuschen mit Veranda zum Übernachten. Eine Küche für die Allgemeinheit und die Waschräume sind etwas primitiv, aber es ist vorhanden, was man braucht. So schauen wir nur, dass wir ein trockenes Plätzchen finden, wir stehen nämlich auf einer aufgeweichten Wiese, und etwas weiter hinauf will Georg nicht, damit man nicht so weit laufen muss.
Wir richten uns ein, und ich bereite uns Vollkornhörnchen mit Huhn, Schinken und Broccoli zu. Etwas Rotwein ist auch noch da, so haben wir alles, was wir brauchen. Mitten im Essen klopft es, und der Wirt will sein Geld haben. 160 SEK oder 20 Euro, nicht billig für das, was geboten wird, aber was soll man machen.

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Dienstag,12.08. (331 km)
Der Tag beginnt etwas trübe, aber ich bin in Schweden und das ist aufregend genug. Unweit hört man die Autobahn, wie immer auf einem Campingplatz, und die Wiese ist auch nicht ausgetrocknet, da es in der Nacht natürlich wieder geregnet hat. So versuche ich, zwischen den Pfützen einen halbwegs trockenen Weg zu den Duschen zu finden. Das Wasser ist angenehm warm, so bin ich's zufrieden. Georg sitzt, wie immer schon vor dem Laptop, bis er sein Obstfrühstück bekommt.
Wir benützen die E6 in Richtung Göteborg (Gotenburg). Sie hat zwei Fahrbahnen in beide Richtungen, nur vor der Großstadt weitet sie sich auf 4 Bahnen beiderseits aus. Viele Lastwagen sind unterwegs, auch 2 Österreicher fallen uns auf, sonst ist die Strecke doch etwas monoton und für den Fahrer einschläfernd. Nach dem Mittagessen gönnen wir uns wieder eine Ruhepause und stu­dieren die Karten. Am Nachmittag sehen wir das erste Mal „Oslo 250 km“ angeschrieben. Entlang der Auto­bahn gibt es nur wenige Orte, es ist nicht mehr ganz so flach, wie in Dänemark, die landwirtschaftlichen Betriebe sind hier meist in der Farbe Siena gehalten. Hie und da sieht man ein Fachwerkhaus mit abgerundeten Giebeln. Wir empfinden es schon als Abwechslung, wenn wir ein paar Felsen sehen. Manchmal sind die Autobahnen direkt durch die Felsen eingeschnitten, da muss es große Sprengungen gegeben haben. Jetzt fällt mir erst auf, wie schön zum Beispiel die Schweden Österreich oder die Schweiz finden müssen, wo die Landschaft wirklich viel reizvoller und kultivierter ist.
Wir fahren durch immer mehr Wald. Das Holz verwenden die Schweden intensiv zur Papiererzeugung und exportieren es weltweit. Jetzt werden die Stämme nicht mehr wie früher auf den Flüssen transportiert, sondern gleich an Ort und Stelle im Wald in einem Arbeitsgang gefällt, von Ästen befreit und auf eine Normlänge ge­bracht.
Ich bin begeistert von den Birkenwäldern, die man immer wieder sieht. Dieses hel­le Holz gibt dem Wald so ein jugendliches Aussehen, so schön, dass man ihn ma­len möchte.
Unser heutiges Ziel ist Fjällbacka, wo es die Kungsklyftan (= Königsschlucht) zu sehen gibt. Ich bin total überrascht von der Schönheit dieses kleinen Ortes am Meer. Überall die Schären und dazwischen nette kleine, bunte Häuser und Lokale und natürlich jede Men­ge von Booten und Schiffen.
Weniger begeistert bin ich zuerst von dem steilen, durch die Nässe sehr rutschigen, felsigen Anstieg zur Königsschlucht, aber Georg gibt mir hilfreich seine Hand, damit ich nicht wieder einen Fehltritt begehe. So geht es gleich leichter, und manchmal stützen wir uns gegenseitig. Der Felseinschnitt mit drei tonnenschweren Fels­blöcken, die über uns in dem Felsspalt stecken, ist gewaltig, und obwohl ich hoffe, dass sie heute kaum herunterdonnern und vielleicht noch Jahrzehnte da oben stecken bleiben werden, bin ich erleichtert, als ich darunter vorbei bin. Eine nasse Holztreppe führt steil bergauf, und die Tropfen beginnen wieder einmal vom Himmel zu fallen. Es fällt immer mehr Regen, aber da wir nun schon da sind, wollen wir auch die versprochene tolle Aussicht von oben genießen. Bei Sonnenschein wäre es sicher viel freundlicher gewesen, aber es war auch so ein wunderbares Gefühl, in die Weite zu sehen, wo aus dem Meer immer wieder riesige runde Fel­sen auftau­chen, ein Anblick, den wir Binnenlandbewohner nur selten genießen können.
Ziemlich durchnässt machen wir uns bald an den Abstieg und fahren weiter bis nach Grebbestad zum dortigen Campingplatz. Dies ist ein Platz mit 4 Sternen, aber wir können das nicht ausnutzen, denn seit wir hier sind, regnet es mal, dann schüt­tet es wieder. Dann regnet es leise weiter. Wir lieben es zwar beide, wenn die Tropfen auf das Wohnmobildach fallen, und wir sitzen gemütlich herinnen. Wenn es nur morgen wieder schön würde ! Wir möchten Schweden doch auch einmal bei Sonnenschein sehen.

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Mittwoch, 13.08. (195 km)
Schweden möchte sich nicht lumpen lassen: das Wetter zeigt sich heute von einer besseren Seite, der Himmel ist zwar noch etwas bedeckt, aber es wird immer freundlicher. Wir haben vor, die prähistorischen Stätten aufzusuchen, die sich im Bezirk Tanum befinden. Dort gibt es auf einer Fläche von 45 km²  über 500 Stellen mit eingeritzten Felsbildern. Diese Felszeichnungen aus der Bronzezeit, von 1800  bis 500 v. Chr. zeigen Kampfszenen und Liebesakte, sowie immer wieder lan­ge Boote, die den Weg vom Leben in den Tod versinnbildlichen. 1994 wurden sie als Weltkulturerbe anerkannt worden und gelten jetzt als eine große Attraktion.
Das Museum in Vitlycke bei Tanumshede bietet bei freiem Eintritt eine Ausstel­lung mit Dia­schau, an die Decke geworfenen Projektionen und Spielen für Kinder, die dadurch die Urgeschichte vertiefen sollen. Die Felsenbilder selbst sind an ihren Fundorten rot gefärbt worden, damit man sie besser erkennen kann. Sie sind nicht immer leicht zugänglich, da durch den vielen Regen Gras und Erde sehr rutschig sind, aber da heute die Sonne immer stärker wird, ja richtig wärmt, haben wir einen guten Zeitpunkt erwischt. Es ist alles sehr interessant und aufschluss­reich, aber da ich jetzt weiß, dass wir heute noch Oslo erreichen und bei Gernot zum Abendessen eingeladen sind, möchte ich nichts wie hin. Zulange habe ich unseren Sohn schon nicht mehr gesehen. Wir verlassen die prähistorische Stätten von Vit­lycke, aber Georg fährt auch noch zu einer 2. Fundstelle, nämlich nach Fossum. Da gehe ich nur noch für einen kurzen Überblick mit. Hier soll ein Mann allein 600 Bilder angefertigt haben – wie man das herausfinden konnte, weiß ich nicht.
Dann geht es endlich weiter nach Oslo. Bis Stromstad gibt es auf der E6 Gegenverkehr,  erst dann wird sie wieder zur Autobahn. Die Landschaft wird immer rauer, die Felsen wuchtiger. Plötzlich an einer Mautstelle merken wir, dass wir schon fast in Norwegensind. Bald haben wir unser erstes großes Ziel erreicht.
An Fredrikstad, Moss und Drobak vorbei erreichen wir Oslo. Nach langem wieder ein­mal eine Großstadt. Wildes Treiben: überall Baukräne und Bauarbeiten, lauter Autobahnschleifen, viele Lastautos, viel Lärm. So hatte ich diese Stadt nicht in Erinnerung! Wir haben trotz Uschi, unserer Navigatorin, Probleme, den richtigen Weg zu finden, weil der Verkehr sehr dicht und das Ziel nicht so leicht zu finden ist, doch führte sie uns schließlich direkt vor Gernots Haustüre.
Gegen 19 Uhr kommen wir in der Vibes gate 10 an, doch leider gibt es keinen freien Parkplatz, der 5 m Raum bis zur nächsten Straßenecke frei ließe. Aus dem Reiseführer hatte ich Georg vorgelesen, dass die Norweger von  Parkplatzsündern und Schnellfahrern drastische Strafen verlangen, und so sind wir vorsichtig. Gernot ist bereits da, uns zu begrüßen. Er sucht mit uns eine Parkmöglichkeit, die wir dann ein paar Straßen weiter entlang eines Parkes in der Pilestredet finden. Nachdem ich die Mitbringsel gefunden und die Laptops eingepackt habe, begeben wir uns in Gernots Wohnung. Sie liegt am 3. Stock. Wir sind dies nicht mehr gewohnt und keuchen hinauf. Trude erwartet uns bereits. Sie schaut hübsch aus in ihrem kurzen Kleidchen mit leg­gings.
GernotsHeim macht einen guten Eindruck, helle Räume mit viel Holz und einer schönen, hellen Sitzgruppe. Die Küche ist auch gut und praktisch eingerichtet. Sie hat auch noch eine Zwischendecke mit viel Stauraum, wo sogar jemand schlafen könnte.
Unser Sohn bewirtet uns aufmerksam, und wir tauschen die ersten Neuigkeiten aus, während wir ein Glas Sekt genießen. Die Überraschung ist groß, als er uns bald danach ein hervorragendes Mahl vorsetzt. Es besteht aus 1,2 kg mit Knoblauchbutter und Chili gebratenen Scampi, Nudeln mit speziellem Pesto und Rucolasalat mit Parmesanblättchen. Wir sind von der Zusammenstellung begeistert und greifen nach Herzenslust zu. Gemeinsam schaffen wir die ganze Menge. Mampf, satt!
Dadurch werden wir bald müde und vergessen, dass wir ursprünglich im WoMo schla­fen wollten, wir nehmen nun gerne Gernots Angebot an: Georg schläft im Wohnzimmer auf der Bettbank ein, und ich, nachdem ich noch Gernots Internetzugang nutzen und mit Gudrun und Trudy Wey über Skype geplaudert hatte, schlafe im Nebenraum, wo auch Gernot sein Stockbett hat. Ich höre nicht mehr, wann er zu Bett geht, und schlafe gut.

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Südnorwegen   

(14.08. bis 08.09. – 3.175 km)

Oslo – Eidsvoll Verk – Hamar – Lillehammer (Maihaugen) – Gudbrandsdal – Ringebu – Otta – Vågåmo – Otta – SelDombås – Hjerkinn – Dalen – Alvdal – Tynset – Røros – Rognes – Trondheim (CP Flakk) – Spongdal – Orkanger – Fähre Halsa > Kanestraum KristiansundFähre > Bremsnes auf Averøya Atlan­ter­havsvegen – Vevang – BudMolde (Varden) – Fähre Sølsnes > åfarnes – An­dals­­nes – Troll­stig(sveg)en – Valldal – Stordalen – ålesund (CP Prinses) – Stordal – Fähre Linge > Eids­dalenØrneveienGei­ranger – Djupvasshytta – Stryn – Olden –  Briksdalsbreen – Olden – Fossheim – Fjærland – Sogndal (CP Kjørnes) – Kaupanger – Fähre Mannheller > Fodnes – Øvre årdal – Tyinkrysset – BorgundLærdalstunnel (24 ½ km !!) – Flåm (Flåmsbane) – Voss – Dale – Haukelund – Bergen – Fjell (auf  Sotra) – CP Skogtun – Straume – Bergen (Fløy­bane) – Trolds­­haugenFähre Halhjem > Sandvikvåg – (CP) Haralds­haugenHauge­sundFähre Arsvågen > MortavikaStavanger – Sandnes – Fähre Lauvik > OanesPreikestolenFähre Oanes > Lauvik – Oltedal ­– Ålgård – Bue – Varhaug – EgersundFlekkefjordMandalKristiansandLillesandGrimstadArendalTelemarksveien – Seljord – Heddal – Kongsberg – Drammen – Oslo

Donnerstag 14.08 (67 km)
Den Morgen beginne ich tolpatschig, indem ich mit der Dusche nicht zurecht komme, bis mir Georg zeigt, dass nur ein Drehknopf fehlt. Wir haben heute beide etwas Wirbelsäulenprobleme, wollen nicht so viel gehen und beschließen, unsere Räder zu holen und damit in die Altstadt und zur Neuen Oper (Nya Operan) zu fahren. So kommen wir erst an Schloss und Schlosspark vorbei, sehen das Nationaltheater, die Universität, die Nationalgalerie, das Parlament (Storting) und ein sehr imposantes Haus mit einer Filiale von Louis Vuitton mit dekorativen Malereien. Seine Taschen haben mir ja nie gefallen, nicht einmal geschenkt möchte ich eine haben. Daneben ist ein interessantes Geschäft, das durch seine Spiegel optisch wirkungsvoll eine Tiefe vortäuscht, und dessen Geschäftsführer ein äußerst attraktiver junger Mann ist.
Danach suchen wir die Neue Oper (Nye Operan) und finden sie auch in all ihrer zeitgenössischen Schönheit und Pracht am alten Hafen, den man damit wieder revitalisieren wollte, was auch voll gelungen ist. Jetzt beginnt man, einen neuen Tunnel vor der Oper unter dem Hafenbecken zu bauen, um den Verkehrslärm und die Unruhe von dort weg zu bekommen, denn man will am Hafen noch weitere Kultureinrichtungen bauen. Damit bestätigt sich der gestrige Eindruck von einer unruhigen, sich in einer Umbauphase befindenden City. Ideal wird es demnach erst in einigen Jahren sein. Wir genießen aber das Heute und schließen uns einer Füh­rung durch das Opern­haus an, die ein rühriger, für die kulturelle Entwicklung des Hauses zuständiger Theaterpädagoge leitete. Er sprach ein tadelloses Englisch und bestach durch sein Wissen.
Beim Bau dieses Opernhauses wurde extrem viel Rücksicht auf die Akustik genommen, und man hat sich sehr bemüht, natürliche Materialien zu verwenden. Im Theatersaal und im Bühnenraum wurde alles die Akustik verstärkende genützt, während man in der Eingangshalle und den Pausenräumen Schall absorbierendes Material, eben wieder ganz andere Holzarten, verwendet hat.
Man hat das Gefühl, dass dieses Opernhaus voll gelungen ist und von der Bevölke­rung, auch von der Jugend, gerne als Treffpunkt genutzt wird. Zufrieden mit all den neuen Eindrücken will ich meine Stadtrundfahrt beenden und fahre nicht mehr  zur Alten Oper mit. Ich will unseren Sohn wiedersehen und die verbleibende Zeit mit ihm nutzen. So suche ich meinen Weg mit dem Fahrrad alleine zurück zur Vibes gate.
Unser Sohn will gerade einkaufen gehen. So machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Supermarkt. Leider gibt es heute keinen Tunfisch, wie Gernot es ge­plant hätte, und so entscheiden wir uns für Kabeljau (Dorsch, Bacalao), der uns dann auch herrlich schmeckt. Es kommt vor allem auf das Gespür an, mit dem  man ihn zubereitet, und das versteht unser Gastgeber vorbildlich. Wir mögen auch dieses zweite Abendessen mit ihm, das er noch durch einen Brownies-Kuchen krönt. Georg gefällt es so gut bei ihm, dass er gar nicht weg will, aber ich merke, dass Gernot seinen Zeitplan einhalten will und für seinen bald ankommenden Be­such von Roland, Beni und Hans vorbereiten will, deshalb dränge ich zum Aufbruch. Wir verabschieden uns herzlich und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen.
Da es schon fast 20 Uhr war, wollten wir nicht mehr sehr weit fahren, sondern einen CP in der Nähe aufsuchen. Nach dreimaligem Nachfragen fuhren wir bei Kløfte von der E6 ab auf den RV (Riksveien) # 2 und suchten verzweifelt und ziemlich lange in Richtung Kongsvinger, bis wir – nach insgesamt 67 km – endlich Frogners Strand-Camping fanden. Dies war ein äußerst idyllischer Platz an einem Fjord. Vor Einbruch der Dunkelheit machte ich einen Rundgang und erfreute mich an der schönen Umgebung. Die Wohnwagen mit Vorzelt waren alle mit hübschen Blumen, Ziergegenständen und sehr viel romantischen Beleuchtungs­körpern hergerichtet wie Wochenendhäuser. Sogar eine eigene Grillstelle gab es. Tatsächlich bewohnt waren nur wenige, wahrscheinlich war den Norwegern das Wetter zu schlecht. Durchreisende Gäste, so wie wir, gab es doch einige. Eine Familie, die einen Superplatz direkt am Wasser eingenommen hatte und dort bei Kerzenlicht die Abendstimmung genoss, kam aus Hamburg, wo wir ja vor kurzem mit Jürgen und Bine einen erlebnisreichen Tag verbracht hatten. Wir tauschen einige Erfahrungen aus, und dann ging ich, das Abendessen zuzubereiten.

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15.08.   (171 km)
Heute früh erkundete ich die andere Richtung des CP, wo ich die Stimmung einer Aulandschaft vorfand, und noch ein Stück weiter gab es sogar einen Sandstrand zum Baden. Es war aber niemand im Wasser, überhaupt waren nur wenige Leute zu sehen. Ein paar Pferde grasten auf der Weide des Nachbarhauses.
Zurück im WoMo schauten wir uns noch die Route an, und beschlossen, nach Eidsvoll Verk zu rollen, wo 1814 im Hause des reichen Eisenwerkunternehmers Karsten Ankers eine norwegische Verfassung erarbeitet wurde. Diese Villa steht in einem weitläufigen Park mit einigen imposanten Statuen der damals Mitwirkenden. Mit der Selbständigkeit klappte es vorerst nicht: Die im damals dänischen Kiel abgeschlossenen Verträge und ein Einmarsch des schwedischen Königs Karl Johan, nachdem die wichtigste Straße in Oslo benannt ist, verhinderten dies.
Eine nette junge Dame machte nur für uns beide eine Führung auf Englisch über die politischen Ereignisse von damals. Dabei erfuhren wir eher zufällig, dass jener schwedische König Karl XIV. Johan, (bzw. Karl III. Johan von Norwegen) und der französische General Jean-Baptiste Jules Bernadotte ein und dieselbe Person waren. Ein kostümierter junger Mann empfing uns als Aspirant auf den angestrebten Königsthron von 1814, und eine ebenfalls kostümierte „Haushälterin“ spielte ebenfalls mit. Die Autonomie konnte übrigens erst 1905 friedlich in eine völlige Unabhängigkeit Norwegens von Schweden umgewandelt werden. Ein dänischer Prinz wurde als Haakon VII. erster norwegischer König der Neuzeit.
Die nächste Pause machten wir 1n Hamar, wo für die Olympischen Spiele von 1994 eine Halle für 20.000 Menschen aus Holz und Beton in Form eines umgestülpten Wikingerschiffes errichtet worden war. Jetzt war der riesige Parkplatz dort menschenleer und verlassen, nur die Feuerwehr machte in einem angrenzenden Gebäude ihre Übungen.
Etwas außerhalb der Stadt, auf einer Halbinsel befindet sich das Hedmark-Freilichtmuseum mit 40 einzelnen Häusern, die waren aber heute leider schon zu, und wir konnten nur von außen einige Aufnahmen machen.
Die von einer enormen Glaskuppel überdachten Ruinen des Domes und des Bischofspalastes aus dem 12. Jh. konnten wir aber sehen, das war für uns in dieser Form ganz neu. Diese Anlage ist noch Zeuge der einstigen Bedeutung Hamars, das lange ein wichtiges Handelszentrum war. Erst im letzten Jahrhundert verlor es seine Bedeutung an Lillehammer, eigentlich „Klein-Hamar“. Das war auch unser Ziel zum Übernachten.
Schon von weiten sah man die Olympia-Sprungschanze. Ich fotografierte sie für Georg etliche Male. Die Stadt liegt sehr schön am Nordende des Mjøsa-Sees. Aufgrund ihrer schneesicheren Lage war sie immer schon ein Anziehungspunkt für norwegische Skifahrer. Wegen des inspirierenden Lichtes ist es auch bei Dichtern und Malern beliebt. Wir hoffen, hier heute einen einladenden CP zu finden. In der Tat, es dauerte zwar, bis jemand an die Reception kommt, aber dann werden unsere Wünsche erfüllt. Wir können uns selber einen guten Platz nahe dem Wasser aussuchen. Da es noch relativ früh ist, können wir noch von der Abendsonne profitieren, indem wir wieder einmal im Freien essen. Schweinskoteletts in Paprikasauce mit Karotten und gedünstetem roten Paprika, sowie böhmische Knödel, die sehr gut den Saft aufsaugen. Dazu ein Glas Wein. Mensch, was willst Du mehr? Nach dem leidlichen Abwasch mache ich noch eine Runde mit der Kamera und entdecke viele schöne Motive. Diese friedliche Abendstimmung ist sehr anregend. Unser Abend klingt wie üblich aus, Georg bearbeitet seine Fotos, und ich schreibe.

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Samstag, 16.08 (8 km)
Ich schaue aus meinem Alkovenfenster auf den Mjøsa-See, ein erfreulicher Ausblick. Das Wetter weiß noch nicht wirklich, was es will, es ist aber trocken. Unsere Nachbarn ringsum sind alle schon beim Einpacken. Da waren ge­stern vier deutsche Wohnmobile vom Nordkap zurückgekommen und hatten eine Art Wagenburg gebildet. Die meisten von ihnen waren noch berufstätig, darum mussten sie pünktlich zurück zur Arbeit sein. „Wie gut es uns doch geht !“ denke ich mir und drehe mich noch einmal um. Da Georg noch schläft, bin ich auch ganz still. Es ist sehr wichtig, dass der Fahrer zu seinem erforderlichen Quantum an Schlaf kommt. Wir machen auf gemütlich – es ist ja unser Urlaub, unser Leben, das wir uns jetzt selbst gestalten können!
Nach unserem vitaminreichen Obstfrühstück gehe ich noch die Birkengruppe fotografieren, für die es gestern abends doch zu dunkel war. Natürlich bieten sich da noch andere Motive an, z.B. ein Opa, der mit seinem Enkel Steine wirft, und eine Taube, die daher spaziert und ihr Frühstück am CP sucht. Mir weicht sie aus, indem sie auffliegt, doch hinter mir spaziert sie suchend weiter.
Es wird fast Mittag, bis wir unser WoMo wieder à jour haben und in Richtung Maihaugen-Freilichtmuseum rollen. Diese Einrichtung wurde vom Zahnarzt Anders Sandvig 1887 gegründet; sie besteht heute aus 170 Gebäuden aus dem Gudbrandsdal mit einer im 12. Jh. erbauten Stabkirche aus Lom. Leider beginnt es gleich beim Eintritt einmal zu regnen. Umsichtig genug, habe ich unsere Schirme dabei. Der Re­gen hier ist meist kurz, wenn die dunkle Wolke vorbei ist, ist es oft schon wieder freundlich. Aber dafür passiert es öfters am Tag. Man kann hier im Freilichtmuseum auf sehr anschauliche Art die frühere Lebensweise der norwegischen Landbevölkerung und deren Weiterentwicklung verfolgen. An idyllischen Waldwegen gruppieren sich viele Bauernhöfe, auch Keuschen, eine Kapelle, eine Kirche und zwei Pfarrhöfe, ver­schiedene Werkstätten, Gärten, Teiche und Bäckereien, sowie eine Apotheke und die Post im Wandel der Zeit  (besonders detailliert und aufwendig dargestellt). So kann man sich ein gutes Bild von Norwegen bis zur heutigen Zeit und sogar über die Zukunftsbauten – es gab sogar ein eigenes Haus der Zukunft mit allerlei technischem Schnick-Schnack ! – machen. Wir sind über vier Stunden dort verblieben, und wenn man nicht um 17 Uhr die Gäste gebeten hätte, das Haus zu ver­lassen, wären wir vielleicht jetzt noch dort. Ohne Schmäh, nachdem wir die Versteckte Kunst im Keller noch entdeckt hatten, waren wir ge­schlaucht und froh, uns niedersetzen zu können. Außerdem waren wir schon sehr hungrig, da wir seit dem Frühstück nicht zum Essen gekommen waren. Und das nennt man Urlaub!
Eigentlich wollten wir dort auf dem Parkplatz am Waldesrand gleich übernachten, doch während des Essens im WoMo erlebten wir eine böse Überraschung. Fünf Jugendliche kamen mit einem Zelt, ließen sich neben uns nieder, packten ihr Bier aus, machten überlaute Musik und trafen Anstalten, einfach da zu übernachten. Da wollten wir einfach nicht mehr bleiben. Die Jugend hatte uns die Stille und die Laune verdorben. Wir suchten das Weite! Georg fuhr erst einmal zur Olympia-Sprungschanze, um sie von etwas näher zu besichtigen, was mir persönlich zu mühsam war; ich wollte lieber in die Altstadt von Lillehammer, die im Führer nett beschrieben war. Da mein Bester aber so lange herumbrodelte, bis die Geschäfte geschlossen waren, war auch in der City nicht mehr viel los. Verärgert habe ich die Inspektionsrunde allein gedreht und habe dabei, glaube ich zumindest, einen ganz netten, informativen Film gemacht. (Wir können ihn erst anschauen, wenn wir Zeit dazu finden).
Zusammen haben wir uns noch ein Eis im Stanitzel genehmigt. Als ich sah, wie großzügig die Verkäuferin die Kugeln formte, waren mir 2 davon genug. Wir schleckten unser Eis auf einer Bank in der Fußgängerzone und musterten die Vor­übergehenden. Es war inzwischen 21 Uhr geworden, doch immer noch hell. Bei meiner zweiten Eiskugel begann mir schon kalt zu werden, und wir schlenderten langsam zurück zur Friedhofsmauer.
Zu unserem WoMo hat sich inzwischen ein zweiter Laika gesellt, der neben sich auch noch ein anderes WoMo zur Seite hatte. In Gesellschaft fühlten wir uns neben dem Friedhof gleich wohler. Wir zogen uns in unser Gemach zurück und gaben uns der allabendlichen Tätigkeit hin. Nachdem ich über 2 Stunden geschrieben hatte, gab mein Laptop plötzlich den Geist auf und wurde schwarz. Welch ein Schreck, keine Power mehr. Mein alter Medion hatte mich stets vorher gewarnt, wenn der Akku schwach wurde, der neue HP tat nichts dergleichen. Jetzt wusste ich nicht, hat er nun meinen Tagesbericht gespeichert oder ist alles gelöscht worden. Konsterniert ging ich zu Bett und musste auch heute immer dran denken, konnte es daher nicht erwarten, dass wir am Abend auf einen CP kommen und wieder am Strom angeschlossen sind. Zu meiner Erleichterung konnte ich sehen, dass der Hewlett Packard auch da mitdenkt und gespeichert hatte. Danke Dir, lieber Läppi!

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Sonntag, 17.08. (201 km)
Heute morgen sind wir reichlich abgekühlt erwacht. Die Nachttemperatur sinkt jetzt schon ziemlich ab. Draußen hatte es 12 Grad, aber herinnen auch nur 14. Es herbstelt schon ziemlich. Also schnell einen warmen Kaffee, und da ja Sonntag ist, gibt es ein gutes Ham and Eggs mit Vollkornbrot. Das bringt schon wieder Energien zurück. Wir verabschieden uns vom Friedhof und fahren nach Øyer, wo es den schönsten Familienpark Norwegens geben soll, wie manche mei­nen. Wir finden daran nichts Interessantes und fahren weiter nach Ringebu, durch das ganze Gudbrandsdalen. Es ist tatsächlich so schön, wie wir immer gehört hatten.
Oben auf einem Hügel steht in Ringebu die hölzerne Stabkirche, die 1270 erbaut wurde, aber bei unserer Ankunft nicht zugänglich war, weil eben eine Messe mit mehreren  Taufen stattfindet. Weil wir von sooo weit her kommen, lässt man uns dann doch hinein, und wir können noch etwas von dem hören, was die Priesterin dem Volk mitzuteilen hat. Hören wohl, verstehen aber nicht. Auf alle Fälle halten wir die Sehenswürdigkeiten in Foto und Film fest, auch ein paar von den an der Taufe Beteiligten in der Sonntagstracht. Hier ist es anscheinend noch üblich, bei Feiern im traditionellen Kostüm zu erscheinen, wie ich es auch gestern bei der Hochzeit in der Stabkirche des Freilichtmuseums in Lillehammer bemerkt hatte. Dies zeugt von einem bewussten regionalen Zusammengehörigkeitsgefühl.
Anschließend schauen wir noch in den Pfarrhof, wo einige Maler unterschiedlicher Richtung ihre Werke ausgestellt haben.
Wir rollen weiter über Hundorp, Vinstra und essen unterwegs bei irgendeinem Bahnhof im WoMo Bratwürstl mit Erdäpfelpüree und Gurkensalat. Die Landschaft unterwegs wird immer schöner, die Berge höher, die Täler sind saftig grün (kein Wunder bei dem vielen Regen), immer wieder fahren wir an Gewässern entlang. Es gäbe ununterbrochen malerische Motive zum Fotografieren. Einmal bleiben wir abrupt stehen, so überwältigend ist der Ausblick in die Berge, wo ein reißender Gebirgsfluss herunterstürzt, immer wieder starke Wirbel und das angenehme Was­ser­geräusch erzeugend. An den Ufern wachsen die weinroten Gejtrams und weiße Margeriten, immer wieder mit reifem wildem Hafer und anderen Grashalmen gemischt. Ein leiser Wind streift durch die Büsche, und es duftet angenehm. Der Blü­tenduft des warmen Sommertages vermischt sich mit der Frische des leisen Sprühnebels, der durch die Schnelligkeit des Wassers ent­steht. Wir saugen diese Naturschönheit einfach auf, überwältigt von der Einmaligkeit des Naturwunders, des Augenblicks. Georgs Fotoapparat klickt ununterbrochen und hält diese Augenblicke fest, um sie mit lieben Freunden noch einmal erleben zu kön­nen. So atemberaubend kann die Natur aussehen, und da gibt es Menschen, die Kriege führen!
Irgendwann haben wir uns losgerissen und unsere Reise fortgesetzt nach Vågå­mo, wo auch – umgeben von hohen Bergen – inmitten eines gepflegten Friedhofes eine Stabkirche steht, die ursprünglich im 12. Jh. erbaut wurde, natürlich einmal ab­gebrannt und in der Renaissance aus möglichst vielem noch Verwendbaren wieder hergestellt wurde. Der Altar und an die Kanzel bestechen durch ihre Form und Farben, obwohl sie erst im 17. Jh. fertig gestellt wurden. Die Holzarbeiten und die Ver­goldung sind gelungen.
Georgwollte noch in den Rondane-Nationalpark. Ich fand aber, dass wir an die­sem Tage schon so viel Außergewöhnliches gesehen hatten, dass einfach keine Steigerung mehr möglich wäre und dass man erst einmal alles setzen lassen müsse. So kehrten wir um und steuerten den nächsten CP an, das Touristencenter Otta.
Beeindruckend war hier nur der Name, alles andere war, wie uns erst nach und nach auffiel, einfach heruntergekommen und vernachlässigt. Ein Bus voll junger tschechischer Sportler, die dort zelteten, war da, sonst tote Hose. „Es ist ja nur für eine Nacht“, so beruhigten wir uns, weil wir zu bequem waren, es noch zu ändern. Ein gutes Abendessen besserte unsere Stimmung. Wir aßen Truthahnfleisch mit Tortellini und Karotten-Apfel-Salat, und dann noch etwas Käse mit Rotwein. Beim Fernsehen spielten wir Fotos ein, zum Reisebericht war ich dann schon zu müde und gab auf. Die Nacht war sehr kühl, ich muss aber zumindest mein Alkovenfenster offen haben, mit einer zusätzlichen Decke geht’s dann schon.

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Montag, 18.08.  (223 km)
Heute früh mussten wir zum ersten Mal die Heizung aufdrehen: draußen hat­te es 11 Grad und drinnen 14. Wir fühlten uns nicht mehr wohl. Erst einmal musste ich den Wein, den ich neben das eine Heizungsrohr gelegt habe, weil ich nie geglaubt hätte, dass wir die Heizung je benötigen würden, wegräumen. Erst dann konnten wir die Hei­zung das erste Mal ausprobieren. Welch ein Genuss, warme Luft aus den Düsen zu verspüren; die alten Knochen werden wieder warm, und man fühlt sich einfach viel wohler. Ein heißer Kaffee und eine vitaminreiche Melone (Georg wollte doch Schinken dazu) mit Mango, und die Welt ist wieder in Ordnung.
Zum ersten Mal ziehe ich feste, geschlossene Schuhe mit Socken an, muss sie aber schon bald wechseln, weil ich durch das nasse Gras marschiert bin und das Rauleder sich schnell ansoff. Wir machen unser WoMo wieder reisefertig, verlassen diese unrühmliche Stätte (ich mag gar nicht erzählen von dem Teich, der mir unsauber erschien und den Duschen, „wie seinerzeit im Ostblock“, laut Georgs Vergleich). Wir sind froh, dass wir draußen sind, und fahren zur Stabskirche von Sel, wo Sigrid Undset, eine der drei Literatur-Nobelpreisträger Norwegens, gerne ihre Sommer verbracht hat. Dort gibt es eine Statue, die eine ihrer Hauptfiguren, Lavrans Tochter, darstellt. Eine toll gelungene Statue. Das Grün-Gold des Kleides wirkt so elfenhaft. Die Kirche ist leider noch zu, nur der Friedhof ist offen, und dort wollen wir noch nicht hin.
So fahren wir weiter, nach Dombås, einem zentral gelegenen Ein­kaufs­dorf, von wo gerne Wanderungen gestartet werden. Da wir aber wenig wandern, und bei diesem mie­sen Wetter schon überhaupt nicht, schauen wir uns das Zentrum und das Einkaufszentrum etwas an. Heraußen stehen viele WoMo, anscheinend wissen alle bei den wenigen Wärmegraden nichts anzufangen und gehen einkau­fen. Wir schauen ein bisschen ins den Trollladen, amüsieren uns über all das Angebot und die enormen Preise. Endlich finden wir im angrenzenden Tourismusinfocenter ein paar interessante Unterlagen.
Da uns das Angebot und die Preise im Selbstbedienungsrestaurant nicht passen, ziehen wir unser WoMo vor, kaufen schnell noch frisches Brot und Milch, Georg nimmt noch ein gutes Krabbenfleisch mit, das wir mit gemischtem Salat zu einem köstlichen Mal verwandeln. Zur Feier des Tages erlauben wir uns ein Gläschen Weißwein zu Mittag. 0,2 Promille sind ja erlaubt.
Zu neuen Schandtaten bereit, folgen wir der Strecke nach Hjerkinn, am Rande des Dovrefjell-Nationalparks vorbei. Die Landschaft ist abwechslungsreich: man sieht von weitem die runden Bergkuppen der alten Gebirgsfaltung, wahrscheinlich  aus dem Tertiär. Es wirkt heute alles etwas gedämpft durch die feuchte Luft, daher auch schlechte Sicht wie in einer Waschküche und deswegen unscharf aussehende Fotos. Es beginnt immer wieder zu regnen, manchmal sieht man sogar noch Reste von Schnee in den Felsrinnen zwischen den einzelnen Bergkuppen. Über Dalen, Folldal und Tynset rollt unser Iveco, für Georg ist es sehr anstrengend zu fahren, immer diese nassen Straßen, die Bankette, die oft ausgebrochen sind. Es sind doch große Höhenunterschiede zu bewältigen, manchmal gelangen wir auch auf Sandstraßen. Zwischendurch fahren wir oben auf Bergkämmen, Serpentinen hinab, dann wieder im Tal neben der rasch fließenden Glama. Echt schade, dass wir diese Gegend nicht bei Sonnenschein sehen können. Georg wäre gerne auch auf den Tron mit 1666 m hinaufgefahren, um die sagenhaft schöne Aussicht von oben im Bilde festzuhalten. Das wurde aber vereitelt durch die tiefen, schwarzen Wolken, die seine gesamte Höhe verdeckten und deshalb überhaupt keine Sicht ermöglicht hätten.
So hielten wir Kurs auf die Kupferbergbaustadt Røros. Zu unserem großen Entzücken sahen wir die Straßenränder immer mehr gesäumt mit der hier so häufigen „Geißen­blume“ Gejtrams, die in lila-violetter Farbe weithin leuchtet. Anscheinend ist ihr das Klima hier in diesem Gebiet besonders lieb, weil sie oft große Flächen bedeckt und kleine Hügel, Erdhaufen und Straßenränder bewächst. Sie lockerte das trübe Naturbild durch große Farbkleckse auf, manchmal auch gepaart oder vermischt mit einem dottergelben Gewächs.
Gegen 18 Uhr, nach mehr als 230 km Wegstrecke, sahen wir im Gemeindegebiet von Røros einen CP, wo wir Halt machten. Die Wiesen und Wege waren nass und der Himmel noch immer sehr dunkel bewölkt, kaum Leute auf dem Terrain. Die Außen­temperatur betrug zwar schon 15 Grad, aber an ein Essen im Freien war nicht zu denken. Wir suchten eine Stromquelle und legten die Keile unter, um halbwegs gerade zu stehen, und verzogen uns schnell hinein ins Trockene. Um uns aufzuwär­men, machte ich schnell eine Dose Ochsenschwanzsuppe heiß, dazu aßen wir von dem frischen Vollkornbrot, so fühlten wir uns um einiges wohler. Satt waren wir noch nicht, denn bei so kühlen Temperaturen verbraucht der Körper mehr Energie. Im Grill machte ich schnell überbackene Brote mit etwas kaltem Truthahnfleisch und Tiefkühlgemüse, so wurden wir herrlich satt.

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Dienstag,19.08 (180 km)
Benjamins Geburtstag. Wir rufen ihn an, um ihm „Happy Birth­day“ zu sin­gen und zu gratulieren. Er teilt uns mit, dass er von unserer Spende ein neues Handy bekommen habe. Ist uns recht, wenn er damit die größte Freude hat.
Wie geplant, begeben wir uns nach Røros, in die alte Kupferbergbaustadt, deren Stadtkern in die Weltkulturerbeliste der Unesco aufgenommen wurde. Die letzte Kupfermine wurde schon 1986 geschlossen, aber davor hatte man hier über 340 Jahre lang Kupfer abgebaut und verhüttet. Røros gehörte damals zu den größten Industriestädten Nordeuropas. Wir haben die beiden Hauptstraßen durchwandert und haben die alte evangelische Bergmannskirche angeschaut, sowie den sie umgebenden Friedhof, auf dem erstaunlicherweise viele unterschiedliche Pilze wuchsen. Dort gab es außerdem wilde blaue Glockenblumen und Klatschmohn, den ich schon lan­ge überhaupt nicht mehr gesehen hatte.
Nun peilten wir unser nördlichstes Ziel an, nämlich Trondheim, die alte Haupt- und Krönungsstadt. Sie war zwar nur noch 180 km entfernt, aber bei diesen Stra­ßen hängt sich das schon an. Wir legten noch eine Mittagspause mit Melone und Schinken, Avocadobroten und Kaffee ein. Gegen 18 Uhr erreichten wir unser Ziel, den Hafen der Stadt, wo ein Stellplatz für Wohnmobile („Bobil Center“) sein sollte. Aber dem war nicht mehr so. Wir mussten umdisponieren, was in einer Großstadt, in der man sich nicht auskennt, etwas beschwerlich ist. Wir schafften es dennoch, einen CP ausfindig zu machen, der leider ca. 10 km westlich außerhalb der Stadt, aber sehr malerisch am Trondheim-Fjord liegt. Nach einigen Mühen fanden wir den richtigen Weg und fuhren die kurvenreiche Straße am Meer entlang. Neben dem Fährhafen nach Fosen lag der weite, offene CP Flakk direkt am Meer. Der Receptionist Åge Olsen war sehr freundlich und erlaubte uns, uns selber einen Platz auszusuchen. Am besten gefiel uns eine Stelle unweit der Duschräume, ziemlich hoch gelegen, so dass der Blick frei bis zum Wasser war. Wir sind da zwar etwas dem Wind ausgesetzt, doch wenn es zu schlimm werden sollte, haben wir ja die Möglichkeit, uns ins Innere zurückzuziehen. Georg sitzt ohnedies meist drinnen, weil er seine Verkabelung braucht. Das Abendessen nehmen wir im Freien ein. Heute sind es Fischspieße mit Erdäpfelpüree und Lollo rosso. Ein Stück Käse schloss den Magen.
Es muss alles schnell gehen, denn dann kommt ja ein Universum über China im Fern­sehen. Ich freue mich über unsere neue Antenne der Marke Oyster, die es uns ermöglicht, österreichische Sender sogar in Norwegen zu empfangen. So sind wir am Laufenden über Geschehnisse weltweit und auch über den Stand des Wahlkampfes in Österreich, so dass wir nicht zu sehr überrascht sein werden, wenn wir im Septem­ber heim kommen. Wir hören auch die Wetterberichte und wissen, wie es zuhause am Wochenende sein wird. Ob es in Trondheim morgen auch regenfrei sein wird, werden wir erst an Ort und Stelle erfahren.

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Mittwoch 20.08 (0 km – per Bus unterwegs)
Heute war es in Trondheim den ganzen Tag trocken. Das Frühstück konnten wir im Grünen genießen. Georg hat zwar etwas über den zu frischen Wind geklagt. Man sagt jedoch, es gäbe kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
Wir sind um 11 Uhr zu Fuß zur Bushaltestelle gelatscht - mit dem Roller zu fahren, über 10 km auf sehr kurvenreicher Strecke mit ungenügender Schutzkleidung, wäre mir nicht recht gewesen. Wenn ich mich verkühlte, wäre mein Urlaubsvergnügen vorbei, und das möchte ich wirklich nicht aufs Spiel setzen. Die 15 Minuten Gehzeit haben uns nicht geschadet, dann hat uns der Bus bis ins Zentrum gebracht. Der Busfahrer war uns Touristen gegenüber sehr aufgeschlossen und wollte wissen, wie wir Fremden seine Heimat sähen.
In der City von Trondheim gingen wir zuerst in die Tourist-Info und dann gleich zum Nidaros-Dom, weil wir um 13 Uhr das im Führer angekündigte Orgelkonzert hören wollten. Doch auch das war abgeschafft. Wir besorgten uns die nötigen Eintrittskarten für die Kirche und wollten bis zu Beginn der Führung das Innere im Bild festhalten. Dies war nicht erlaubt, außerdem war der Kirchenraum so düster, dass die wenigen verstohlen gemachten Aufnahmen auch nicht sehr gelungen sind. Bei der englischen Führung erzählte man uns, dass der Dom, nachdem er 1290 vollendet war, schon 1328 einem Feuer zum Opfer fiel, dem später noch ein paar Brände folgten, so dass die Kirche für ein paar Jahrhunderte Ruine war und erst ab 1869 wieder ihr mittelalterliches Aussehen erhielt. Die Westfassade mit ihren 76 Skulpturen ist nun einzigartig, worauf die Trondheimer auch sichtlich sehr stolz sind.  Im Inneren sind das Taufbecken von Gustav Vigeland und die Glasfenster von Gabriel Kielland, sowie die 1930 von Frauen gespendete Rosette besonders erwähnenswert.
Nach einem kurzen Blick in das erzbischöfliche Museum gingen in die Cafeteria eines Einkaufszentrums, um einen norwegischen Mittagstisch („dagens middag“) zu probieren - es war nicht schlecht: wir bekamen Nudeln mit Schinken und Käse­sauce überbacken, leider ohne Salat, eine Creme und einen Kaffee um 110 NOK pro Person. Ich wollte noch gerne das größte hölzerne Haus Norwegens sehen, das sich eine reiche Witwe hat erbauen lassen und wohin dann auch die Könige zum Übernachten gekommen waren, weil es so schön war. Heute ist es im Besitz des Staates. Unsere Führerin war eine junge Schweizerin, die seit 8 Jahren mit einem Norweger verheiratet ist und einen 5-jährigen Sohn hat. Sie war besonders charmant, noch dazu, wo dies heute ihre letzte Führung für heuer war.
Vor 17 Uhr wollten wir noch in die Fischhalle, von der wir gelesen hatten. 10 Minuten vorm Zusperren konnten wir noch das ganze Verkaufsangebot sehen, was auf mich aber nicht immer positiv wirkte. Sie hatten dort noch große Fische und eine Riesenkrabbe, wie einen Hummer, die in einem Bottich mit zu wenig Wasser vegetierten, und auch sonst schien mir der Fisch jetzt am Abend nicht mehr begehrens­wert. Im Freien an Holztischen aßen wir dann eine Trondheimer Fischsuppe. Die war lecker: Lachsstücke, Crevetten mit Junggemüse und viel Obers in einer großen Müeslischüssel mit Butter und Brot. Ich konnte gar nicht alles aufessen, gab von meinem Brot auch noch einem Spatzen, der ein Abendessen suchte. Wieder mussten wir uns beeilen, weil Georg noch vor 18 Uhr eine Angelrute kaufen wollte. Hier in Norwegen darf jeder im Meer gratis fischen, und das möchte er gerne in den Fjorden ausprobieren. Für Flüsse und Seen braucht man eine eigene Karte für 190 NOK, um fischen zu dürfen. Ich befürchte nur, dass das ganze Drumherum teurer ist, als das, was wir uns durch die paar Fische einsparen. Aber wenn es ihm Spaß macht!
Bei der Rückfahrt im Bus zum CP Flakk haben wir noch zwei junge Bernerinnen kennen gelernt, die mit ihrem Rückengestell-Rucksack durch das Land ziehen. Sie haben bei uns am CP ihr Zelt aufgeschlagen. Beide studierten Psychologie.
Die Abendstimmung am Meer ist etwas enttäuschend. Der erwartete farbenfrohe Sonnenuntergang wird von dunklen Wolken verdeckt, und ich kann den eben erst wiederentdeckten Nightshot auf der Videokamera nicht ausprobieren. So schlendere ich noch einmal bis zum letzten Felsen am Meeresrand, sehe dort die Fähren einander abwechseln und schaue einem jungen deutschen Paar beim Fischen zu. Man merkt sofort, dass auch sie totale Neulinge auf diesem Gebiet sind, aber sie haben offensichtlich ihr Vergnügen dabei!
Kochen brauche ich heute nicht mehr, da Georg mit der Fischsuppe zufrieden war. Ich nehme mir noch ein Yoghurt, wasche meine Haare, mache Schönheitspflege (zumindest versuche ich es) und setze mich zum Bericht.

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Donnerstag, 21.08.  (203 km)
Diese Nacht war weniger kalt. Ich habe meinen Nierengürtel nicht ge­braucht; trotzdem mag ich nicht aus dem Bett, weil es da so kuschelig ist und sonst am Morgen doch sehr frisch. Die Sonne steht hier im Norden eher spät auf, wenn sie überhaupt erscheint. Das Meer sieht durchs Alkovenfenster so grau aus und kalt. Nun, im Bett herumkugeln kann man zuhause auch. Nützen wir die Zeit zum Besichtigen. Ich bereite unser Obst zum Frühstück vor. Es gibt ½ Mango, ½ Banane, 2 Zwetschken und ein paar Weinbeeren mit Kaffee, ausreichend Energie für den Tagesstart.
Vom CP Flakk fahren wir noch ein Stück den Trondheimer Fjord, dann den Ork­dals­fjord entlang bis Orkanger. Dem Meer entlang offerieren sich ununterbrochen neue malerische Eindrücke, die man mitnehmen möchte, aber während des Fahrens ob der Geschwindigkeit nicht immer optimal fotografieren kann. Wenn man nicht schnell genug ist, ist diese einmalige Gelegenheit für immer vorbei. So drücke ich halt immer öfters auf den Auslöser, denn löschen kann man ja allemal ohne großen Aufwand. Es besteht natürlich die Gefahr, dass man sich in den Bildern wiederholt, denn es gibt ja überall tolle Winkel, egal, ob es an einem Fjord oder an einem See ist, man kann es ja nicht immer gleich unterscheiden. Einmal liegen die Boote links und die Felsen ragen rechts heraus, nächste Straßenbiegung schaut es ein bisschen anders aus. Man weiß es wohl, aber man wird mitgerissen von den spontanen Empfindungen, von der Schönheit des Augenblicks. Es ist eben gerade Norwegen für diesen Reichtum an gewaltigen Naturformen bekannt, und da wir nun endlich ein­mal da sind, riskiere ich es, mich zu wiederholen.
Zwischen Orkanger und Vineøra liegen zwei Seen an der E39, und ab Vineørafahren wir immer wieder entlang des Arsundfjords. Man müsste Dichter sein oder Poet, um die Gegend adäquat beschreiben zu können. Es gibt Alles, was man sich ersehnt, hohe Berge, sanfte Hügel, schroffe Felsen, abgerundete Tafelberge, seichte Wasser, wo man oft das Gras oder Schilf heraus wachsen sieht, Stellen, wo Strudel wirbeln oder wo das Wasser steil bergab zischt. Man sieht schöne Yachthäfen oder einzelne Boote bei schön gepflegten Anwesen verankert, Stabkirchen, die kleine Dörfer überragen, noch stehendes reifes Getreide oder schon abgeerntete Felder. Häufig erblickt man ausgedehnte Weiden, wo viele Kühe oder oft eine Gruppe von Pferden grasen. So viel Sehenswertes folgt aufeinander und wird dadurch auch überlagert, man kann es im Einzelnen nicht mehr beschreiben, wenn man schon 10 Tage durch das Land rollt. Einfach ausgedrückt, man ist überwältigt von all dem, was Norwegen zu bieten hat.
Auch der Wohlstand der Einwohner fällt einem auf. Die Häuser sehen meist frisch gestrichen aus, und die Gärten sind voller Blumen. Die Leute, die man auf den Straßen sieht, sind geschmackvoll gekleidet und selbstbewusst, aber nicht übertrieben, sie zeigen eine natürliche Offenheit.
Während ich meine Eindrücke beschreibe, fällt mir auf, dass es immer mehr eine Lobrede wird. Ich empfinde es so! Natürlich habe ich auch hier Sandler und weniger attraktive Menschen gesehen, aber dies ist ein verschwindend geringer Prozentsatz. Auch die Anzahl der renovierungsbedürftigen Anwesen ist klein. Man merkt, dass überall erneuert und verbessert wird.
Eigentlich wollte ich von unserem Weg nach Kristiansund berichten. Das Wetter war sehr abwechslungsreich, wir hatten den Fjord entlang öfters kurze Regen­schau­er, dann lugte die Sonne wieder zwischen den Wolken hervor, so dass man sich gut vorstellen konnte, wie hinreißend es bei Sonnenschein sein müsste.
Von Halsa nahmen wir die Fähre, die uns in 20 Minuten nach Kanestraum übersetzte. Wir stiegen nicht mal aus dem Mobil aus, weil die Bordwände so hoch waren, dass man keine Aussicht gehabt hätte. Wieder an Land führte uns die E39 weiter über die nächsten zwei Inseln in Verbindung mit modernen Brücken und vielen Tunnel. Dann kam der große Tunnel, der den Fjord unterquert und 5,2 km lang ist. Leider haben sie nicht, wie die dänischen Tunnelbauer, das Licht zu Beginn ver­stärkt und erst später, wenn das Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, abge­schwächt, sondern den ganzen Tunnel sehr düster gehalten. Das ermüdet sehr, und zum Schluss geht es auch noch bergauf. Wir wussten schon von Sylvia, was uns bei diesem Tunnel erwarten würde, und waren froh, wieder draußen zu sein.
Nun waren wir also in Kristiansund. Man weiß ja, dass sie dort sehr viel Fisch- und Erdölindustrie haben, und das sieht man auch. Während des Krieges hat man die alten Häuser der Innenstadt zerstört, so dass einiges von dem Charme verloren ging. Die Stadt ist über drei Inseln verteilt. Zuerst fuhren wir einen CP in der Nähe des Sprungschanzenturms Storbakken außerhalb der Stadt an, der wild romantisch war, aber zu abgelegen. Sie hatten einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit offenem Kamin ! Im Stadtviertel Atlanter, mehr im Zentrum, fanden wir unseren Campingplatz für die Nacht.
Eigentlich hatten wir vor, noch etwas die Stadt zu besichtigen und vielleicht Fisch zu essen, aber es fing wieder einmal zu regnen an. So zogen wir vor, in unserem bequemen WoMo zu bleiben. Zum Nachtmahl gab es Linseneintopf aus der Dose mit gemischtem Gemüse vom Vortag und gebratenen Bauchfleisch­schnit­ten, sowie böhmische Knödel.
Der Fernseher hatte keinen Empfang, und so hatten wir einen ruhigen Abend.

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Freitag,22.08. (57 km)
Auch heute früh hatte es nur 12 Grad, und der Himmel war bedeckt, aber nach dem Frühstück war es wenigstens trocken. So nahmen wir unsere Räder und begannen unsere Erkundungsfahrt. Im Zentrum suchten wir vergeblich die Info, aber enteckten zu unserer Überraschung ein schönes Kulturhaus, wo sogar Oper von Laien gespielt wird. Es war geöffnet, und wir bekamen die Erlaubnis, uns allein das ganze Haus anzusehen. Das ist wieder ein Beispiel für norwegische Offenheit.
Anschließend suchten wir die moderne Kirkeland Kirke mit einer 30 m hohen Chor­wand aus Glasfenstern auf. Diese waren in sehr schönen Farbtönen ausgeführt und reichten bis in die Dachkonstruktion. Von außen sah sie aus wie ein mo­dernes Wohngebäude. Ohne es zu wissen, hätte man darin keine Kirche vermutet.
Unser nächstes Ziel war der Varden, ein schöner, weißer Aussichtsturm, den man auf den Ansichtskarten sah, von dem man eine gute Aussicht über die gesamte Stadt haben sollte, aber der Turm war aus Ersparnisgründen geschlossen, und Georg musste sich mit der Aussicht vom Hügel begnügen.
Bei der Rückfahrt ins Zentrum radelten wir an einem kleinen Park (Vanndamman) vorbei, wo verschiedenes Geflügel gehalten wurde. Wir sahen verschiedenfarbige Pfauen, zwei weiße Schwäne, einen Truthahn und natürlich Enten, wie überall im Teich. Alles wurde natürlich auf Speicherplatte festgehalten.
Nun ging’s zum Fischlokal Sjøstjerna (= ‚Seestern’) ins Zentrum. Leider entpuppt sich dieses als ein Abendrestaurant, das erst um 16 Uhr aufsperrt. Eigentlich habe ich genug von Kristiansund, das Fischereimuseum interessiert mich nicht wirklich, und ich möchte gerne weiterfahren. Georg willigt zwiespältig ein, wir kehren zum Campingplatz zurück, machen das WoMo reisefertig und zischen ab.
Wir benützen die Fähre nach Bremsnes auf der Insel Averøya, verkneifen uns einen Abstecher zu einer Stabkirche an der Küste und gehen in den nächsten Supermarkt, um Brot, Milch und ein paar Kleinigkeiten zu besorgen. Unsere ersten Ansichtskarten werfen wir auch ein.
Weiter geht es zum Atlanterhavsvegen(= Antlantikstraße). Ich habe mir vorher nichts darunter vorstellen können und bin nun ganz begeistert von den vielen Schären, der wild zerklüfteten Felslandschaft, bewachsen nur von Heidekraut, Grashalmen und weichem Moos, an denen sich die Brandung der Nordsee austobt. Ein tol­les gewundenes Brückengebilde verbindet zwei Halbinseln. Das Wetter passt auch, die Sonne hat sich durchgesetzt und schickt ihre wärmenden Strahlen, die wir so lange vermisst hatten. Wir machen kurz Rast, um unsere Aufnahmen zu machen. Da hören wir die Möwen wie wild kreischen und durcheinander fliegen. Ich nehme an, dass sie sich für einen gemeinsamen Flug verabreden würden, dann sehe ich, dass ein Fischer sie mit Innereien seiner Fangbeute füttert, und es ist der pure Futterneid, der sie so agieren lässt.
Georg bekommt nun auch Lust, seine neue Angel auszuprobieren. Was kann man sich Schöneres vorstellen, als diese Umgebung fischend und philosophierend in sich aufzunehmen. So spricht er den jungen Fischer an und lässt sich das Handwerk von ihm erklären. Dieser, ein Mailänder namens Andrea, ist nun tatsächlich so nett, nimmt sich die Zeit dafür und weist Georg sehr geduldig in das Metier des Fischens ein, obwohl sich seine Part­nerin Stefània schon mit dem Fang im Nylonsackerl ins Auto zurückgezogen hatte und nur noch darauf wartet, dass Mann und Kind (Arianna) auch kommen würden.
Ich nehme meine Kamera und beobachte und filme von weitem, wie sich die beiden anstellen. Es wird mir nur ein bisschen bange zu sehen, dass Georg es an die­ser Steilküste ausprobieren möchte. Denn wenn er einmal kräftig an der Angel zieht, könnte es ja passieren, dass er das Gleichgewicht verlöre und baden ginge. Mir ist es dort zu steil, um ihm gegebenenfalls herauszuhelfen, und das Wasser wäre auch zu kalt. Kann er sich nicht irgendwo an einem bequemeren Ort niederlassen ? Nun nach einer halben Stunde scheinen sie, Erfolg gehabt zu haben: mit einem kleinen Fisch (‚mer­luzzo’, Dorsch) in der Hand klettern sie hoch. Georg führt das kleine Mädchen an der Hand. Für seine Geduld und Nächstenliebe hat sich der Mailänder Entomologe (Käferspezialist) zumindest eine Flasche Rotwein verdient, über die er sich sehr freut. Diese junge Familie ist echt liebenswert und wird im Bilde fest­ge­halten.
Allein gelassen, versucht mein Bester, von der nächsten Brücke zu fischen und findet dort wieder eine Dame, die ihm behilflich ist, beider Angelschnüre zu entwirren. Ich nütze diese Pause im WoMo zum Schreiben, da ich immer im Rückstand bin; ich bin aber dann doch froh, als Georg zurückkommt, denn es wird durch die Meeresbrise schon kühl, und ich möchte das Tageslicht nützen, um noch mehr von dieser schönen Umgebung zu sehen.
Der Atlanterhavsvegen ist viel zu früh zu Ende, sehr zu unser beider Bedauern. Am liebsten wären wir ihn nochmals zurückgefahren. Wir kehren aber doch nicht um, sondern dieseln weiter bis zu dem Fischerdorf Bud.
Dort auf dem Parkplatz steht neben uns ein Minibus mit Wiener Autokennzeichen – die Besitzer hätten wir gerne kennen gelernt. Mein Giorgio ist noch immer auf der Suche nach einem Fischlokal. Abendstimmung liegt über dem Dorf, die milde Sonne bringt die farbigen Häuser so richtig zur Geltung, die Oberfläche des Wasser ist ganz ruhig, so sieht man die Spiegelung der Boote und Bäume ganz klar. Man spürt die Stille direkt.
Da kommt das Ehepaar aus Wien gerade zurück. Sie erzählen uns von ihren Erlebnissen an der Südküste und dass sie in Bergen, das sonst die meisten Regentage aufweist, herrliche Sonnentage genossen hätten. Wir beneiden sie, freuen uns aber auf die kommenden Tage an der Küste, und gehen dann jeder unserer Wege.
Ich brauche etwas Bewegung und wandere den Hügel auf den Damm hinauf, wäh­rend Georg das WoMo als Transportmittel benützt. Die Kirche Buds liegt auf mei­nem Weg, leider ist sie schon geschlossen. Oben am Kamm entdecke ich das Fremdenverkehrsbüro mit Restaurant. Die Angestellte scheint in Eile und will schon schließen, denn die Saison wäre schon vorbei. Einen Lageplan und Infos über die Fischlokale kriege ich doch noch, denn sie selbst kochen nicht mehr aus.
So schlendere ich weiter über die Wiesen und entdecke einiges Überraschende. Unter der Grasdecke dieses Hangs versteckt liegt noch eine ehemalige Bunker­anlage der Deutschen Wehrmacht, die die Norweger wieder instandgesetzt haben und als kriegshistorisches Museum vermarkten. Das ganze Unternehmen wird aber neu verwaltet und soll 2010 wieder in Betrieb genommen werden. Man sieht Bunker, Kanonen und einen Riesenscheinwerfer auf der Wiese stehen, der Rest ist untertage. Mich interessiert mehr die schöne Landschaft und die Aussicht auf das Meer mit den vielen kleinen Inseln. Das Gras und das Moos sind weich, um darauf zu gehen und es duftet frisch, vermengt mit der Meeresbrise. Da sehe ich Georg wieder, der von der anderen Richtung den Hang hochgekommen ist. Er studiert aber die Bunkeranlage mit den Operationsräumen und der Kommandozentrale, so tren­nen sich unsere Wege erneut und wir begegnen einander wieder in dem von der Fremdenberaterin empfohlenen Fischrestaurant am Meeresstrand.
Das Lokal ist einfach, aber geschmackvoll eingerichtet; wir ziehen die besonnte Terrasse vor, da wir die ‚Liesl’ solange vermisst hatten. Es tut einfach gut, die angenehme Wärme auf der Haut zu spüren. Die Wirtin kümmert sich sehr aufmerksam um uns, ich bestelle eine Fischsuppe, und Georg lässt sich alle Fischsorten erklären, die auf der Speisekarte vorhanden sind. Endlich ordert er solch einen Exoten mit Pfeffersauce. Das Essen ist gut zubereitet und schmeckt uns vor­züglich. Meine Suppe ist auf die gleiche Weise gemacht wie jene in Trondheim, nur fehlen die Lachsstücke. Aber mir reicht es auch so.
Das Haus wird von einem Osloer Ehepaar geführt, das früher in dieser Gegend nur seine Urlaube verbracht hatte, das aber jetzt, wo seine 4 Kinder erwachsen und selbständig sind, die Ruhe des Dorfes dem Lärm der Großstadt vorzieht. Die Wirtin gestattet, dass wir unser WoMo hinters Haus stellen und dort die Nacht ver­bringen. Dies ermöglicht mir, noch etwas auf den Felsen zu verweilen und ins Meer zu blicken und auch später den Sonnenuntergang oben vom Hügel aufzunehmen. Mit Fotoapparat und Videokamera experimentiere ich mit dem Licht­spiel der Wolken, den Felsen und den Fischerhäusern. Zufrieden mit dem Ergebnis schlendere ich dann wieder heim, die Zeit war gut genützt. Beim Schlafen gehen bin ich mir sicher, dass wir mit Morgensonne erwachen wür­den, was tatsächlich eintrifft.

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Samstag,23.08. (249 km)
Es ist zwar frisch – die Luft am Meer ist doch feuchter –, aber allein wenn die Sonne scheint, fühlt man sich viel fröhlicher. So machen wir uns auf, um Molde zu besuchen, die „Stadt der Rosen“. Sie macht diesem Namen alle Ehre, es ist wirk­lich jedes mögliche Fleckchen mit Blumen bepflanzt. Hauptsächlich Rosen, aber auch alle anderen, der Saison entsprechende Gewächse sind vertreten. Eine Blütenpracht, wie man sie in diesen Breitengraden nicht erwartet. Die Stadt hat eine sehr aufmerksame Verwaltung; alles ist hier sehr gepflegt. Da im 2. Weltkrieg die ganze Innenstadt zerstört wurde, gibt es lauter neue, zweckmäßige Bauten. Die markante, moderne Kirche mit sogar zwei Türmen können wir nur von außen bewundern; sie ist leider geschlossen.
Unvergesslich wird uns die Aussicht vom 400 m hohen Berg Varden bleiben. Er gibt den Blick frei über den Romsdalfjord und die rundherum liegenden 222 Gipfel. Ich habe sie nicht nachgezählt, aber der Führer behauptet es so. Manche Berge sind noch schneebedeckt, andere von Wolken umgeben. Man steht dort oben und staunt einfach. Bei der klaren Sicht heute braucht man eine Weile, bis man Alles erschaut hat. Dann muss man sich setzen und schaut weiter. Die Lämmer springen herum, die Vögel zwitschern. Erika wächst zwischen den Gras- und Moosbüscheln.
Augenblick, verweile doch, Du bist so schön! Ich muss mich lösen, Georg hat schon den Motor des Elf angelassen. Elf haben wir das WoMo zur Erinnerung an Georgs Erbtante Elli bzw. Elf(riede) getauft – es muss doch einen Namen haben, wenn es uns so weit durch die Welt trägt!
„Es erwartet dich noch viel Schönes heute“, sagte Giorgio, „aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Tunnel, eine  Fähre von Solsnes nach Åfarnes und weiter nach Andalsnes,das im 2. Weltkrieg total zerstört wurde und sich durch den ge­lunge­nen Wiederaufbau jetzt zu einer Touristenstadt, die auch gerne von Kreuzfahrtschiffen angefahren wird, entwickelte. Zufällig treffe ich wieder auf die bei­den Oldies aus Stavánger, Die wir auf dem Varden oberhalb von Molde kennengelernt hatten, und wir grüßen einander freundlich.
Weiter geht’s zum Trollstig(sveg)en, mit Sicherheit eine der schönsten Serpentinenstraßen Europas. Schäumend bahnt sich der Valdola seinen Weg durch die tiefe Schlucht Gud­brands­juvet. Die Landschaft wird immer rauer, riesige Felswände bauen sich auf. Wasserfälle von der Schneeschmelze stürzen herunter. Manche Wände glänzen vor Nässe im Sonnenschein. Wir bleiben immer wieder stehen, um zu filmen und zu fotografieren. 800 Höhenmeter führen uns die Serpentinen hoch. Immer wieder muss man für ein breites Fahrzeug zur Seite ausweichen, gottlob begegnen uns heute keine Busse.
Oben auf dem Plateau gibt es einige Buden mit Souvenirs, darunter vor allem Trol­le, die  nordischen Zwerge mit den Grimassen, groß und klein, alt und jung. Überall auf den Felsen sind Türmchen aus Steinen aufgebaut, was ich eigentlich als tibe­tischen Brauch kennen gelernt habe. Es verwunderte mich, so viele davon hier zu sehen. Dabei tut man es hier, um die Trolle zu besänftigen. Ein liebenswerter Volksglaube.
Ein reges Treiben herrscht hier auf dem Pass, heute an dem schönen Sommertag nützen auch viele junge Motorradfahrer die Gelegenheit, sich sportlich zu betätigen. Überall hört man Kameras klicken. Die Fahrgäste einiger Busse stehen bereit zum Einsteigen da, als plötzlich zwei Schafe mit lautem Blöken durch die Menge laufen. Suchen sie ihre Herde ? Haben sie sich verlaufen ? Einige Touristen versuchen, ihre Aufmerksamkeit zu erringen und ihnen zu helfen. Doch sie flüchten wieder verwirrt.
Wir treffen ein drittes Mal das Ehepaar aus Stavanger. Sie freuen sich offenbar über eine Gelegenheit zum Tratschen und erklären mir die Namen der Gipfel, die sie 1962 selbst bestiegen hatten. Der alle überragende sei der Bischof, links von ihm die Königin etc. Die Rückseite der Felswand sei der Trollveggen (= Troll­wand) zwischen Andalsnes und Horgheim in Romsdalen.
Wir gehen dann ein wenig spazieren und  setzen dann unsere Fahrt an Bergseen und mit Wollgras bewachsenen Wiesen vorbei hinunter nach Valldal fort, wo wir an den Storfjorden kommen. Über Stordalen, Vagsvik und Sjøholt erreichen wir am Abend Ålesund, wo uns am CP Prinses ein sehr vifer Wirt begrüßt und wir uns ein hübsches Plätzchen am Wasser aussuchen. Man merkt das Wochenende – es sind viele Gäste am CP, meist Familien, die oft noch lange bei kleinem Licht im Freien sitzen und sich sichtlich wohl fühlen.

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Sonntag,24.08. (130 km)
Heute ist Sonntag, wir haben Brötchen bestellt für ein reichhaltiges Früh­stück, wie Georg es liebt. Da die Sonne auch gut gelaunt ist und uns ihr bestes Gesicht zeigt, hole ich den Tisch und die Sessel heraus und bereite alles vor. Leider sind die Eier zu weich, für ein Sonntagsfrühstück bin ich nicht so geeignet. Früher haben es zu­hause unsere Kinder hergerichtet, jetzt macht es Giorgio, wenn wir daheim sind. Gut, dass es nur einen Sonntag pro Woche gibt. Es schmeckt trotzdem, mit Blick direkt auf das Meer ist alles wunderbar. Ich bin ganz happy und möchte gerne bleiben, faulenzen, den Elf etwas gründlicher pflegen – wir wohnen jetzt schon sechs Wochen darin – und erst am Nachmittag die Stadt mit den vielen Jugendstilhäusern angu­cken, dann meinen Bericht à jour kriegen und endlich einmal schwim­men, hier wäre es gut möglich. Am Wochenende sollen sich die Anderen auf den Straßen und bei den Sehenswürdigkeiten drängeln. Wir haben ja die ganze Woche zur Verfügung.br> Doch Georg macht mir einen Strich durch den schön ausgetüftelten Plan. Er hätte schon Programm gemacht, und wir müssten heute nach der Stadtbesichtigung noch  den Geiranger Fjord sehen etc., etc. Widerwillig gebe ich nach, ich sehe ja ein, dass wir nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung haben, ich bin aber sauer. Nachdem die Stadt Ålesundmir doch nicht diesen Kunstgenuss bot, den ich mir erwartet hatte, ausgehend von Werken von Hoffmann, Olbrich, Kolo Moser und davon, was ich von der Fjellstua (= Bergstube) auf dem 70 m hohen Stadthügel aus gefilmt hatte, bin ich noch mehr enttäuscht, besonders wenn ich dann an die Naturschönheiten vom Vortag denke, die ich erst einmal setzen lassen und verarbeiten will. Was soll diese Überlagerung – es kann Alles, was ich heute sehe, keine Steigerung mehr bieten. Ein Geiranger Fjord verdient es aber, gewürdigt zu werden. Ich bin unzufrieden mit mir und der Welt. Warum lässt man mir den Ruhetag nicht, meine Augen tun weh, ich will einmal nicht fotografieren. Ich will meine Seele baumeln lassen!!
rotz guten Willens schaffe ich es nicht mehr, diesen Missmut zu unterdrücken und ... werde immer grantiger. Ich ziehe mich zurück. Das ist auch nicht recht! Und jetzt erst kommen meine Stacheln heraus, wer meine begründete Meinung nicht respektiert, der muss es büßen. Die Stimmung ist hin, der Abend ist verdorben!
Hätte ich nur meine Sonntagspause gehabt ! Wie jeder Reiseroutinier weiß, hätte ich meinen Stress vom ewigen Serpentinen Fahren abbauen können – der Beifahrer sitzt ja stets auf der Seite des Abgrunds und sieht immer hinunter, und es dreht und es dreht, man stemmt sich immer dagegen und fällt von einer Seite auf die andere... Alles schön und gut: wenn ich es einen Tag mache, genieße ich es, einen zweiten Tag auch.  Aber jetzt sind es schon fast zwei Wochen. Ein Gipfel am Tag, schön, herrlich! Aber nicht rauf und runter, ohne dazwischen ausreichend Bewegung zu machen. Auch das Schönste wird monoton, wenn es nicht durch Abwechslung unterbrochen wird.
So, jetzt habe ich mir das von der Seele geschrieben und hake es damit ab. Ab mor­gen wird genauer und gemeinsam geplant, nicht immer nur laufen lassen.
Wir fahren nun ein Stück der gestrigen Strecke zurück und gelangen über Stordalen nach Linge, wo wir mit der Fähre nach Eidsdalen übersetzen. Dann geht’s wieder den Ørneveien (= Adlerweg) bergauf. Bei der ørnesvingen (= Adlerkurve, -kehre), einer Kurve mit Parkplatz, von wo man den Geiranger Fjord schön überblicken kann, warten wir etwa eine halbe Stunde in der Hoffnung, die Sonne würde dann hinter einem Berg wieder hervorkommen und den Fjord beleuchten. Ohne sie wür­den wir nun mal keine ‚gescheiten’ Aufnahmen zustande bringen. Wir warten vergebens, fahren dann hinunter und steuern den ersten CP an. Er lag unten vor der Stadt Geiranger direkt am Wasser. Georg hat mir hier einen Ruhetag versprochen. Okey!

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Montag,25.08. (105 km)
Am Morgen legt sich die Sonne auf die gegenüberliegende Bergwand, unser CP liegt total im Schatten. Es kommt immer wieder ein stürmisches Lüfterl auf, das uns die Decke vom Frühstückstisch weht. Das Wasser schaut dunkel und kalt aus. Kein Wunder, es fließt ja auch ein durch die Schneeschmelze oben entstandener Bach hinein. Wie soll ich hier schwimmen, faulenzen im kalten Wind ?? Hier will ich keinen Ruhetag verbringen. Hier passt es nicht!
Wir fahren ins Zentrum des Fremdenverkehrsortes Geiranger, besorgen uns Bargeld – mit unseren Bankomat- und Kreditkarten ist das gar nicht überall möglich! –  und kaufen ein wenig ein.
Ich bin jetzt bereit, zu unserem nächsten Programmpunkt mitzufahren, um dort an einem geeigneteren Ort der Ruhe zu frönen. Das heißt also, es geht wieder bergauf über den nächsten Pass, anders kommen wir hier nicht hinaus. Okey, gut ausgeruht und mit gutem Willen, halten wir es wie gewohnt. Wir rollen und fotografieren und fotografieren. Georg fährt immer weiter hinauf, immer steiniger wird es, immer mehr Felsen, immer mehr Geröll und Schnee. Immer mehr Wolken zeigen sich am Himmel, es schaut nicht mehr freundlich aus. Immer wieder kommen Sturmböen auf. Wir versuchen ein paar Mal, ein ruhiges Plätzchen für die Mittagsrast zu finden. Bei der Djupvasshytta ist der Generator zu laut, zweimal bitte ich Georg, weiterzufahren und einen stilleren Platz zu suchen. Neben einer Tunneleinfahrt finden wir eine durch Bergwand und Bäume geschützte Stelle. Wegen der abgekühlten Temperatur mache ich mit Käse überbackene Fleischbrote und einen gemischten Salat. Wir essen mit gutem Appetit, es ist schon wieder 15 Uhr. Am Bergfuß angekommen wenden wir uns Richtung Stryn, am großen Stryn­vatnet vorbei, ein Stück dem Innvikfjorden entlang, dann eine Nebenstraße nach Süden, wohin? Ja wohin eigentlich? Zum Gletscher Briksdalsbreen möchte er noch rauf, den müsse man gesehen haben. Und das soll ein Ruhetag sein? Man verstehe, wie meine Laune umschlug. Schon wieder, rauf und runter, rauf und runter. Ich streike! Nicht zwei hohe Berge an einem Tag.
Nun sind wir da am CP Oldevatn (= Oldener See) am gleichnamigen See. Der Regen klopft auf unser WoMo-Dach. Ich habe für erste Mal unser Backrohr ausprobiert. Es funktioniert aber äußerst langsam oder schwach, wie man es will, so habe ich das Fleisch mit den Karotten und Zwiebeln in den Griller getan. Es riecht schon gut, die Nudeln sind fertig, so werden wir den Abend gemütlich beschließen und morgen, sofern es das Wetter zulässt, zu dem Gletscher wandern.

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Dienstag, 26.08. (163 km)
Kaum zu glauben: die Sonne lacht vom Himmel und taucht diesen herrlichen Oldevatn in ganz mildes Morgenlicht. Man merkte natürlich schon ge­stern die Idylle dieses Platzes, aber jetzt könnte man es Paradies nennen. Es ist ganz ruhig auf dem Platz; der alkoholisierte Russe mit seinem BMW hat sein Zelt schon abgebaut und ist abgereist. Die beiden netten jungen Rotterdamer schlafen noch, und sonst ist auch noch niemand zu sehen.
Die kleine Birke neben unserer Sitzgruppe vor dem WoMo wiegt sich leise in der Brise, das Gras ist noch nass, und das türkisfarbene Wasser des Sees kräuselt sich leicht. Wenn nicht von allen Seiten das eisige Schmelzwasser in den See flösse und stellenweise, wie man es am Rauschen des nahen Wassers hört, auch strömte, wäre man (ich) versucht zu schwimmen. Ich will jedoch keine Verkühlung riskieren und nehme daher die Kamera, um auch den oberen Teil des Gewässers jenseits der Brücke zu erkunden und zu filmen.
Wir frühstücken noch gemütlich, lassen die Umgebung auf uns wirken und plaudern mit den Holländern bis knapp vor 12 Uhr .
Georg lenkt in Richtung Briksdal auf der recht verbesserungswürdigen engen Landstraße. Schon von weitem sehen wir den beeindruckenden Gletscher und bleiben wiederholt zum Fotografieren stehen.
In Briksdal gibt es einen großen Parkplatz, für dessen Benützung man 50 NOK berappen muss. Dort bekleiden wir uns „berggerecht“ und machen uns auf den Weg, der uns bergauf durch einen lichten Birkenwald führt. Mittendrin sieht man immer wieder gewaltige, bemooste Felsen, die da einmal heruntergerollt sein müssen. Manche schauen auch jetzt von unten so ausgewaschen aus, dass man lieber rasch vorbeigeht. Den Pfad entlang schäumt wild der Gebirgsbach, die Weiterführung des Wasserfalles. Es macht den Eindruck, als spränge das Wasser übermütig von Felsen zu Felsen.
Wir steigen langsam auf, zwischendurch immer wieder verschnaufend, besonders wenn die „Trolle“ an uns vorbei zischen. „Trolle“ heißen hier die Taxis zum Gletscher für jeweils sechs Personen, die pro Kopf und Nase 180 Nok hinblättern müssen; das war meinem Besten zuviel, und so kom­men wir zumindest zu einer Bergwanderung in Norwegen. Wir kommen an einer Stelle vorbei, wo das Wasser einige Meter frei fällt und dann auf die Felssteine aufprallt, Gischt und dann ganz feinen Sprühnebel erzeugt, das bleibt uns allen vor Staunen den Mund offen. Dass dabei die Haare nass werden, stört mich weniger, aber dass die Brille beschlagen wird und ich auch meine Kamera vor der Feuchtigkeit schützen muss, also schlecht filmen kann, wird mir zum Problem.
Wir klettern weiter, sehen, wie zufrieden die Leute aussehen, die schon zurück­kom­men, was uns natürlich anspornt. So viele Menschen wie hier sieht man sonst nur in einer skandinavischen Großstadt, und das an einem Wochentag. Alle wollen diese dicke Gletscherzunge sehen, die sich durch die starken Niederschläge der letzten Jahre extrem weit vorgeschoben hat. Man hört, es sei der größte Gletscher Europas. Auf Hinweistafeln wird des öfteren auf die Steinschlaggefahr aufmerksam gemacht - diese mächtigen Blöcke wirken auch entsprechend bedrohlich.
Langsam erreichen wir die Höhe und müssen erst einmal durch zwei enge Felsen­tore hindurch, um dann endlich vor dem kleinen Gletschersee zu stehen, verblüfft und entzückt ob der Erhabenheit der Natur. Ich blicke rundum und nehme die Weite in mir auf und bin beeindruckt von dieser gewaltigen Gletscherzunge des Briksdalsbreen, die sich da herunter lässt. Wie viele Tonnen mag sie wohl wiegen ?! Die Sonnenstrahlen ergießen sich über den See und über den Strand. Ich setze mich auf einen Felsen nieder, wie so viele andere Besucher auch, und sauge alles in mich ein, bevor ich filme.
Georg möchte hier noch verweilen, bis die Sonne voll über die Gletscherzunge strahlt, damit die bläuliche Farbe noch mehr herauskommt, und da willige ich gerne ein und entspanne mich vollkommen.
Nach einer halben Stunde, als der Po am harten Felsen zu kalt wird, machen wir uns doch auf den Rückweg, wissend, dass wir auch noch im Tale die Gesamtansicht heranzoomen können. Der Abstieg ist eine Freude, man ist beschwingt, sieht alles nochmals, merkt jetzt erst die Schafherde, die blökend und miteinander rangelnd herumtollt, entdeckt den herrlich idyllischen Jausenplatz beim grasbedachten Häuschen unter den Jungbirken. Leider haben wir keine Jause mit, um sie dort genüsslich zu verspeisen.
Wir kommen wieder zum großen Wasserschauspiel, wo man am Tosen die geballte Kraft verspürt und gut begreift, dass auf solche Weise durch die Jahrtausende tiefe Täler in Bergrücken eingeschnitten wurden. Jetzt, wo die Sonne darauf scheint, wirkt alles noch kraftvoller. Man sieht einen Regenbogen, der sich im Sprühnebel formt und einem eine Weile begleitet, je nach Blickrichtung und Lichteinfall. Immer wieder  nehme ich die Kamera heraus, die ich schon glaubte, verstauen zu können, weil ich ja beim Aufstieg schon alles gesehen hatte. Nein, es ist doch immer anders, man glaubt nicht, soviel Schönheit fassen zu können. Zauberhaft!
Beim Elf angekommen, nehmen wir mit viel Appetit unser Mittagmahl ein. Wenn wir schon den Parkplatz für den ganzen Tag bezahlen müssen, wollen wir ihn  auch nützen.
Zurück müssen wir wieder die enge Landstrasse bis Olden, über Karistoja, wo wir, weil es inzwischen genieselt hat, erneut einen großen Regenbogen über das ganze Tal gespannt sehen, und wir trauen unseren Augen nicht, da ist  ja noch ein etwas schwächerer, aber doch ein Zweiter.
Georg will fischen, und das im Meer, weil er sonst auch noch eine Fischerkarte bräuchte, also müssen wir weiter düsen, bis wir wieder an einen Fjord kommen. Es wird der Sognefjord sein, das bedeutet wieder einige Tunnel, eine kurze, aber teure Fähre von Hellmann nach Fodness. Jetzt sind wir am größten und tiefsten Fjord, der selbst im schmalsten Seitenarm mehrere hundert Meter tief ist. Nahe Badestrand (so heißt der Ort !) erreicht er die sagenhafte Tiefe von 1380 m!!
Wir finden den 4-Stern-CP  Kjørnes in Sogndal direkt am Fjord. Schon während der Fahrt ist mir kalt geworden, und ich habe einige Male geniest. Beim Fotogra­fieren muss man die Scheiben runter drehen, wobei starke Zugluft entsteht, die meiner Halswirbelsäule nicht bekommt. Es beginnt auch wieder zu regnen, im Landesinneren ohne Golfstrom ist es anscheinend doch um einige Grade kühler. So ziehe ich mich gerne in den Elf zurück, auch um die guten, rohen (rå) Scampi nach Gernots Rezept zu braten. Das wird ein Festmahl. Dazu ein fertiges Risotto und ein Glas Weißwein!!

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Mittwoch, 27.08. (113 km)
Ich schaue morgens durch das Alkovenfenster – brrr: grau, diesig, kalt. Ich glaube, es hat nur 9 Grad. Da will ich gar nicht unter der Decke hervor. So praktisch läge dieser Platz, mit einem seichten Zugang ins Wasser, ideal zum Schwimmen. Wenn ich mir aber diese Gipfel rundum betrachte, wo noch einige von Schnee bedeckt sind, dann vergeht mir jede Lust dazu. Da will ich nicht mal raus aus dem Bett!
Ob es Georg da zu fischen Spaß macht? Er probiert es nach dem Frühstück, und ich setze mich zu meinem Bericht. Nach einer Weile möchte ich ihn gerne bei seiner Aktion filmen und schaue hinaus, da steht er stinksauer vorm WoMo mit einer total verhedderten Angelschnur. Er hatte die Angel so schwungvoll ausgeworfen, dass sich hoch oben in den Ästen eines Baumes verfing. Abgesehen von seinem abgerissenen silbrigen Köderfisch gibt es doch keine Fische auf Bäumen! Nach einiger Zeit kann ich nicht mehr zusehen und helfe ihm, die Schnur wieder zu ent­wirren. Als wir es hingekriegt haben, merke ich, dass es fast Mittag ist – wir müssen einpacken. Gesagt, getan, und wir sind wieder auf der Straße.
Nun müssen wir wieder über ein Gebirge in Richtung Kaupanger, wo es eine Stabkirche aus dem 12. Jh. gibt, die im 17. Jh. umgebaut wurde. Allerdings ist sie innen eingerüstet, und dafür ist uns selbst der halbe Eintrittspreis zu hoch, und so fahren wir gleich zur Fähre von Mannheller nach Fodnes über den Årdalsfjord weiter.
Unser nächstes Ziel ist nämlich die berühmte Stabkirche von Borgund. Wir hätten erst vor dem Lærdalstunnel nach Osten abbiegen sollen und tun das irrtümlich bereits vor dem ersten Tunnel. Eine Abbiegung zu früh, und wir waren – „außer Programm“ – schon in ein richtiges Abenteuer unterwegs. Leider haben wir unseren Irrtum erst 25 km spä­ter bemerkt. Zurückzufahren wäre auch nicht lustig gewesen; über Tyin sei es gleich weit, sagte uns ein Passant.
Ab Övre Årdal waren wir schon wieder bergauf unterwegs. Wenn der Him­mel un­be­wölkt gewesen wäre, wäre das ja ein Vergnügen gewesen, doch dicke Tropfen fielen aus den vielen, vielen dunklen Wolken vom Himmel. Es ist grau und verhangen, meine Stimmung passt sich an. Nicht missmutig, aber auch nicht fröhlich.
Es ist, wie es ist!
Die Tunnel sind oft kurz und unbeleuchtet, bisweilen sogar gedreht wie eine Kehre, die Straßen sind mies, die Ränder oft abgebrochen, und ich glaube immer, Georg würde mit dem schwankenden Aufbau abrutschen. Immer wieder Baustellen, sogar im Tunnel. Es ist nicht lustig. Wir bleiben öfters zum Fotografieren stehen. Die Landschaft ist rau, große und kleine Felsen liegen herum, Felswände bauen sich auf. Durch den vielen Regen ist alles saftig grün, oft voll Moos und dazwischen helle Flechten oder Irish Moss, wie immer man es nennen will. Wasser in Form von kleinen Tümpeln, Teichen, Rinnsalen oder Flüsschen, alles ist gut durchnässt.
Nach einem Fotostop vernehmen wir beide plötzlich ein beunruhigendes, immer wieder kehrendes zyklisches Geräusch, das nicht sein soll und nicht sein darf  ! Ich steige aus und schaue nach, ob ich die Ursache erkennen kann. Ich bemerke nichts Störendes an den Rädern, weder links, noch auf der rechten Seite, weder beim Vorfahren, noch beim Zurückrollen. Wir schauen in der Garage nach, auch hier passt alles. Man hört es ja nur beim schnelleren Fahren, aber dann bedrohlich. Was tun? Beim Weiterfahren könnten wir etwas total ruinieren oder wir könnten in einem Tunnel liegen bleiben.
So suche ich die Telefonnummer des NAF (Norsk Automobil For­eningen), des norwegischen Partners des ÖAMTC, heraus. Georg kommt mit seinem Han­dy nicht durch; ich habe auf meinem nur mehr wenig Strom zur Verfügung. Aber ich schaffe die Verbindung, zwar nicht mit dem lokalen NAF, sondern mit deren Einsatzzentrale in Oslo. Dort erklärt man Georg, sie würden gerne jemand schicken, doch müsse dies über den österreichischen ÖAMTC angefordert werden. Es wird ein mehrmaliges Hin- und Hertelefonieren mit Wien, bis man unsere missli­che Lage begriffen hat. „Notfall – wir stehen am Pass eines Bergmassivs, dessen Namen wir nicht kennen, irgendwo zwischen Øvre Årdal und Tyinkrysset, wahrscheinlich auf dem RV 53. Der Fahrer vermute aufgrund des zyklischen Geräuschs, dieses stamme von der Kardanwelle oder vom Differenzial. Wir wissen nicht weiter, wir brauchen Hilfe ! Es hat nur 7 Grad, es regnet, es wird schon bald dunkel, und unsere Handyakkus werden langsam leer.“ Banges Warten, bis die Kommunikation zwischen Wien und den Norwegern klappt und sie eine Lösung finden.
Um die Zeit zu nützen, mache ich einen heißen Tee und Marmeladebrote, wir heizen auch etwas ein. Georg ist immer so sparsam mit dem Gas, weil man nicht gut erkennen kann, wie viel Reserve noch in den Gasflaschen ist. Gottlob, haben wir Alles, um im Notfall da zu übernachten. Wir schmökern etwas in unseren Reiseführern und Landkarten. Ich sehe zu, wie draußen der Nebel, oder wie Georg sagt, die Wolke, uns schrittweise einhüllt. Ein Naturereignis, das ich noch nie so deutlich erlebt habe. Zwischendurch gibt es des öfteren Anrufe, um den Stand der Entwicklung mitzuteilen. Nach einer Stunde meldet man, dass ein Tieflader den Auftrag habe, uns abzuschleppen. Ob unser Schutzbrief dies Alles abdecke, sei fraglich, denn die Höhe und das (tatsächliche…) Gewicht unseres Fahrzeuges überschritten die darin vorgegebene Größe. Nun, uns ist erst einmal wichtig, dass etwas passiert; wie das finanziell gelöst wird, kann man wohl später diskutieren.
So geschieht es auch. Der angesagte Abschleppwagen mit einer etwa 1 m hohen Ladefläche, also kein Tieflader, erscheint. Wir sind sehr erfreut darüber und bedanken uns für sein relativ schnelles Kommen. Der Norweger hat ein gutes Auftreten, spricht fließend Englisch und schaut gepflegt aus. Die beiden Männer nehmen das Problem gemeinsam in Augenschein: Georg fährt das WoMo vor und zurück, der Fachmann schüttelt den Kopf, er hört zwar das Klopfen, erkennt aber den Grund erst auch nicht. Die Kardanwelle sei es nicht, auch nicht das Differen­zial. Schließlich entdeckt er eher zufällig einen großen Stein, der in den Zwillingsreifen eingeklemmt ist. Er muss ihn mit seinem Abschlepphaken herausziehen, da er so tief und fest drin stak. Welch einfache Lösung unseres Problems!
Egal, wie dumm wir jetzt dastehen, wir sind beide sehr erleichtert, dass unser Elf nicht in die Werkstätte muss und wir keinen Zeitverlust dadurch erleiden – und keine zusätzlichen Reparaturkosten. Ich nehme den Stein als Souvenir in Empfang – wir werden ihm zuhause ein Ehrenplätzchen auf Georgs Schreibtisch zukommen lassen. Giorgio begleicht inzwischen mit Kreditkarte und wird in Wien die Spesen vom ÖAMTC zurückfordern. Wir schenken dem Helfer noch eine Flasche Ettl-Rotwein und verabschieden uns herzlich.
Inzwischen ist auch der Himmel ziemlich aufgeklart, die Wolken haben sich wieder aufgelöst, und klarer Himmel lugt hervor. Die Hütten rundum werden wieder sichtbar. Wir merken, dass wir neben einem Gebirgssee Halt gemacht hatten, und verstehen nun auch, den Zweck der vielen Hütten. Jetzt haben wir wieder Zeit und Interesse, uns mit unserer Umwelt auseinander zu setzen, und genießen es wieder.
Langsam rollt unser Elf den Berg hinab, wir bleiben oft stehen, weil für uns jede Kleinigkeit jetzt wunderbar ist, und genießen die Abendstimmung. Alles schaut irgendwie besonders aus. Die Felsen und Steine leuchten in einem ungewohnten Grünton, wie in Kreta einst das Lavagestein. Dazwischen die herrlich sattgrünen Moose und die hellen, großräumigen Flechten. Ein Bild für Götter!
Wir fahren nicht mehr weit –  wir sind von all den Ereignissen doch müde und ausgelaugt und reagieren spontan auf den Hinweis zu einem CP Maristua in einem Weiler, 20 km vor Borgund. Dieser Platz ist äußerst einfach angelegt, alles egal, es regnet schon wieder, und wir wollen nur mehr unsere Ruhe und ein warmes Nachtmahl. Es gibt Truthahnschnitzel mit gekochten Weizenkörnern und gemischtem Salat, außerdem vom Georg selbstgepflückte Heidelbeeren mit Joghurt. Und der Regen tropft und klopft auf unser Dach. Alles egal, wenn es nur morgen wieder freundlicher aussieht.

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Donnerstag, 28.08. 228 km)
Nicht sehr, aber es ist zumindest trocken. Unser Thermometer zeigt außen 7 und innen 11 Grad.  Da frühstücken wir erst einmal unsere Obstmahlzeit, bevor wir uns rauswagen. Heute gibt es 1 Kiwi, ½ Apfel, ½ Orange und eine Walnuss. Das Geschirr von gestern muss ich auch noch waschen - ich war gestern Abend einfach zu faul dazu. Dann unter die warme Dusche, einfach wunderbar. Es ist alles so sauber gepflegt hier.Jetzt setzen wir fort, was wir gestern angepeilt haben, den Weg nach Borgund. Komisch, dass wir die Stabkirche nicht im Ortszentrum finden, Dafür gehen wir dort einkaufen und bekommen dabei die richtigen Hinweise. Ein paar Kilometer außerhalb finden wir die alte, ehrwürdige Holzkirche, die im 12. Jh. von fahrenden Handwerkern gebaut wurde. Sie ist eine von den ältesten, heute noch erhaltenen 28 Stabkirchen.
Im Museum erfahren wir in einer Ausstellung, dass es einst 3.000 Kirchen dieser Art in Norwegen gab. Auch in anderen Ländern wurden sie damals nach dem selben Stil errichtet, doch nur in Südnorwegen wurden sie echt geschützt und erhalten.
Im Elf essen wir mittags heiße Knackwürste, die Georg heute im Supermarkt entdeckt hat, mit gemischtem Salat und begeben uns dann in den 24,5 km langen, (mautfreien !) Lærdalstunnel, der kurz nach 2000 eröffnet wurde. Man hat schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man da hineinfährt, aber man gewöhnt sich mit der Zeit an die Dunkelheit. Zur Erleichterung der langen Tunnelfahrt und um einen Koller zu vermeiden, baute man alle 6 km eine Bucht mit Parkplät­zen, die jeweils grün, blau und wieder grün beleuchtet sind.  Durch diese Abwechs­lung er­scheint es einem viel kürzer, aber man ist dann doch froh, nach 20 Minuten wieder draußen zu sein, und öffnet sofort weit die Fenster, um gute frische Luft ein­zuatmen.
Georg hatte große Lust, mit der Flåmsbane, der Eisenbahn von Flåmnach Myrdal, zu fahren, die da­für bekannt ist, innerhalb von 20 km 800 Meter Höhenunterschied zu überwinden und dabei auch noch 20 Tunnel zu durchqueren. Nun, warum nicht. Für mich war es kein solch erstrebenswertes Erlebnis, da ich in den letzten Tagen soviel Höhenunterschiede, Gletscher, steile Felswände, Wasserfälle und reißende Bäche erlebt habe wie sonst noch nie in meinem Leben. Aber ich will keine Spielverderberin sein. Der näch­ste Zug hinauf ist schon ausgebucht, man empfiehlt uns, auf gut Glück eine Stunde zu warten. Okey! Als unser Zug einfährt, ist die Menschenschlange schon unüberschaubar. Es kommen noch Busse und Gruppen dazu und es „wurlt“ nur so am Bahnsteig. Ob all die Leute in den Waggons Platz finden werden ? Die 8 Personen auf der Warteliste bangen. Ich bleibe cool. Es ist, wie es ist ! Ei­gent­lich wäre schon Abfahrtszeit, und Georg fragt, wie sie es damit hielten. „So pünktlich wie möglich“, war die lakonische Antwort. Plötzlich ist doch noch für Alle Platz – anscheinend wollte man die Spannung  erhöhen. Schließlich blieben in unserem Abteil sogar noch zwei Sitze frei.
Die Lokomotive pfeift und beginnt zu schnaufen. Die Insassen drängen sich an die Fenster, um Aufnahmen machen zu können. Heute geht es denen so, wie sonst mir, wenn ich während des Fahrens fotografieren soll. Sie werden viele Bäume auf den Bildern sehen, dort, wo sie sie nicht vermutet hätten. Ich bin ein stiller Beobachter, habe ich doch nur noch für zwei Minuten Filmmaterial, das ich während der Abfahrt vom einem Fensterplatz runterspulen will. Bei einem Wasserfall machen wir 5 Minuten Pause, wobei sich der Perron so schnell füllt, dass man mehr Menschen als sonst etwas auf dem Film bekommt. Nach 50 Minuten Fahrt erreichen wir die Endsta­tion. Dort wartet bereits ein Zug der Bergen-Bahn, in den etliche Passagiere umsteigen. Als eine der Ersten steige ich aus, um noch einen freien Blick auf den Pass zu erhaschen. Doch hier ist jede Menge von Strommasten und Leitungen, so dass mir die Lust zum Aufnehmen vergeht. Deshalb kehre ich in unser Abteil zurück und reserviere einen Fensterplatz. Georg geht es genau so, er belegt einen auf der gegenüberliegenden Seite, so dass wir wäh­rend der Talfahrt Zugang zu beiden Sei­ten haben. Doch es kommt oft anders, als man denkt: wir hatten die vielen Tun­nel vergessen…
Mitten während in einer Filmsequenz unterbricht mich solch ein Tunnel – man bedenke, dass 20 solche Unterbrechungen den Spaß etwas verderben können. Wir werden, sobald wir einmal Zeit finden, sehen können, was daraus geworden ist.
Wieder auf festem Boden, wenden wir unser „Bobil“, wie die Norweger ein Wohnmobil nennen, in Richtung Gudvangen, wo mei­ne bessere Hälfte gerne am Nærøyfjord, dem engsten aller Fjorde, fischen möchte. Als wir dort anlangen, geht es wegen Bauarbeiten nicht mehr weiter. Georg fragt einen Einheimischen, wie man zu dem Dorf komme, und dieser meint, das seien nur diese 7 Häuser um uns bei der Fährstation ! (Im Führer lese ich später, dass man eine Schiffsreise emp­fehle, um diesen Fjord richtig zu erleben.)
So fahren wir notgedrungen weiter. Der nächste Fjord an unserer Strecke beginnt laut Karte erst kurz vor Bergen. Die Landschaft zu beiden Seiten ist abwechslungsreich und natürlich schön, doch man kann nicht ununterbrochen bewundern. Man ge­wöhnt sich daran – undankbar, wie der Mensch eben ist.
Immer wieder schaue ich, ob ich nicht irgendein Fjördchen an der Straße entdecke, doch dann sehen wir wieder einen Abfluss, das heißt, es ist doch nur ein See, und Georg fährt weiter. Er gewöhnt sich an die Kurven, legt sich hinein und senkt lei­der die Ge­schwindigkeit nicht mehr viel. Immer wieder kommt ein Tunnel, über­raschend einer mit 11 km. Wie gut, dass wir den 24,5 km langen schon geschafft haben, jetzt kann uns kaum mehr etwas erschüttern. Sie hören aber nicht auf, diese Tunnel, kurze, lange, gerade, gekrümmte, hellere und düstere, die Augen werden müde durch den Wechsel von hell und dunkel. Dazwischen im Freien auch Kurven, an Seen, an Flüssen. Georg ist nicht zu stoppen, er tritt auf das Gaspedal und kurvt. Seit 50 km kein Hinweis auf einen Campingplatz, was soll das ?! Sonst kommt einer nach dem Anderen. Einmal glaubte ich, einen CP bemerkt zu haben, doch bis Georg zum Bremsen kommt, sind wir längst daran vorbei. Mir wird langsam übel, ich möchte mich erneut bewegen. 130 km unter solchen Be­dingungen, das zieht sich... Bergen naht schon, soweit wollten wir heute gar nicht fahren. Da endlich eine Anzeige, nichts wie hin, Fjord oder nicht Fjord. Nein, das Wasser sei ein See, sagt mir der Receptionist, aber er erlaube, dass mein Mann fische. Halleluja!
Als wir fix stehen und Strom haben, ist es 21.30 Uhr. Kein Wunder, dass wir müde sind und auch einen Riesenhunger haben. Erst mal ein bisschen Salami, damit wir etwas in den Magen kriegen und unsere Laune sich bessert, dann gibt es noch ein warmes Fertiggericht und ein Bier dazu. Dieser CP Haukeland hat den bisher höchsten Preis für die Übernachtung verlangt: 230 NOK, das macht sicherlich die Nähe zu Bergen. Aber dass man zusätzlich 10 NOK für eine Dusche berappen muss, wo man nichts regulieren kann, das finde ich stark. Die Nacht davor hatten wir 120 NOK ohne Dusche bezahlt. Hier gibt es keine geregelten Preise.

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Freitag,29.08. (57 km)
Heute morgen wache ich auf, schaue, denke nach, in welchem Ort wir eigentlich schlafen? Ich schaue beim Alkovenfenster raus und traue meinen Augen nicht: der See ist voller Nebelschwaden, die sich in drei Schichten aufteilen und zwischendurch die Berge erkennen lassen. Ein total mystischer Anblick – schnell meinen Trainingsanzug! Leider hat meine Filmkamera gestern gestreikt, so nehme ich Georgs Fotoapparat, der hat wieder keinen Akku drin. Nix als Hindernisse, inzwischen kann sich die ganze Morgenstimmung verändern. Endlich, es geht noch, ich schieße etwa 15 Bilder von der sich ständig verändernden Szenerie, von der Spiegelung der Bäume im Wasser trotz des Wasserdampfes, bis dann die Sonne ganz durchbricht und ich nicht mehr gegen sie aufnehmen kann. Ich bin happy. Solch ein Glück, dass ich zufällig zur rechten Zeit aufgewacht bin! Die Langschläfer wissen ja gar nicht, was sie versäumt haben.
Nach dem Frühstück, heute, unter der Woche gab es sogar Brötchen, weil ich in der Früh die Duschmarken holen musste, und Georg von mir so abrupt geweckt worden war. Eine Wiedergutmachung sozusagen. Nach dem Brötchenfrühstück versuchte Giorgio sein Glück beim Fischen. Da gab es aber wieder zu viele Algen, und zu seicht war der See obendrein. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal.
Nun wollten wir Bergen sehen und dort einen CP finden, was gar nicht so leicht war. Der eine war zu weit entfernt, den anderen gab es nicht mehr. Und auf einmal waren wir schon wieder in einem 3 km langen Tunnel, der uns zu dem nächsten führte, und wir wussten nicht mehr, wo wir eigentlich waren und was wir jetzt wollten. Da las Georg eine Straßennummer, von der er sich gemerkt hat, dass sie zu einem CP führe. Schicksal, dass wir dorthin sollen! Wir nahmen es an und fuhren die 20 km bis zum CP Skogtun in Skogen bei Fjell, am Schärengarten auf der Insel Sotra.
Die Umgebung so ist attraktiv und es ist auch schon Nachmittag  – zu spät für Museen und Kirchen in Bergen – und so beschlossen wir zu faulenzen. Nach den Bratwürsteln mit Apfel-Karotten-Salat ging Georg wieder fischen und ich Brombeeren pflücken und auf eine Erkundigungsrunde. Die wilde Erika blüht hier, formt kleine Hügel und setzt bunte Farbkleckse in die Landschaft. Die Brombeersträucher sind voll roter unreifer und blauer reifer Bee­ren, und ich bin vorsichtig, damit ich nicht zu oft hängen bleibe. Schnell habe ich meinen Becher voll; so gehe ich schauen, wo Georg fischt. Es ist nicht einfach, da hinunter zu gelangen. Der Weg ist teilweise voll Geröll und Felsen, außerdem geht es steil bergab. Langsam schaffe ich es und sehe meinen Besten unweit unseres Nachbarn stehen und die Angel aus­werfen. Damit nicht diesmal ich die Angel in die Haare kriege, klettere ich wieder hinauf, was schneller und besser geht. Meine Runde führt mich weiter über das Gelände und lässt mich ganz herrliche Flecken entdecken. Ein junges, Deutsch sprechendes Paar hat sich da eine versteckte Idylle gemacht. Sea-Camping heißt die Etage, wo die jungen Leute ihr Zelt hinstellten – für die Caravans wäre das Gelände zu uneben und zu bucklig. Aber die Aussicht von diesen Stel­len auf das Meer ist wunderbar und sehr reizvoll. Ein Gebiet für Pfadfindergruppen sehe ich auch, rich­tig urwüchsig zum Erforschen der Natur.
Man muss aber aufpassen, wo man hinsteigt. Manchmal ist der Boden sehr weich und nass und gibt nach. Einmal wäre ich fast in ein  Loch gestiegen, was mir für einen Maulwurf zu groß erschien, wer weiß, was da drin war.  Ein schön ausgetretener Pfad führt über Steinstufen zu einem Fischerhaus, davor liegen zwei Boote mit Rudern. Man warnt die Fremden, mit Ruderbooten in den Fjord zu fahren, weil einem der Sog schnell ins Meer hinaus ziehen könnte. So kehre ich zum Elf zurück, setze mich mit dem Laptop ins Freie und lass den Blick oft in die Weite schweifen, während ich schreibe. Nach einer Stunde kommt Georg mit einem Nylonsackerl. Es ist was drinnen: er hat 2 Makrelen gefangen. Super! Gratuliere zum ersten Fang! Der Nachbar schenkt ihm noch zwei – sogar schon frisch gegrillte! – dazu für ein herrliches Nachtmahl. Geht es uns gut ! Wir lassen sie uns mit einem Glas Wein herrlich munden.
Der Abend verabschiedet sich mit einer schön eingefärbten Wolkenstimmung; es ist auch noch warm wie schon lange nicht, was uns anregt, mit unsern beiden Nachbarn noch Erfahrungen auszutauschen. Erst als es ganz dunkel wird, verabschieden wir uns.

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Samstag, 30.08. (27 km)
Die Temperatur sinkt während der Nacht nicht viel ab. Morgens hat es noch 14 Grad. Ich habe nach langem wieder einmal schlecht einschlafen können. Ob es mir zu warm war? Ob der Golfstrom schuld ist?!
Wir versuchen, schnell wegzukommen, um den Tag in Bergen gut nützen zu können. Erst müssen wir wieder zu Bargeld kommen, Georgs Cosmos-Kreditkarte funktioniert nur manchmal. Bei der ersten Bank blitzt er ab, aber bei der zweiten klappt es. Der Navigator, die Uschi, führt uns wieder einmal richtig zum Ziel. Der Stellplatz unter der Brücke, das Bobil-Senter am Damsgordsvegen, ist zwar nicht schön, aber zweckmäßig. Wir nehmen die Räder runter und radeln in die Innenstadt. Erst einmal zur Info, dann kommen wir an der Uni und am Kunstmuseum vorbei und schließlich zum Markt. Da tut sich was ! Einheimische und Touristen drängen sich um die Verkaufsstände. Wir verkosten zuerst Salamis, vom Elch, vom Rentier und vom Wal. Dann schauen wir zum Fischmarkt, wo uns verschiedene Lachsarten angeboten werden. Der junge norwegische Verkäufer hatte Deutsch in der Schule gelernt und praktiziert es jetzt regelmäßig mit den Touristen. Er versteht es, auf den Kunden einzugehen. Wir kaufen ein halbes Kilo gekochter Garnelen, die wir mit je einem Brötchen gleich am Kai verspeisen. Die Abfälle werfen wir ins Meer, wo die Möven schon darauf warten. Zu Beginn unseres Snacks kämpfen die Vögel noch um die einzelnen Scampiköpfe, sie sind aber genügsamer, als der Mensch und zeigen sich schneller zufrieden. Wir haben noch Appetit und gustieren noch mit den Augen bei verschiedenen Ständen.
Es gibt aber noch so herrliche Fischteller, mit Hummer, Krabbenfleisch, Garnelen und verschieden zubereitetem Lachs. Vieles schaut sehr verführerisch aus, doch die Preise ernüchtern. Wir entscheiden uns für ein mit dick geschnittenem Lachs belegtes Brötchen um 30 NOK. Die Verkäuferin, eine Berlinerin, scherzt noch auf Deutsch mit dem Kunden vor uns. Mir kommt vor, dass man hier gerne Native speakers aus den verschiedensten Ländern anstellt, damit die Touristen sich wohl fühlen und mehr einkaufen. Man spricht hier nicht von zu hohen Preisen. Alle essen, trinken und machen einen gut gelaunten Eindruck.
Angenehm gesättigt, wandern wir weiter zur Festung Bergenhus mit der Håkonshalle. Im ehemaligen Burghof trainiert eine Schulklasse in mittelalterlichen Kostümen Degen- und Turnierkämpfe. Sie sind etwas ungeübt, aber man freut sich über ihren guten Willen und die Farbenpracht ihrer Kostüme. Die Håkonshalle ist verschlossen, wir kennen sie so von Ansichtskarten, außerdem ist sie ja nicht original, da sie durch eine Explosion zerstört worden war. So gehen wir außen herum und schauen ins angrenzende Gebiet. Beim Spaziergang durch den Park sehen wir wieder ein Hochzeitspaar mit Fotografen, die Erinnerungsfotos schießen.
Auf dem Rück­weg den Kai entlang stoßen wir auf der (Tysk) Brygge wieder auf die alten Han­se­häuser mit Dachvorbauten, an deren Gie­beln man noch die Seilwinden erkennt, mit denen früher die Waren hochgezogen wurden. So eng zusammengepfercht und dazu das dunkelbraune Holz, das Alles macht alles einen sehr malerischen Eindruck. Am Abend, wenn die Lokale dazwischen alle belebt sind, muss es sehr gemütlich sein.
Vor einem Verkaufswagen steht eine Schlange um Speiseeis an; da es inzwischen sehr warm geworden ist, stellen wir uns auch in die Reihe und genießen das Schauspiel. Der Verkäufer plaudert mit jedem Kunden, als wäre er alleine da, und geht auf deren Wünsche ein. Das gibt ein gutes Gefühl. Auch wir lassen unsere Becher mit verschiedenen Sorten füllen, setzen uns schleckend auf eine Bank und schauen dem Treiben rundum zu. Ich sehe sehr viele schön gekleidete Menschen vorbeigehen und fühle mich in der Menge wohl.
Wir wollten uns noch die Marienkirche ansehen, dazu schwingen wir uns auf die Räder und treten wieder in die Pedale. Vor der Kirche steht wieder eine Hochzeitsgesellschaft, anscheinend schon nach der Trauung. Das Brautpaar nimmt die Gratulationen entgegen und lässt sich auch von uns bereitwillig fotografieren. Die Hochzeitsgäste sind sehr festlich angezogen. Die durchwegs attraktiven Damen tragen fast immer lange Kleider in allen möglichen Farbtönen und Schattierungen, die Herren sind zumeist im Smoking, und einige führen ihre Tracht aus. Auch die Kinder sind sorgfältig und passend hergerichtet.
Eigentlich sollte die Kirche bis Montag geschlossen bleiben, doch dann lässt uns die chilenische Mesnerin doch noch hinein. Diese Kirche ist das älteste Bauwerk der Stadt, die ehemalige Gemeindekirche der Hanseaten mit romanischgotischen Außenmauern. Der Altarschrank mit Maria, Kind und den Aposteln stammt aus dem 15. Jh. In der Mitte des Raumes steht eine barocke Kanzel aus 1676.
Auf den Aussichtsberg Fløyen fahren wir mit der Fløybane, einer Standseilbahn. Bergen liegt breit ausgedehnt zu unseren Füßen, und wir sehen sogar bis zu unserem CP Skogtun auf Sotra und weit hinaus in die Schären.
Mit der Bahn sind wir schnell wieder unten und suchen noch das Stadttheater. Wir sind ganz überrascht, einen Jugendstilbau vorzufinden, auf den sogar Otto Wagner stolz gewesen wäre, außen und innen sehr stilgerecht ausgeführt.
Als wir nun zufrieden heim strampeln, sieht Georg ein Fotogeschäft, das noch offen hat. Den ganzen Tag hatte ich keines entdecken können. Schnell gehe ich rein und bitte um Hilfe bei meinem Problem mit der Videocamera. Wie beim Zahnarzt: Alles ist in Ordnung. Wie angenehm, so kann ich doch noch etwas von Bergen filmisch festhalten. Nun geht es endgültig mit dem Rad zum Stellplatz zurück.

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Sonntag, 31.08. (125 km)
In der Nacht werde ich einmal wach, schaue hinaus und sehe die wunderbare Spiegelung der nächtlichen Stadt im Wasser. Das muss ich unbedingt aufnehmen – es sieht auch beeindruckend aus.
Selbst am Morgen ist das Wasser noch immer ganz ruhig, die Lichter sind abgedreht, aber die Brücke spiegelt sich so genau, sodass quasi ein Ei entsteht. Das Fotografieren kann auch zur Manie werden! Aber wenn es solchen Spaß macht!?
Nach dem Sonntagsfrühstück – ohne Ei, aber mit überbackenen Broten – waren heute die Museen dran. Zuerst die Rasmus Meyer Sammlingen im Kunstmuseum. Im Billett war sogar der Eintritt in die beiden benachbarten Museen, die  Stenersen Sammlung und die Galerie Lysverket inkludiert, und so versuchen wir, in kurzer Zeit, soviel wie möglich von diesen herrlichen Kunstwerken der Norweger in uns aufzunehmen, zusätzlich fotografierte Georg Alles genau, und ich filmte einiges.
Wir hatten nicht gewusst, dass dieses Land so viele und so herausragende Künstler hat. Wir sahen tolle Werke von Johan Christian (Clausen) Dahl (1788-1857), Adolph Tidemand (1814-1876), Harriet Bakker (1845-1932), Frits Thaulow (1847-1906), Gerhard Munthe (1849-1929), Christian Krohg (1852-1925), Erik Weren­skiold (1855-1938), Edvard Munch (1863-1944), Thorvald Erichsen (1868-1939), Nikolai Astrup (1880-1928), Henrik Sørensen (1882-1962), Jan Heiberg (1880-1928) u.v.a.. Es war auch die Fülle von Gemälden besonders eines Künstlers: Dahl hat sich nicht nur mit den Himmels- und Wolkenstimmungen aus­einander gesetzt, er hat auch jede Menge Landschaftsbilder gemalt. In jedem Raum gab es ein Blatt mit Beschreibungen der Werke und der darin vorgestellten Künstler, das wir in der Hoffnung mitnahmen, dass sich später eine Gelegenheit bieten werde, sich eingehender damit zu beschäftigen.
Anschließend haben wir im WoMo, das wir fast im Zentrum parken konnten, die Reste vom Vorabend aufgegessen, um dann nach Troldhaugen zum nächsten Museum weiter zu reisen. Dort hat sich der in Bergen geborene Edvard (Haugerup) Grieg (1843-1907), der vom Wuchs her nur 152 cm kleine, aber vom Ideellen her sehr große Pianist, Komponist und Künstler seine Wahlheimat, seine persönliche künstlerische Welt geschaffen. Er hatte lange Jahre jede Saison seinen Wohnort gewechselt, ist zwischen Kopenhagen, Leipzig und Bergen herumgereist, hat aber in Troldhaugen 22 Jahre lang seinen Hauptwohnsitz gehabt. Er ist dort mit nur 64 Jahren gestorben und wurde dort auch bestattet. Man muss heute noch zu ihm aufschauen, denn das Grab ist in 2 m Höhe in eine Felswand eingelassen.
Wir bedauerten sehr, keine Musik von Grieg mit dabei zu haben, um sie bei der Weiterfahrt anzuhören. Wir konnten die E39 gleich weiterverfolgen bis Halhjem, wo wir die Riesenfähre bis Sandvikvåg nahmen. Es war Sonntag Abend – das heißt, sie war ziemlich voll belegt. Die Europastraßen sind eine gute Einführung, wenn man ihnen folgt, braucht man nicht mehr lange nachzuschauen, jetzt geht es ein­fach Richtung Stavanger. Als Verbindung zur nächsten Insel mussten wir einen Unterseetunnel benutzen. Wenn man im schummrigen Licht bergab fahren muss, hat man ein mulmiges Gefühl, und wenn man einige Sattelschlepper vor sich hat, die durch ihre Last einen enormen Bremsabrieb verursachen, fehlt einfach der Sauerstoff. Man zählt die Kilometer mit und ist heilfroh, wieder ans Tageslicht zu kommen. Da lobe ich mir die Brücken als Behelf, die durch ihre Form und Technik beeindrucken und den selben Zweck erfüllen.
Ab Hagesund begannen wir nach einem CP Ausschau zu halten und landeten schließlich am CP Haraldshaugen, einem wildromantischen Platz am Meer. Zu unserer Verwunderung hielt dieser Platz nur noch diese Nacht offen. Mit Ende August beendeten die Betreuer die dreimonatige Sommersaison. Uns soll es nicht stören, wir hatten ohnedies nicht vor, länger zu bleiben, aber würden wir die nächsten Tage immer einen offenen CP vorfinden?  Kommt Zeit, kommt Rat!
Ich beeilte mich, uns zu „installieren“; die Sonne war schon im Sinken, und ich wollte so gern dabei sein, wenn sie im Meer untertaucht. Da hat mir aber eine Wolke einen Streich gespielt und sich glatt davor geschwindelt. Auch von den Felsen oben konnte ich das nicht ändern. Der Himmel wurde ausgiebig rot, was sich auch teilweise im Wasser gespiegelt hat. Der norwegische Maler Johan Christian Dahl, der sich intensiv mit dem Himmel und Wolkenstimmungen befasst hat, hätte damit seine Freude gehabt. Ich sollte mich ohnehin schon längst mit dem Abendessen befassen.

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Montag, 01.09. (82 km)
Heute war die Sonne schon früh wach. Sie musste sich durch ein paar Wolken durchzwängen und hat sich durchgesetzt. Die jungen Leute neben uns packen auch schon ihre Zelte ein. Wir haben es uns angewöhnt, bis 08.30 Uhr zu faulenzen. In Norwegen gehen die Uhren etwas anders.
Nach dem Frühstück machen wir gemeinsam eine Runde über die Felsen und schauen zwei Fischern zu. Zum Wasser selbst gibt es einige Hindernisse, steile, rutschige Felsen und auch Zäune, damit die Schafe des Nachbarn bei uns auf den Wiesen nicht alles verscheißen.
Am Grabmal des ersten norwegischen Königs, des Harald Hårfagre (Harald Schönhaar), das gleich neben dem CP als 17 m hoher Granitobelisk aufgerichtet ist, wollen wir auch vorbeischauen, es ist die bedeutendste Sehenswürdigkeit der Region. Harald hat im 9. Jh. für die Einigung des Landes gesorgt.
Der Kleinstadt Haugesund, wo jeden August das norwegische Film-Festival stattfindet und der regionale Oscar, der Armanda-Preis verliehen wird, statten wir einen Kurzbesuch ab, weil wir Geld abheben müssen, was hier zum Problem werden kann. Die Bankomaten hier akzeptieren nicht so gerne ausländische Maestro- oder Kreditkarten. Die Fußgängerzone im Zentrum ist ganz reizvoll, und am Meer befinden sich einige nette Lokale, die bei diesem schönen Wetter heute gut besucht sind. Schon drei sonnige Tage hintereinander – wir werden ja richtig verwöhnt!
Wir setzen unsere Route nach Stavanger fort; der Himmel bewölkt sich langsam, und es beginnt zu nieseln. Ich habe es anscheinend verschrien. In Arsvågen nehmen wir das Fährschiff Stavanger bis Rennesøy. Das Meer ist rau und stürmisch. Georg wird in die ganz linke Reihe eingewiesen, wo wir dann so eingeklemmt sind, dass wir nicht einmal aus dem WoMo aussteigen können. Dabei hätte ich so gerne den hohen Wellengang von der Brücke aus gesehen. Das Schaukeln des Meeres lässt den Alkoven unseres Elf an einen Stahlträger anstoßen. Wir setzen uns beide auf die rechte Seite, damit durch Giorgios Gewicht das WoMo zusätzlich mehr stabilisiert wird. Habe ich doch Angst um meinen Alkoven ! So froh war ich noch nie, von der Fähre wieder runter zu kommen.
Nach einem weiteren 6 km langen Unterwassertunnel und zwei Brücken erreichten wir Stavanger und fanden einen Parkplatz am Kai, wo einige große Schiffe ankern.  Es ist schon nach 16 Uhr. So suchen wir nach dem berühmten Dom, der leider schon geschlossen ist. Ich lese auf einer Tafel die Öffnungszeiten – Juni bis August bis 19 Uhr, ab 1. September bis 16 Uhr. Quargel!
Schnell gehe ich zur Info, während Georg wieder fotografiert, und merke, dass auch hier die Nachsaison begonnen hat und wir ausgeschlossen bleiben. Mist! Das Wetter ist auch mies, was machen wir jetzt mit dem langen Abend? Wir gehen eine Runde durch die City, Schirm auf, Schirm zu ! Es ist nicht lustig! Wir ziehen es vor, zu unserem Parkplatz zurückzugehen und es uns hier für die Nacht gemütlich zu machen, denn wieder weg und einen CP suchen, wo wir morgen hier besichtigen wollen, hat auch wenig Sinn.
Wir essen Spaghetti mit Dorsch und Tiefkühlgemüse. Georg schmeckt es nicht so richtig, er fühlt sich nicht so gut. Der Regen fällt auf unser Dach, mal stärker, mal schwächer. Herinnen ist es ganz angenehm. Wir arbeiten beide am Laptop und sind zufrieden.

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Dienstag, 02.09. (55 km)
Der heutige Morgen begann mit schnellen Aktionen, husch, husch, ins Gewand, aber nicht zu schleißig, denn ich muss im Hotel Viktoria, vis-à-vis, Geld für den Parkomaten wechseln. Macht einen guten Eindruck, das Haus, obwohl die Reception gerade renoviert wird. Weil ich niemand sehe, schaue ich in den Speisesaal. Da gibt es ein pikfeines Frühstücksbuffet, wo sich einige elegant aussehende Gäste bedienen. Da will ich nicht stören, suche weiter und finde um die Ecke die Receptionisten anscheinend nur vorübergehend in diesen hinteren Raum untergebracht. Der junge Mann hilft mir bereitwillig und wünscht mir einen schönen Tag. Das ist auch notwendig, denn der Himmel sieht noch sehr bedrohlich aus, es hat so an die 12 Grad. Die 40 NOK erlauben uns, bis 11.10 Uhr stehen zu bleiben. So nehmen wir erst einmal unser Frühstück ein.
Anschließend möchte Georg mit den Rädern zu den 170 weißen Holzhäusern von Gamle Stavanger hinüber, da es nun auch wieder regnet, wäre mir das zu unangenehm, mit einer Pelerine zu radeln. Ich nehme den Schirm und gehe zu Fuß hin. Ich schlendere den Kai entlang, mache meine Bildreportage über Stavanger und steige den Hügel hinauf, um all diese liebevoll renovierten und mit vielen Sträuchern und Blumen geschmückten Häuser und Gärten aufzunehmen. Es stehen immer wieder Bankerl unter Laternen und Baumgruppen. Wie ich an einem Hausschild erkenne, wohnt auch ein Architekt mitten drin. Ich traue mich darauf zu wetten, dass er am Planen und Renovieren stark beteiligt war und sicher interessiert ist, durch sein hübsches Anwesen Werbung für sich zu machen.
Dieses Viertel müsste man an einem milden Sommerabend besuchen, wo es seinen ganzen Charme entfalten kann. Der Denkmalschutz hat in dieser Stadt offenbar sonst nicht viel zu plaudern, sonst gäbe es nicht dieses Misch-Masch von Stilen. Es stört auch hier, dass hässliche Neubauten oder Industrieanlagen gleich angrenzen. Als ich einen romantischen Garten filme und zoome, habe ich auf einmal den großen Ozeandampfer vom Hafen im Bild. So sind hier das Gestern und das Heute sehr miteinander verwoben. Langsam steige ich total ins Heute zurück, versuche, den vereinbarten Treffpunkt mit meinem Giorgio einzuhalten und gehe zum Dom. Da es noch nicht 11 Uhr ist, schaue ich noch bei der Info hinein und frage, was ein Tourist bei diesem Wetter tun solle, um den Preikestolen optimal zu erleben. Man rät mir, das Schiff zu benützen, das in der Nachsaison nur noch einmal täglich um 12 Uhr vom Kai ablegt. Fein, ausreichend Zeit für die Besichtigung des Domes und für die Vorbereitung zur Bootsfahrt.
Der Dom von Stavanger soll nach jenem von Trondheim der schönste Norwegens sein. Er ist im anglonormannischen Stil erbaut, brannte gleich einmal ab und wurde dann hochgotisch erneuert und stammt tatsächlich aus dem 13. Jh. Das Interieur, besonders die Kanzel, wurde der Mode entsprechend in reichem Barock ausgestattet. Bereits fertig mit einer genauen Außen- und Innenbesichtigung sehe ich den Georg immer noch nicht. Es hatte längst 11 Uhr geschlagen. Vielleicht wollte er zuerst zur Info. Nein, auch da ward er nicht gesichtet worden. Hoffentlich ist ihm nicht noch schlechter geworden! So muss ich, anstatt jetzt noch die doch inter­essante Innenstadt mit den vielen engen Gassen, wo es rauf und runter geht, zu durchwandern, zum WoMo zurückkehren.
Da fällt mir auf, dass mein Holder den Parkschein verlängert hat, aber von ihm kei­ne Spur. So soll ich jetzt nochmals den gleichen Weg am Kai nehmen, damit ich ihn nicht verfehle. Wir wollen ja das Schiff zu Mittag erreichen. Kein Georg im Dom, noch auf den Straßen. Zum Verzweifeln! Ich kaufe zwei rustikale Sand­wiches, um Kleingeld für den Parkometer zu bekommen, und auch, um nicht auf dem Schiff teures Zeug kaufen zu müssen. Gehe wieder zum Elf. Keine Verände­rung. So esse ich mein Rustikalbrød, trinke Kaffee und gehe vor zur Anlegestelle, es kann sich ja alles noch ausgehen.
Er kommt nicht, ich sehe ihn nicht, das ist doch zum Ärgern. Wir hatten es klar ausgemacht, warum hält er sich nicht daran?!!
Die Ticketverkäuferin gesteht mir noch ein paar Minuten Wartezeit zu, es macht jedoch nicht viel Sinn, weil wir die Parkscheine auch noch verlängern müssten. So mache ich kehrt, total frustriert, wohl wissend, dass er in einigen Minuten auftauchen würde, weil ja die Parkzeit vorbei ist. Da kommt er dann auch ganz fröhlich daher, weil er entschieden hat, morgen bei schönerem Wetter auf den Preikestolen zu marschieren. Dass ich nicht lache!!
Verärgert gehe ich jetzt meine Runde durch die City; er trifft eine Entscheidung, ohne mich zu fragen, was glaubt er denn?! Soll mir den Buckel runter rutschen. (Wie er mir später mit den Daten seiner Fotos nachgewiesen hat, war er von 11.09 bis 11.41 Uhr sehr wohl im Dom gewesen – wie konnte ich ihn übersehen??!)
Auf dem RV 508 und über die Fähre von Lavrik nach Oanes und weiter auf dem RV 13 erreichen wir den ganzjährig geöffneten CP Preikestolen, ein 5-Stern-Platz, weil jeder Platz seine eigene Strom- und Wasserstelle und auch einen Ab­was­ser­kanal hat. 250 NOK sind auch keine Kleinigkeit. Muss ich dazu sagen, dass es immer noch regnet, einmal stark, einmal weniger, jedoch kontinuier­ich ? 15 Uhr, und wir sind schon eingerichtet – so früh waren wir noch nie dran ! Jetzt nehmen wir erst einmal unser Mittagessen ein. Ich wärme eine Leberknödelsuppe aus der Dose mit frischen Jungzwiebeln und gerissenen Karotten, nachher gibt es mit Fleisch gefüllte Tortellini mit geriebenem Käse und Rucolasalat.
Wir sehen uns anschließend einen meiner Videofilme an, der 90 Minuten dauert, bevor wir Laptopstunde machen. Um 19 Uhr gibt es das Abendessen, bestehend aus Paellareis mit dem restlichen gebratenen Dorschfilet. Da der Regen ununterbrochen auf das Dach trommelt, fühlen wir uns im warmen Elf sehr geborgen. Die Pfützen am Campingplatz werden immer tiefer, wir überlegen schon, die Gummistiefel auszupacken. Wie wird dann erst der Boden am Preikestolen aussehen!? Wir müssen abwarten, wie das Wetter morgen sein würde.

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Mittwoch, 03.09. (119 km)
Schon als ich aufwache, höre ich die Tropfen immer noch auf das Dach fallen, ganz zart, aber doch. Es hat nur 9 Grad, und der Himmel ist verhangen. Während des Frühstückes - Georg hatte für heute Brötchen bestellt im guten Glauben, dass wir am Berg Kraft brauchen würden, dazu gibt es auch Ei und Salami – wird der Regen immer stärker und wir beschließen, das Abenteuer abzublasen; wir packen aber doch zwei Jausenbrote ein, für alle Fälle.
Und plötzlich kommt die Sonne heraus, die ganze Situation verändert sich damit. Wir ziehen unsere Bergschuhe an und kleiden uns wetterfest. Schnell sind wir die  4 Kilometer zum großen Parkplatz an der Preikestolenhytta gefahren, und schon marschieren wir bergauf, wir haben ja die Option, umzukehren.
Der Preikestolen (= ,Predigtstuhl’) ist ein Felsplateau am Nordrand des Lysefjords, das 604 m senkrecht abfällt und eine der größten Naturattraktionen Südnorwegens ist. Zunächst geht es durch saftige Wiesen, auch durch Sumpfland mit vielen Erikahügeln und helle Birkenhainen. Dann wird es langsam steiler, die Steine werden immer größer und rutschiger, doch wir haben noch morgenliche Kraftreserven und überwinden leicht diese Hindernisse. Als aber immer wieder Schmelzwasser über die kleinen und großen Felsen rinnt, kriege ich Probleme, weil ich Raulederschuhe trage. Sollten diese nass werden, kriegte ich kalte Füße, was in der Folge meine Wanderfreude beeinträchtigen würde. Wir stapfen weiter, schön gemütlich, so haben wir es uns vorgenommen. Immer wieder überholen uns junge Wanderer. Wir lassen sie gerne vorbei, so sind wir unbehelligt. So gehen wir die erste Stunde, bis wir zum großen Lageplan kommen, auf dem wir eine starke Steigung entdecken, dann geht es wieder gemäßigter, weniger arg weiter. Bald stoßen wir auf eine Geröllhalde mit großen Felsbrocken, die wir alle irgendwie bewältigen müssen. Wegen des Schmelzwassers ist ja alles sehr glitschig. Ich nehme mir vor, noch diese lange Wand zu schaffen und mich dann in die Sonne zu legen, wie jene Spanierin, die ihre Gruppe ohne sie weitergehen ließ. Diese lange Steigung mit den Rie­sensteinen und viel Geröll hat es aber in sich. Genauso, wie der Horizont oft zurückweicht, geht es uns mit dieser Wand. Sie setzt sich immer weiter fort, und ich möchte schon bald aufgeben, als uns ein Paar, das schon auf dem Rückweg ist, be­ruhigt und uns sagt, wir hätten schon den schlimmsten Teil geschafft. Derart aufgebaut, nehmen wir uns vor, auch den Rest zu meistern. Der Weg dahin zieht sich, es kommen immer wieder schwierigere Passagen, doch dann wieder nur leicht ansteigende Strecken, lang gezogene Plateaus, wo das Gehen richtig Spaß macht.
Öfters fragen wir schon absteigende Touristen, wie weit es noch sei, und hören wiederholt, „Nur noch eine halbe Stunde“. Dass eine halbe Stunde so unterschiedlich lang sein kann!
Eine enge Brücke müssen wir überqueren, wo man tief hinunterblickt, und eine zweite Enge direkt am Abgrund und ohne jegliche Sicherung war noch zu meistern, wo ich sehr gerne Georgs Hilfe in Anspruch nehme. Danach muss ich mich etwas zittrig hinsetzen.
Endlich sind auch wir oben und sehen dieses sagenumwobene Plateau vor uns. Ich gehe nicht bis an den Abgrund vor, sondern bleibe hinten an der Felswand und be­obachte die wagemutige Jugend und meinen Georg, der auf dem Bauch liegend in den Abgrund fotografiert. Es gelingt mir, ein Foto vom Abgrund zu schießen. Dann essen wir zufrieden unser Jausenbrot.
Da wir am Horizont schon dunkle Wolken aufsteigen sehen, wie man im Wetterbericht voraussagte, machen wir uns bald auf den Rückweg, wo wir ja diese schwierigen Passagen erneut schaffen müssen. Schon etwas müde, brauchen wir für den Abstieg doch auch 2 ½ Stunden, es zieht sich einfach. Es fängt auch immer wieder zu tröpfeln an. Wir haben aber das erhebende Gefühl, das Schwerste hinter uns zu haben, was uns sehr aufbaut. Wir sind jedenfalls sehr stolz darauf, dass wir’s geschafft haben, Georg mit seinen Wirbelsäulenproblemen und ich mit den Nachwirkungen meines Knöchelbruchs von 2006!
Im Wohnmobil stärken wir uns und machen eine längere Rast, bevor wir unsere Fahrt fortsetzen. Wir nehmen die Fähre zurück Lauvik, die nur 7 Minuten zum Übersetzen braucht, rollen den RV 508, die E39 bis Bue, dann den RV 45 bis Varhaug, wo wir tanken und, weil wir dort einen Spar entdecken, auch gleich einkaufen. Endlich kommen wir auf die Küstenstrasse 44, die Georg so gerne entlangfahren möchte. Leider beginnt es zu regnen. Hört wieder auf. Dann schüttet es so, dass wir einmal anhalten müssen. Wo all dieses Wasser nur herkommt! So wechselt es ab, bis zum nächsten Morgen. Dass wir während unserer Bergtour solch ein Glück mit dem Sonnenschein hatten, ist ja unfassbar!
Im Regen finden wir unseren nächsten CP bei Egersund, der an einem reißenden Fluss liegt. Der Platz ist fast leer, die Wiesen sind sehr nass, teilweise steht das Wasser in Pfützen auf der Wiese, und es ist unangenehm kalt.
Zur Feier des Tages gibt es gebratene Scampi mit Spaghetti in Pesto und ein Glas Weißwein. Schmatz!

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Donnerstag, 04.09. (186 km)
Heute früh fand die Wiederholung der gestrigen Wetterstimmung statt. Ich bin um 07.30 Uhr einmal aufgestanden, um einzuheizen, so ungut war die Temperatur. Als Georg vom Duschen kam, war es bereits angenehm warm, und die Stimme von Anna Netrebko von einer CD verschönte uns das Frühstück. Mag es draußen auch stürmen, wir machen das Beste daraus! Gegen 11 Uhr war die Sonne ausgeschlafen und erfreute uns mit ihrer Anwesenheit.
Wir steuerten die City von Egersund an, eine Stadt, die hauptsächlich vom Fischfang und dessen Verarbeitung lebt. Wir besichtigten die Altstadt, kauften frischen und geräucherten Fisch, sowie eine Rentier- und eine Elch-Salami.
Dann ging’s zur nächsten Station, nach Flekkefjord. Bis dorthin mussten wir wilde Bergstöcke überqueren, die aussahen wie eine Mondlandschaft. Sylvia hatte das sehr gut in ihrer Reisebeschreibung geschildert. Diese dunklen, von der Erosion der Eiszeit abgerundeten Elefantenberge sind oft ganz kahl. Moose und Flechten haben nur in den Niederungen und den Rinnen Chancen, sich festzusetzen, ansonsten sind die Witterungseinflüsse noch zu stark, um dort zarte Pflänzchen gedeihen zu lassen. Es dauert wieder Jahrtausende, bis die Vegetation langsam durch Sporenansiedlung all diese glatten, abgeschliffenen Steinflächen erfassen kann. Bis die Farne dort wachsen, braucht es wieder einige Pflanzengenerationen.
Zwischendurch mussten wir auch von Industrie sehr beanspruchte Gebirgszüge entdecken. Es ist nun eine Tatsache, dass Norwegen einer der größten Kunstdüngererzeuger ist. Auch als Aluminiumhersteller steht Norwegen an Europas erster Stelle, und ich glaube, schon erwähnt zu haben, dass sehr viel Luftverschmutzung aus den Nachbarländern Russland und England als saurer Regen „importiert“ wird. Nicht umsonst war dieses Land das erste, das ein Umweltschutzministerium einrichtete, was wohl die Antwort auf einen großen Umweltskandal war: man hatte Titanschlämme einfach in den Fjord entsorgt, wodurch der Meeresgrund im Jøssingsfjord auf Jahrhunderte ruiniert wurde.
Man ist froh, wenn man die Serpentinenstraße mit den dunklen Tunnel hinter sich gebracht hat und in die blendend weiße Stadt Flekkefjord kommt, wo alles frisch gestrichen aussieht. Viele Holländer hatten sich hier im 16. Jh.  im Viertel Hollænderbyen niedergelassen. Sie betrieben regen Holzhandel mit ihrer Heimat. Ganze Teile Amsterdams sollen aus Flekkefjorder Holz errichtet worden sein.
Wir hielten uns nicht allzu lange auf und strebten nun Mandal zu, wo Gustav Vigeland 1869 geboren wurde, der in Oslo den Frogner-Park mit 200 Skulpturen verschönert hat. Auch der Maler Adolph Tidemand kam hier 1814 zur Welt.
Viele Menschen kommen wegen des 2 km westlich liegenden, etwa 900 m langen Sandstrandes Sjøsanden hierher – uns ist leider das Wetter zu kalt zum Schwimmen.
Der Himmel ist schon wieder ganz schwarz, und wir flüchten bald ins Auto für unsere letzte Destination heute, wo wir schlafen wollen: Kristiansand. Es dauert, bis wir den CP finden, und dann ist die Reception gar nicht besetzt. Die Kosten pro Nacht sind aufgelistet, aber wir sind nicht bereit, 280 NOK für solch einen tristen CP ohne Betreuung zu bezahlen, und so stellen wir uns auch davor auf den Park­platz am Hafen wie einige andere Camper auch und verbringen dort die Nacht.

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Freitag, 05.09. (124 km)
Als ich heute erwache, scheint schon die Sonne. Von meinem Alkoven aus konnte ich sie nicht aufgehen sehen. Hauptsache, sie ist da. Es hat nur 11 Grad, und ich muss etwas einheizen, um es gemütlich zu machen. So schmeckt das Frühstück gleich viel besser. Jetzt gibt es auch wieder Walnüsse zum Obst.
Dann begeben wir uns ins Stadtzentrum von Kristiansand, wo wir in der Nähe der Kirche einen Kurzzeitparkplatz finden. Länger wären wir ohnedies nicht geblieben, denn bei der Baustelle daneben hatte man sehr laute Maschinen im Einsatz – soviel Dezibel wären bei uns nicht erlaubt. Außerdem war die neogotische Domkirche geschlossen, wie hier leider oft üblich.
Wir fuhren weiter zum Hafen und machten dort einen Spaziergang rund um die Christiansholm Festning (Festung). Die Sonne machte immer noch ein freundliches Gesicht, und einer der Bootsbesitzer sorgte für die beschwingte, musikalische Untermalung. So könnte man  es länger aushalten.
Sonst gibt es hier wenig alte Bausubstanz. König Christian IV. ließ die Stadt am Reißbrett entwerfen, in Quadratur, sagt man.
Lillesand war unser nächstes Ziel. Im Führer steht, dass man sich damit ein Architekturmuseum erspare. Der 10.000-Einwohner-Ort wirkt sehr sorgfältig gepflegt. Die Häuser und Gärten sind wie aus einer Architekturzeitung, das stimmt. Auch am Hafen, wo es sonst nicht so genau hergeht, liegen die großen Yachten wohlgeordnet nebeneinander, ein ruhig, harmonisches Bild. Man sieht, die Menschen hier leiden keinen Mangel, im Gegenteil, sie sitzen in den Strandcafés und in den Gastgärten am Hauptplatz und plaudern. Das ist so verlockend, dass mein lieber Mann mich in ein Fischrestaurant einlädt. Ich bestelle ein Rekebrød (Krabbenbrot) und Kaffee, und bin doch erstaunt, als ich ein Shrimpssandwich bekomme. So kann man sich mit fremden Sprachen täuschen. Georg wählt die erprobte Fischsuppe und ist's zufrieden. Grimstad ist der Ort, wo die Eltern Ibsens ihren Sohn Henrik in eine Apothekerlehre gaben, nachdem sie um ihr Vermögen gekommen waren. Er musste dort mit den drei Hauskindern schlafen, so kam er nicht viel zum Malen und Schreiben, und wahrscheinlich aus diesem Grunde suchte er in einem anderen Zimmer bei einem Mädchen Unterschlupf, was ihn zum Vater eines Sohnes machte. Wie das Leben so spielt ! Immerhin schrieb er in Grimstad sein erstes Drama, Catilina.
Unse­re Führerin, ein fast 70-jährige, fesche Norwegerin, führte uns charmant in sein Leben ein und zeigte uns das ganze Museum. Zwischendurch wurde sie von ihrem jüngsten Enkel angerufen und um Rat gefragt. Störte uns nicht - wir hatten ausreichend mit unserer Dokumentation zu tun.
Wir fuhren noch zur Dorfkirche hinauf, die als zweitgrößte Holzkirche (nicht Stabkirche) Norwegens bekannt ist. Leider ist auch sie geschlossen. Dafür war die Aussicht von dort oben über den recht malerischen Ort und den Hafen lohnend.
Der letzte Punkt auf unserem Tagesprogramm war das 10 km entfernte Arendal. Man nannte es 1868 das „Venedig des Nordens“, weil es einst so viele Kanäle hatte. Heute möchte man die alten zugeschütteten Kanäle zwischen den sieben Inseln, aus der die Stadt eigentlich besteht, wieder aufleben lassen, aber es wurde zuviel Modernes dazwischen gebaut, sodass ein zu großer Stilmix entstand.  Dennnoch, der Stadtteil Tyholmen war doch stimmungsvoll. Ansonsten etwas enttäuschend  – die Atmosphäre ist verloren gegangen.
Wir verließen nun die Küste und folgten dem Telemarksveien; erst war es der RV 42, der uns bei Svenes zum RV 41 führte, und ab da hielten wir Ausschau nach einem CP. Heute brauchen wir wieder Strom, weil unsere Batterien (Laptops, Fotoapparate, Video­camera, Handys) leer sind. Es nieselte und dunkelte schon, da stießen wir auf den CP Flateland. „Einen Platz suchen, sich einrichten und sich dann anmelden“, hieß es auf dem großen Brett. Gleich geschehen, unweit des Waschhauses stellten wir uns hin. Zufällig war der Bauer gerade in der Nähe und nahm mei­ne Anmeldung und das Geld ziemlich wortkarg in Empfang. Es fiel im nicht so leicht, sich auf Englisch verständlich zu machen. Ich habe inzwischen auch gemerkt, dass er gerade beim Verladen von Holzstämmen war, und erleichterte ihm die Sache. Später habe ich beobachtet, dass die Männer noch im Scheinwerferlicht ihren Laster beluden, sie waren offensichtlich unter Zeitdruck. Von der Umgebung des Platzes sah ich nicht mehr viel. Ich bemühte mich, unser Truthahnfleisch mit Weizenkörnern und Fenchelgemüse schmackhaft zuzubereiten

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Samstag,06.09.  (254 km)
Heute morgen, nach dem Frühstück, erkundete ich die Umgebung und war überrascht von der Größe des Platzes und die vielen Wohnwagen von Dauercampern. Verständlich: der See macht hier eine Biegung, in deren Kurve eine Grillstelle, nette Sitzgruppen und eine seichte Einstiegsstelle ins Wasser sind, das zwar etwas bräunlich, aber sonst ganz klar ist. Jetzt bei den wenigen Graden heute und dem leichten Nieseln wirkt es nicht so einladend. Ich kann mir aber vorstellen, wie gut man hier heiße Sommertage verbringen kann. Die Waschräume lassen jedoch sehr zu wünschen übrig, da müsste etwas geschehen. Wir fahren wieder ab, weil wir noch einen weiten Weg bis nach Heddal vor uns haben.
In Treungen, am Südufer des Nisser-Sees, sieht Georg einen Spar und erinnert sich an deren Grillhuhnwerbung. Er bremst abrupt und parkt ein. Leider sind die Grillhühner noch nicht fertig, es dauert noch 20 Minuten. Ich nütze die Zeit, um all das Angebot dort zu studieren, und sehe ein paar ganz günstige Sachen. Schnell bereite ich den Rucolasalat zu, Brot, frisch aus dem Backofen, und das gegrillte Huhn, da leben wir wieder auf.
Dann müssen wir die Zeit aber wieder aufholen, weil die Kirche in Heddal nur bis 17 Uhr geöffnet ist. Giorgio braust durch die Gegend. Bäume, Flüsse, Seen und Was­serfälle fliegen an uns vorbei, heute ist nicht soviel Zeit zum Fotografieren. Wir sind zwar auf Urlaub, aber ... Nun ich will ihm die Freude nicht verderben und sitze brav daneben, denn wir müssen unseren Zeitplan ungefähr einhalten. Es geht wieder einige Berge rauf und runter. Man merkt rundum, dass der Herbst naht. Die Birken sind die ersten – ihre kleinen, zarten Blätter färben sich goldgelb, manchmal hängt solch ein Ästchen wie eine Traube herunter. Auch die Farne sind sehr sensibel, sie werden oft schon honiggelb, manche sind auch schon braun. Unsere „Geißenblumen“ (gejtrams) sind schon total verblüht, aber manche Laubbäume färben sich nun rötlich bis tiefrot und setzen starke Farbkleckse in die Natur, wahrscheinlich, um die allgemein trüber werdende Stimmung aufzuhellen. Ein einzelner so herbstlich gefärbter Baum in einem ganzen Gebiet zieht automatisch schon von weitem die Blicke auf sich. Ich stelle mir vor, wie die Natur in Skandinavien sich in ein paar Wochen zeigen wird. Gewiss so überwältigend, dass man als Landschaftsmaler wohl nicht mehr zum Schlafen kommt.
Eben fahren wir den Nisser-See entlang, wo aus den Trollen die Nissen werden und wo man sich handwerklich sehr kreativ präsentiert, besonders bei der Silberverarbeitung. Die Felsen zeigen sich hier einmal kahl, auch von den Schmelzwassern glänzend, dann wieder von hellen Kiefern bestanden. Am Straßenrand im weichen Moos blitzen oft handtellergroße, dottergelbe Schwämme auf, manchmal sogar in kleinen Gruppen, auch fliegenpilzartige Hütchenpilze tauchen gelegentlich auf. Es ist so entspannend, sich auf die Wunder der Natur einzulassen, sie einfach auf sich wirken zu lassen. Da unsere Norwegenreise langsam dem Ende zugeht, bin ich da­für besonders empfänglich.
Wir flitzen an Seljord vorbei, Georg nimmt sich nicht die Zeit, um die romanische Steinkirche aus dem 12. Jh. zu suchen und anzuschauen, da sie nicht direkt an unserer E134 liegt. Wir durchfahren das Saulandgebiet, um endlich kurz nach 16 Uhr in Heddal anzukommen. Gottlob, die Kirchentür steht noch offen. Etwas düster, aus dunkelbraunem, altem Holz, breit aufgefächert steht sie da, die größte Stabkirche Norwegens. Sie hat sogar 3 Türme, die man auf manchen Ansichtskarten schön aufsteigend angeordnet sieht, und 5 Kreuze. Innen sieht man den farbintensiv figurierten Altar aus dem 17. Jh. und den berühmten Bischofsstuhl, in dessen Lehne Sigurd und Gunnar aus der Nibelungensage eingeschnitzt sind.
Im Keller des Verwaltungsgebäudes zeigt man eine kleine Ausstellung über die nicht immer positiv beurteilten zwei Renovierungen der beiden letzten Jahrhunderte.
Entspannt setzen wir den Weg Richtung Oslo fort und landen bei Drammen, 17 km vor Oslo auf einem NAF-CP. Die Receptionistin zeigt sich sehr interessiert an ihren wenigen Campinggästen, gibt uns für die ÖAMTC-Mitgliedschaft eine NAF-Reduktion und erzählt, dass sie auch schon am 15.09. Saisonschluss machten. Es sei einfach nichts mehr los. Das merkt man auch am Platz. Einige Wohnwagenbesitzer bauen ihr Vorzelt ab. Es ist kalt, ca. 10 Grad, und windig; wenn ich mir das Wasser in dem Fluss oder Fjord ansehe, wird mir schon kalt. Schnell gehe ich in unseren Elf und bereite uns eine warme Hafersuppe und ein Fischgratin zu, das Georg am Fischmarkt von Egersund als Fer­tig­gericht erstanden hatte.
Der Fernseher hat keinen Empfang, vielleicht weil wir unter einem Baum stehen. Macht nichts, heute ist eh keine Wahlkandidatendiskussion, so komme ich wenigstens ungestört zum Schreiben.

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Sonntag,07.09. (47 km)
Als ich um 7 Uhr aufwache, ist es unverändert trüb. Ich habe deshalb keine Lust, bei diesem Wetter  früh aufzustehen. Wahrscheinlich schläft ,Frau Sonne’ am Wochenende besonders lang. Wir machen uns ein gutes Sonntagsfrühstück – Georg trifft nach den letzten schlechten Erfahrungen an Sonntagen heute selbst die Vorbereitungen. Ich decke nur den Tisch. Es belustigt mich zu sehen, dass auch Georg die Eier zu weich geraten sind. Ich glaube, die brauchen hier in Norwegen einfach länger.
Wir brechen bald auf, um nach Oslo zu kommen und Gernot wiederzusehen. Der Verkehr Richtung Hauptstadt war locker, wir kamen diesmal von der Westseite, sehen Oslo vom anderen Ende. Ich bemerke, dass das hier schon mehr Laub verwelkt ist, das macht wohl die Wärme der Großstadt aus. Wir sind nun wieder in der Hauptstadt, von wo wir vor ungefähr 4 Wochen unsere Norwegenreise begonnen hatten. Es war eine sehr ereignisreiche, wunderbare Zeit!
Unsere ,Uschi’ leitet uns diesmal zielsicher durch das Straßengewirr in die Vibes gate, wo wir sogar einen Parkplatz bei Gernots Wohnhaus finden. Wir freuen uns, wieder bei Gernot zu sein.
Wir steigen mit ihm in seine Wohnung hinauf und machen es uns gemütlich. Draußen ist es trüb wie gewohnt, das soll uns jetzt egal sein, wir verbringen eine angenehme Zeit mit unserem Sohn, erzählen von unseren Reiseerlebnissen, zeigen Fotos, schauen seine Bilder von seiner WoMo-Reise mit seinen Wiener Freunden an, vergleichen unsere Eindrücke und Reiseerfahrungen und genießen dazwischen Essen und Trinken. Auch sie waren auf dem Preikestolen, schafften es aber doppelt so schnell als wir. Einer von ihnen lief in nur 51 Minuten hinauf!!
Wir führen uns auch einen meiner Norwegenfilme zu Gemüte, was zwischendurch durch meine unbeabsichtigten Fehleinstellungen und Pannen sehr zu Erheiterung beiträgt. Diese lockere familiäre Atmosphäre tut uns allen sehr wohl, darum kom­men wir erst spät ins Bett.
Georg und ich haben anscheinend beide zu viel gegessen, was uns nicht einschlafen lässt. Mein Bester holt mich, damit ich seine sitzende Schlafstellung überwache.

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Montag, 08.09.
Etwas müde nehmen wir drei ein gemeinsames Obstfrühstück ein, bevor Georg und ich mit der Straßenbahn zur Oper fahren, um dort für uns drei Karten für „La Bohème“ zu erstehen, die Oper, in der seinerzeit Georg und der damalige Sängerknabe Gernot in der Wiener Staatsoper gemeinsam aufgetreten waren.
Nach einer Stunde gelangen wir endlich hin und stellen uns beim Kartenvorverkauf an. Wir verfolgen eine endlose Diskussion, die die Ticketverkäuferin mit ein paar Interessenten führt, während ihre Kollegin lang und breit telefoniert. Es geht nichts weiter, die Schlange hinter uns wird noch länger und wir langsam unmutig. Irgendwann ist es soweit, dass auch wir an die Reihe kommen, und mein Bester bestellt großzügig drei Sitzplätze für die Abendvorstellung. „Für welche Vorstellung ?“, fragt die Gute, „Wir spielen heute gar nicht!“
Interessant, nun haben wir extra dafür um einen Tag verlängert und Gernot dazu eingeladen. Wieder einmal so ein Husch-Pfusch, die Enttäuschung ist groß. Ich habe genug von der Oper, die eine Menge Geld gekostet hat und uns nichts zeigt.
Wir fahren mit der Straßenbahn # 12 zum Frogner-Parken, wo es viele Skulpturen des bekanntesten norwegischen Bildhauers Gustav Vigeland zu bewundern gibt. Er hat eine Brücke mit 58 Bronzefiguren verziert, worunter die berühmteste das Ebenbild seines Sohnes, der Kleine Trotzkopf (Sinnataggen), ist.
Einen Brunnen hat er mit dem Lebenszyklus ausgeschmückt, und über drei Terrassen führen Treppen zum Monolithen hinauf, für den er 121 Gipsfiguren geplant hat, die 3 Steinmetze in 13-jähriger Arbeit vollendet haben. Leider ist dieser eingerüstet und verhüllt, weil er gerade gereinigt wird.
Wunderschön geschmiedete Gittertüren schließen das Ganze ab. Es hat nur ein bisschen Sonne gefehlt, um das Ensemble in noch besserem Licht erscheinen zu lassen.
Die Fahrt auf den Hausberg zum Restaurant Frognerseteren (Frogner-Alm) beim Tryvannstårnet hätten wir uns sparen können, denn die Sicht wurde so mies, dass wir oben gleich wieder umkehrten und den selben Zug zurück nahmen. Auch das Aussteigen auf der Zwischenstation Holmenkollen hat nicht viel gebracht: Alles im Nebel, dazu Nieselregen und außerdem noch teilweise Bauarbeiten. Wir hatten die Sprungschanze vor Jahren in viel besserem Zustand bei schönem Sonnenschein erleben und fotografieren können.
Resigniert und müde kehren wir zu Gernot zurück. Georg verzichtet bei diesem sehr kühlen Abend auf die geplante gemeinsame Inselfahrt, und wir erfreuen uns an Gernots Kochkünsten und vor allem an seiner Gesellschaft. Da unserem Sohn am näch­sten Tag eine schwierige Arbeit bevorsteht, dehnen wir den Abend nicht zu lange aus und lassen ihn entspannt ausklingen.

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Heimreise   

(09.09. bis 15.09. – 1.889 km)

Oslo – FredrikstadHalmenSchwedenHafstenGotenburg (Göteborg) – MalmöÖresundbrücke Dänemark -  KopenhagenFähre Gedser > RostockDeutsch­land ­– Lutherstadt WittenbergLeipzig – Chemnitz – Tschechien – Komotau (Chomu­tov) – Saaz (Žatec) – Pilsen (Plzeň) – Budweis (České Budějo­vice) – Wittingau (Třeboň) – Österreich – Neunagelberg – Horn – Stockerau – Wien

Dienstag,09.09. (264 km)
Abschied muss sein, wenn es auch schwer fällt! Da Gernot auch seinen festgesetzten Termin hat, machen wir es kurz, indem wir nach dem gemeinsamen Obstfrühstück noch einige Familienfotos mit Selbstauslöser knipsen und schnell zusammenpacken. Manchmal ist es nicht einfach, das „Loslassen“.  Adieu, mein Kind, aber auf bald! Schnell abfahren, auch wenn es Georg schwer fällt.
Die Straße hat uns wieder, und nach dem Anlassen des Motors braucht es viel Konzentration, um die richtige Ausfahrt zu finden, und der Fahrtwind bläst durch das Fahrerhaus.
Adieu, Oslo, Kilometer um Kilometer schieben sich dazwischen, doch die Welt ist ja durch das Flugzeug kleiner geworden und ermöglicht einem, schnell auch große Entfernungen zu überwinden.
Nach Fredrikstad sind es 113 km. Diese Stadt war von Fredrik II.  1567 an der Glomma gegründet worden und diente immer wieder als Bollwerk gegen die Schweden. Sie ist heute noch fast vollständig als Festungsstadt erhalten. Es heimelt sehr nostalgisch an, wenn man durch die alten, ruhig daliegenden Straßen mit den Empirehäusern und den Renaissance-Karrees spaziert. Im Proviant- und im Slaveriethus werden noch kulturhistorische Ausstellungen gezeigt. Unten am Fluss und außerhalb der Festungsmauern  kann man gut promenieren und die vereinzelt aufgestellten Kanonen betrachten.
Nach einem kurzen Abstecher in den modernen Einkaufsteil von Fredrikstad fuhren wir nach Halden mit der größten, wenn auch nicht besterhaltenen Festungsanlage Norwegens, die sich auf einem 128 m hohen Plateau ausbreitet. In 30-jähriger Bauzeit nach französischem Vorbild errichtet, hat sie gegen die Schweden gute Dienste geleistet.
Vor der Grenze holte sich Georg noch einen Teil der Mehrwertsteuer von seiner Angel zurück, und wir statteten dem Supermarkt Rema 1000 unseren ersten und letzten Besuch ab, um noch ein paar norwegische Lebensmittel mitzunehmen.
Bei Svinesund verlassen wir endgültig Norwegen und sind nun wieder in Schweden. Es begrüßt uns die Tafel Sverige inmitten eines Sternenkranzes – wir sind zurück in der EU. Wir rollen weiter, vorbei an Stromstad und Tanumshede. Das Klima ist merklich milder geworden, die Landschaft um uns wird wieder flacher, viel weniger Felsen, dafür erneut riesige, zusammengelegte Felder, die jetzt schon abgeerntet sind. Die Erde ist oft schon gepflügt, schaut braun und fruchtbar aus. Die Himmelstimmung ist eigenartig diesig, wie von ganz leichtem Nebel verschleiert, sehr eindrucksvoll, so dass ich wieder eine Menge Fotos schieße.
Auf der Höhe von Uddevalla habe ich in unserem Campingführer einen 14-Euro-CP gefunden, der soll für heute unser Ziel sein. Wie immer sind diese  Angebotsplätze irgendwo weit abgelegen, so dass man in der Nebensaison durch die Werbung Gäste anlockt. Die Anfahrt ist genau beschrieben und endlich, wir freuen uns, diesen schön gelegenen CP Hafsten in Bohuslän kennen zu lernen. Hier könnte man gut eine Woche Sommerurlaub verbringen. Es werden verschiedene Sportarten angeboten. Der CP ist von beiden Seiten vom Meer umgeben. Leider ist das Wetter wieder einmal kalt und windig, so dass man trotz herrlicher Natur hinein ins Warme flüchtet. Es ist 20 Uhr und schon dunkel – es wird nun bald Herbst.

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Mittwoch,10.09. (439 km)
Obwohl wir wegen der langen Strecke, die wir heute hinter uns zu bringen planen, schon früh weiterreisen wollten, wird es durch interessante Entdeckungen und Plaudereien erst wieder 11 Uhr, bis wir so weit sind.
Die erste Etappe geht bis Gotenburg (Göteborg), für das wir uns 1 ½ Stunden Zeit nehmen. Diese heute zweitgrößte Stadt  Schwedens wurde erst im 17 Jh. gegründet und nach holländischem Muster mit Kanälen und Grachten angelegt. Erst im 20. Jh. wurde sie nachhaltig industrialisiert und modernisiert. Sie verdankt das ihrem bedeutenden Seehafen und auch der Autoindustrie von Volvo.
1994 eröffnete das modernste Opernhaus der Welt hier seine Pforten, gleich mit zwei Bühnen und Platz für 1400 Besucher.
Fiskekyrka, die Fischhalle von 1874, wird wegen ihres bis zum Boden reichenden Daches Fischkirche genannt. Im Ostindiska huset zeigt man das einzige erhaltene Wikinger­schiff Schwedens.
Der evangelische Gustavi-Dom wirkt innen frisch renoviert und eher modern, offen für vieles, auch kulturelle Events. Während unseres Besuches fand anscheinend ein Treffen von Pastoren statt.
Wir entdeckten auch eine deutsche Kirche in der Nähe des Gustav Adolf Torgs, wo ein sehr aktiver deutscher Pastor seine Gemeinde umsorgt und uns auch gleich in ein Gespräch verwickelt hat. Aber wir müssen weitergehen, die Parkuhr läuft ab. Auf dem Rückweg sehen wir noch einige bemerkenswerte Patrizierhäuser, bis wir wieder bei der Saluhallen (Markthalle) landen.
Bis Malmö, der Hauptstadt der Region Schonen (Skåne), sind es noch 280 km; die E20 (E6) ist gut ausgebaut, und man kommt zwischen den großen Städten schnell voran. Von der Autobahn sehen wir einen ganzen Wald voller Hochspannungsleitungen – das ergibt tolle grafische Bilder – viele Windräder und auch eine alte Windmühle. Zwischendurch bewegen wir uns oft am Meer entlang, wo wir viele grüne Weiden mit Pferden und Rindern, sowie Schafherden sehen. Zweimal müssen wir abseits der Hauptstraße in den Dörfern Räröbacka und Attekulla tanken, bis wir am späten Nachmittag das Stadtzentrum von Malmö erreichen.
Für den Dom St.Petri ist es schon zu spät, so sehen wir die imposante Backsteinkirche  aus dem 14. Jh. nur von außen.
Unweit davon liegt der Stortorget, der Große Platz, mit dem Rathaus und einem rie­sigen Reiterstandbild Karls X. Gustav, der Schonen für Schweden zurück­erober­te. Ein moderner Brunnen mit sehr phantasievollen Skulpturen ist mit wild schäumendem Wasser gefüllt, anscheinend hat man etwas Seifenschaum beigemengt.
Das Rathaus im (Neo-)Renaissancestil stammt erst aus dem 19. Jh., aber die alte Apotheke Lejonet hat man schon im 16. erbaut. Es gibt da viele Bauten sehr unterschiedlichen Stils am Großen Platz, Jugendstil, Renaissance, Klassizismus, das stört hier nicht wirklich jemand. Gleich um die Ecke stoßen wir auf den malerischen Lilla Torget (Kleinen Platz) oder Nytorg mit alten Fachwerkhäusern und vielen hübschen Lokalen, alle gesteckt voll. Es war ein buntes Durcheinander und gab einem den Wunsch ein, hier länger zu verweilen, um diese Stimmung richtig auszukosten. Wir begnügten uns damit, alles im Bild aufzunehmen, und setzten unseren Spaziergang durch die nächsten Gassen fort.
Überall boten sich neue Motive an,  wir waren voll beschäftigt. Unten am Fluss sahen wir Ruderbooten beim Training zu. Der Park war voller interessanter Statuen und Brunnen und dazwischen überall bunte Blumenarrangements.
Wir mussten uns losreißen, da wir ja noch bei Tageslicht über die Öresundbrücke nach Dänemark ausreisen wollten. Es war die ideale Abendstimmung, die Brücke, die wir beim Einreisen in vollem Tageslicht gesehen haben, jetzt in mildem Abendlicht zu erleben. Die Umrisse waren etwas schemenhaft, wirkten unwirklich und  nebulos. Eine interessante, neue Erfahrung. Der Sonnenuntergang über dem Meer steigerte noch unsere Begeisterung.
In Dänemark angekommen, leitete uns Uschi ohne Probleme zu dem ausgewählten CP Absalon in Brøndby in der Nähe Kopenhagens. Es war in der Zwischenzeit dunkel geworden (das erste Mal, dass wir im Finstern an einem CP ankommen), und so suchten wir die uns zugewiesene Platznummer mit der Taschenlampe.
Die Truthahnschnitzel mit Nudeln und Maiskolben waren schnell hergerichtet und ebenso rasch verzehrt.

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Donnerstag, 11.09.
Die Nacht war warm, die Temperatur sank nicht unter 14 Grad. Ich habe meine zweite Decke nicht gebraucht. Daher Frühstück ohne Heizung und möglichst rasch, damit uns ausreichend Zeit für Kopenhagen, eine Großstadt mit über 509.000 Einwohnern (2008), bleibt.
Der Weg zur Bahn sollte 7 Minuten dauern, trotz schnellen Schrittes brauchten wir die doppelte Zeit. Die Fahrtdauer betrug 15 Min. bis zur Stadtmitte. Es waren moderne Waggons mit präziser elektronischer Anzeige aller Stationen und des jeweiligen Standortes.
Der Hauptbahnhof in Kopenhagen (København) war sehr belebt, ein stetes Kommen und Gehen. Ihm gegenüber befindet sich ein Eingang zum noch geschlossenen Vergnügungspark Tivoli. Unser erster Weg führte uns zur Touristeninfo und zu einer Bank, wo Georg die restlichen NOK und SEK in DEK umwechselt, und dann ging es durch die Vesterbrogade zu dem von 1892-1905 in einem Stilmix von italienischer Renaissance­ und nordischer Romantik erbauten Rathaus (Rådhus), mit schönen Dächern, vielen glänzenden Vergoldungen und einem 106 m hohen Turm. Davor und daneben gibt es einige interessante Skulpturen, bronzene Lurenbläser auf einer Säule, den Dragespringvand (Drachenspringbrunnen) mit einem Stier und allerlei gräulich Getier und ein Denkmal für Hans Christian Andersen (1805-1875), den berühmten dänischen Dichter vieler Kunstmärchen.
Eine lebende Figur ist mir besonders ins Auge gestochen, eine junge dunkelhäutige Braut in einem goldorangeroten, langen Kleid, das sie selbstbewusst zur Schau trug. Sie bot ein Bild abgerundeter Schönheit und Harmonie. Ich muss gestehen, dass ich auf den Bräutigam und die Trauzeugen gar nicht geachtet habe.
Durch die Lavendelstrædet geht es vom Rådhuspladsen weiter zum Nytorv, dem Neuen Markt, mit dem Amtsgericht und gegenüber einem Haus, in dem der Philosoph Søren Kierkegaard (1813-1855) mehrere Jahre wohnte. Auffallend ist eine Skulptur in Form einer zerquetschten Getränkedose. Wir gehen weiter durch die Kompagnistræde im Einkaufsviertel Strøget und biegen ab zum Gammel Strand, gehen am Højbro Pladsen (= Hochbrückenplatz) mit einem Reiterdenkmal des Stadtgründers, des Bischofs Absalon, vorbei, über die Brücke, entlang des Thorvaldsens Museums und zur Christiansborg, die heute als Parlament dient.
Weiter geht es über den Slotsplads (Schlossplatz) zur barocken Børsen, dann zurück über die Holmens Bro zur Besichtigung der interessant eingerichteten Holmens Kirke, an deren Stelle ursprünglich eine Ankerschmiede stand, die König Christian IV. zu einer Marinekirche umbauen ließ. Dann wollten wir die Nikolajkirche sehen und fanden darin ein – Restaurant (!) vor. Durch die Østergade (= Ost­gasse), in der wir Ansichtskarten kauften, gelangten wir anschließend zum Kongens Nytorv (Königlicher Neuer Markt) mit einem Reiterdenkmal König Christians V.  An diesem Platz steht auch Det Kongelige Teater, erbaut von 1872-1874 im Stil der Neo-Renaissance vom Hofbaumeister Nikolai Eigtved. Georg hatte dort 1967 seine persische Studienkollegin Pari Samar als Carmen erlebt. Heute spielt man dort eher „kleinere“ Stücke, nachdem inzwischen das hochmoderne neue Skuespilhuset (= Schauspielhaus) und gegenüber auf dem Holmen 2005 die Nye Opera erbaut wurden. Links neben dem Königlichen Theater steht das Schloss Charlottenburg, benannt nach der Witwe von Christian V., gegenüber das Palais Thott, das sich der Admiral Niels Juel 1683-1686 erbauen ließ. Dann wandern wir an den vielen originellen, vollen Lokalen am Nyhavn vorbei, können uns aber an­gesichts der stolzen Preise nicht entschließen, Platz zu nehmen und zu essen. Wir hoffen auf etwas Günstigeres… Wir kommen an einem Haus vorbei, wo Hans Christian Andersen von 1845-1864 wohnte, und stoßen um die Ecke des Nyhavns auf das bereits erwähnte Neue Schauspielhaus aus viel Glas. Und schräg gegen­über auf dem Hol­men steht die Neue Oper, die von außen mit jener spektakulären Architektur des Pendants von Oslo nicht ganz mithalten kann. Die Baukosten von ca. 335 Mio. Euro brachte die Stiftung der Reederfamilie Møller auf, der mit dem Mærsk-Konzern eines der größten Unternehmen Dänemarks gehört. Der Architekt war übrigens Henning Larsen.
Wir gehen weiter über den Skt. Annæ Plads und die Toldbodsgade (= „Zollhausgasse“), vorbei an mehreren Botschaften und einer russischen Kirche und biegen beim Amaliehaven (Amaliengarten) nach links ab und stehen plötzlich auf einem achteckigen Platz, um den das Amalienborg Slot steht, in welchem Königin Margarethe II. wohnt. Die Mitte des Platzes ziert ein Reiterstandbild.
Ich gehe inzwischen weiter zur Marmor- oder Frederikskirche mit einer mächtigen Kuppel von 33 m Durchmesser, während Georg bei der Wachablöse hängen bleibt. Unter Frederik V. hatte man 1749 mit dem Bau der Kirche  begonnen – wegen drastischer Kostensteigerungen bei norwegischem Marmor wurde sie erst 1894 fertig…
Wir wandern hungrig weiter, vorbei an der russischen Alexandr-Nevskij-Kirche, die von Zar Alexander III. gestiftet wurde, und am Kunstindustrimuseet. Ein nettes Lo­kal an der nächsten Ecke sperrt gerade zu…
Dann stehen wir vor dem Kastell im Churchill-Park und gehen erst rechts daran vorbei. Dort steht die anglikanische St. Alban-Kirche und der spektakuläre Gefion-Springvandet (Gefion-Springbrunnen), den Anders Bundgaard 1897-1908 schuf. Er stellt eine Tochter Odins, die Göttin Gefion, dar, die mit Hilfe von vier Stieren die Insel Seeland (Sjælland) aus schwedischer Erde herauspflügte.
Durch die Parkanlage entlang des Inderhavns gehen wir an einem Denkmal König Haakons vorbei zu Den Lille Havfru (The Little Mermaid, Die kleine Meerjungfrau), die Edvard Eriksen 1913 nach einer literarischen Schöpfung Hans Christian Andersens in Bronze gegossen hat. Sie gilt als Wahrzeichen Kopenhagens. Giorgio bietet mir an, den dringend benötigten Kaffee dort an einem Kiosk zu trinken, doch ich bin jetzt bockig – ich wollte meinen Kaffee in einem Lokal zu mir nehmen. Ziemlich sauer umrunden wir das Kastell weiter bis zu einer Brücke über den Graben, die zu einem Tor des Kastells führt. Die zwischen 1662-1665 errichtete fünfeckige Anlage, in der es sogar eine Windmühle gibt, wird nach wie vor vom dänischen Militär ge­nutzt. Wir verlassen das Kastell; ich möchte kurz in die anglikanische Kirche schau­en, doch sie ist genauso geschlossen wie das Café im Park.
Wir folgen der Esplanade und der St. Pauls gade, schauen kurz in die St. Pauls-Kirche und erreichen über die Kronprinsessegade den Kongens Have, den wunderschönen, 1606 angelegten Garten des Königs. In diesem Park befindet sich das ebenfalls 1606 erbaute Renaissanceschloss Rosenborg, in welchem die dänischen Kronjuwelen verwahrt werden. Wir müssen uns aus zeitlichen Gründen auf das Äußere des prächtigen Schlosses beschränken. Zur Hebung meiner Stimmung lädt mich Georg zu Kaffee (je DEK 30,- = € 3,80) und einem sündteuren Brombeerkuchen (je DEK 45,- = € 5,70) und ein ebensolches kleines Mineralwasser (je DEK 22,- = € 2,75) in das Schlosscafé Traktørstedet ein.
Über die Østervoldgade (Ostwallgasse) und die Gothersgade kommen wir an der Kreuzung von Landsmærket und Købmagergade zum 35 m hohen Rundetårn (Runder Turm), der 1642 als Observatorium der Uni erbaut wurde. Tor und Fassade sind üppig verziert. Die Synagoge in der Krystallgade ist so gut getarnt, dass wir sie erst durch die Auskunft eines Passanten finden konnten. Über die  Fiolstræde kommen wir zum Frue Plads (Frauenplatz) und zur Nørregade und stehen nun vor der 1479 gegründeten Universität, vor der Büsten berühmter dänischer Wissenschafter wie z.B. des Nobelpreisträgers von 1922, Niels (Henrik David) Bohr (1885-1962) aufgestellt sind.
Gleich neben der Uni befindet sich Vor Frue Kirke (Kirche Unserer Frau), die von den Einheimischen als Dom bezeichnet wird. Wir werfen einen Blick hinein – im Vergleich zu dem, was wir an Domen so kennen (Wien, Florenz usw. usw.), ist er nur zweckmäßig und wenig opulent ausgestattet.
Da wir nur noch wenig Zeit haben, gehen wir zügig durch das Studentenviertel Latinerkvarter (= Quartier Latin) Studiestræde, Larsbjørnsstræde und Vestergade , wo es die urigsten Lokale und immens viele Fahrräder gab, zurück zum Rathausplatz und weiter zum Hauptbahnhof, erwischen gerade den richtigen Zug und fahren nach 6 Stunden Kopenhagen zurück nach Brøndby zum CP.
Kurz vor 18 Uhr kommen wir am CP an. Rasch zusammenpacken, schnell noch zur Ent- und Versorgungsstation und dann „ab die Post“. Keine Zeit mehr für einen Platzrundgang, ich habe zu wenig von dem CP Absalon gesehen, um ihn gerecht beurteilen zu können. Die Duschen wa­ren in Ordnung. Für das Geschirr gab es nur ein Abwaschbecken. Basta!
Es war ein Tag voll unterschiedlichster Eindrücke, der mich zur Erkenntnis brachte, dass Dänemark, besonders Kopenhagen, eine sehr liberale, individualistische Bevölkerung hat.
Georg chauffiert nun zum südlichsten Zipfel der dänischen Insel Falster, wo wir um 21 Uhr die Fähre von Gedser nach Rostock nehmen wollen. Wir müssen heute noch auf die Fähre kommen, denn am Wochenende sind die ohnedies teuren Fähren (DEK 785,- = € 99,-) noch viel unverschämter ! Ich setze mich erst einmal nach hinten, um etwas abzuspannen.
Als ich mich wieder auf den Beifahrersitz bequeme, sind wir im Begriff, die Brücke über den Guldborgsund vor Nykøbing/Falster zu überqueren, und ich mache abwechselnd Aufnahmen von der beeindrucken Brücke und vom Sonnenuntergang über dem Meer. Das fasziniert mich. Sicher zu viele Fotos, man muss die besten auswählen. Sobald bin ich nicht wieder am Meer, es ist so hinreißend zu beobach­ten, wie sich der Himmel verfärbt, die Sonne langsam versinkt und der Mond erst aufgeht und später im rötlich gefärbten Himmel sich so richtig farblich abhebt. In dieser Abendstimmung so dahinzurollen, das erfüllt meine Seele mit Frieden und Glück.
Eine Stunde vor Abfahrt der Fähre erreichen wir Gedser, wir nützen die Zeit, um endlich etwas zu essen. Es gibt guten kalten, geräucherten Lachs mit Salat, Brot und Avocados, begleitet von einem Glas Ettl-Weißwein.
Die Fähre legt pünktlich um 21 Uhr ab. Wir machen eine Runde durch die verschiedenen Salons und auf Deck, wo es aber schon dunkel und sehr windig ist. Es ist nirgends so richtig gemütlich, wie bei uns im Elf, und mit dieser Erkenntnis ziehen wir uns zurück und “laptoppen“.
Nach einer Stunde ist der Sauerstoff schon ziemlich verbraucht, aufmachen wollen wir nicht, denn im Unterdeck ist noch weniger davon. So freuen wir uns, als der erste Motor anläuft und wir wieder auf festen Boden dürfen.
Wir sind wieder in Deutschland, in Rostock, es ist Nacht und dunkel. So stellen wir uns auf den Parkplatz eines Supermarktes in der Nähe und computern weiter, bis zur guten Nacht!

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Freitag, 12.09.  (335 km)
Ich wache auf, weil ich Laster rollen höre, schaue verschlafen durchs Alkovenfenster und sehe die langen Trucks zur Fähre fahren. Auf unserem Parkplatz, wo anscheinend auch andere Fährengäste übernachtet hatten, ist schon Bewegung – einige Pkws sind bereit zum Weiterfahren. Auch Georg hat den Lärm gehört und möchte weg.
Gut, ruck-zuck, er ist fertig zum Abrauschen. Bei mir geht es heute nicht so schnell ohne Kaffee, so ziehe ich mich während des Fahrens fertig an, während ich durch die Scheiben sehe, fällt mir ein stark rauchender Schlot eines Atommeilers auf. Das macht mir Rostock gleich weniger sympathisch, ganz dicke weiße Rauchschwaden kommen da raus, steigen auf, und man sieht den blauen Himmel nicht mehr. Lauter weiße Wolkenbahnen. Irgendwie ist das unheimlich und bedrückt das Gemüt. Nichts wie weg aus dieser Gegend.
Die E 55 ist gut ausgebaut. Giorgio nützt es aus und braust dahin, er hat eine lange Strecke vor sich und möchte auf Deutschlands Autobahnen unseren Elf einmal „durchblasen“ und auch ausprobieren, was er auf die Straße bringt. Er ist ein bisschen enttäuscht, als es nicht mehr als 130 Stundenkilometer werden. Genügt, in Österreich müsste er sonst für mehr vielleicht sogar Strafe zahlen.
Nach einer Stunde Fahrt brauchen wir wieder Treibstoff und fahren von der Autobahn.  Die Tankstelle in Güstrow ist gut ausgerüstet, und so lädt mich Georg dort gleich auf ein Truckerfrühstück ein. Da bekomme ich ein Häferl Kaffee, zwei belegte Brötchenhälften und eine Eierspeise mit Speck. Gemeinsam putzen wir es leicht weg. Auch zu einem Reifendienst und einem Supermarkt fahren wir noch. Und dann rollen wir gestärkt weiter bis in die Nähe von Neuruppin, wo wir eine Pause machen, während der ich mich bewegen muss.
Auf dieser Raststelle stolpere ich fast über einen großen Apfel, als ich aufschaue, höre ich den Apfelbaum rufen: „Rüttle mich, meine Äpfel sind so schwer und schon alle reif !“ So helfe ich ein bisschen und ernte ein paar große zitronengelbe Früchte mit roten Backen.
Weiter geht’s zur Lutherstadt Wittenberg. Kurz davor gibt es wieder einmal eine Baustelle. Georg stellt den Motor ab, weil eine Aufsichtsperson mit Haltezeichen gerade die Autos aus der Gegenrichtung durchlässt. Als wir wieder Grün bekommen und Georg wieder starten will, tut sich nichts. Da es ohnedies bergab geht, öffnet er die Bremsen und will den Motor anreißen. Auch das schlug fehl. So lässt er den Elf  rollen, rollen, rollen bis ins nächste Dorf . „Was tust Du, fahr doch an die Seite !“ schlage ich vor. „Vielleicht sehe ich einen Mechaniker“, meint Georg. Tatsächlich bei der Einfahrt zum nächsten Ort ist ein Hinweis. Unser Elf schafft es, bis hinein zu rollen, und dort steht uns jemand mit Rat zur Seite. Der Meister kommt und startet erfolgreich beim ersten Versuch ! Auch er hat die Fehleranzeige noch gesehen, kann aber das Problem nicht wirklich lösen und empfiehlt uns an den Frächter und Iveco-Mechaniker Ehrbar in Wittenberg weiter, den er auch gleich anruft. Dort gelingt es dem freundlichen Mechaniker mittels Diagnosesteckers, den elektronischen Fehler zu finden und die Fehlfunktion zu löschen. Obwohl er sich fast eine Stunde bemüht hat, verlangt er kein Geld. Das ist Ostdeutschland ! Georg solle etwas in die Kaffeekasse werfen, was er sehr gerne tut. Dann fahren wir ohne weitere Probleme ins Zentrum bis in den Schlosshof hinein, wo wir eigentlich gar nicht parken dürften. Das bemerken wir allerdings erst, als wir weiterfahren...
Die Sehenswürdigkeiten haben bereits geschlossen, die Touristeninfo nennt uns aber den CP Marina beim Brückenkopf. Beruhigt spazieren wir noch durch den Ort und erfreuen uns am mittelalterlichen Ortsbild und der angenehmen Stimmung. Die Vorfreude auf den nächsten Besichtigungstag ist groß.
Das Personal am CP ist sehr liebenswürdig, der Platz sehr gepflegt, aber der Wind kalt und böig. Wir verziehen uns gleich in unser Kapäuschen und hören die österreichischen Nachrichten, während ich unser Essen mache. Es gibt noch geräucherten Lachs aus Norwegen und gefüllte Paprika aus der Dose.

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Samstag,13.09.  (87 km)
Sieben Grad zeigt unser Thermometer, aber die Sonne scheint. Schnell unter die warme Dusche, dann sind wir wieder fit für den Tag. Nach dem guten Frühstück, starten wir in die Lutherstadt Wittenberg. Es gibt aber verschiedene Meinungen, was den Tagesablauf betrifft, und weil Georg wieder einmal etwas Anderes tut, als er angekündigt hatte, werde ich leicht sauer.
Ich wollte ganz früh ins Luther-Haus, um der kalten Morgentemperatur zu entfliehen und um den großen Touristengruppen zuvor zu kommen, doch Georg fährt erst zur Hundertwasser-Schule. Obwohl ich eine große Hundertwasser-Verehrerin bin, passt mir das nicht in den Kram, ich bin verärgert! Der Tag, auf den ich mich so gefreut hatte, beginnt nicht gut.
Als wir dann erst um 11 Uhr im Luther-Haus, einem ehemaligen Kloster, ankommen, sind schon die Massen unterwegs, ich kann schlecht filmen, weil mir dauernd eine Gruppe im Weg steht. Eine Führung kommt nach der der andern, jeder erklärt etwas Anderes, und man kommt nicht dazu, den eigenen Gedankengängen nachzuhängen. Meine Befürchtungen sind eingetroffen, und ich bin einfach weiterhin sauer. Nach einer Stunde aber lässt der Besucherstrom nach, vielleicht sind jetzt viele beim Mittagessen. Wir haben Muße, um in Ruhe Martin Luthers Leben und Wirken zu verfolgen. Von seinen 95 Thesen an der Schlosskirchentür hatte sogar ich als ehemalige Katholikin gewusst und auch von seiner Bibelübersetzung in ein (künstliches) Deutsch, das er erst als Hochsprache begründete und das zwar jeder ver­stand, aber niemand so sprach. Dass es aber Philipp Melanchthon (eigentlich Schwartzerdt, 1497-1560) war, der ihn dazu inspirierte und der überhaupt geistig sehr viel bewegte, als Universitätsprofessor die unterschiedlichsten Vorlesungen hielt und Luther sehr unterstützte, war mir neu. Luther selbst, abgesehen von seinen bekannten Aktionen, imponiert mir mehr durch seine Standfestigkeit in religiösen Fragen als durch seinen Lebenswandel. Er dürfte ein großer Genießer gewesen sein, wie ich aus seinem Erscheinungsbild schließe. Einmal Revoluzzer, einmal Mönch, dann wieder Ehemann, der sich immer wieder kasteit und der auch meint, die Gesellschaft beherrschen zu müssen, da bleibt bei mir nicht nur Be­wunderung für ihn übrig. Ich orte einen starken Machtanspruch darin, wie und wie oft er sich hat malen lassen, etc, etc...
Der asketisch wirkende Melanchthon mit seinem durchgeistigten Wesen hat mich viel mehr begeistert, musste man doch nach seinem Tod gleich vier Professoren für all jene Vorlesungen, die er alleine gehalten hat, engagieren.
etzt werden auch wir zu Genießern und wollen zu Mittag essen. Im Bräugasthof gibt es ab 14 Uhr nichts mehr, und so übersiedeln wir in Tante Emmas Bier- und Kaffeehaus auf dem Markt, auf dem sich, während wir auf das Essen warten, eine ganze Schar von Oldtimern versammelt.
Da wir zuvor noch in einer Ausstellung von Cranach-Zeichnungen im Cranach-Haus am Markt waren, kamen wir leider erst ziemlich spät in das Melanchthon-Haus, so dass ich ihn nicht intensiv genug studieren konnte. Zumindest konnte ich einige von seinen Einführungs­vorlesungen mit Kopfhörer abhören.
Bei genauerer Ansicht der Stadt Wittenberg selbst hat sie für mich auch einiges von ihrem Charme eingebüßt. Da gab es die alles beherrschende Familie der Cranachs, die den größten Immobilienbesitz in Wittenberg anhäuften, unter anderem die Malerschulen, Druckereien und Apotheken, Lucas Cranach, der gleich dreimal zum Bürgermeister gewählt wurde – kann das noch ein idealer Künstler sein? Zumindest hatte er viele Schüler, die seine Ideen ausführten. Wir konnten auch die Dru­cke­rei im Erdgeschoss seines Hauses besichtigen.
Ein Großteil der Stadtbewohner lebt heute noch sehr von der Vergangenheit. Mir scheint, etwas zu sehr, bei aller Wertschätzung für die Errungenschaften der damaligen Ereignisse. Jetzt im September 2008 finden die 500 Jahr-Feiern statt, wo nur noch Luther und die Reformation die Szene beherrschen werden.
Jetzt setzen wir die Reise fort bis zur Stadtgrenze von Leipzig auf den CP Auen­see, den ich in einer Werbebroschüre gefunden habe. Da wir erst nach 20 Uhr eintreffen, ist es schon dunkel, und wir können von dem Auensee nichts mehr sehen. Es sitzen noch einige junge Leute draußen, die sich lautstark unterhalten. Dieser Platz scheint sehr beliebt und gefragt zu sein.
Für uns ist es zu kühl, wir essen unsere Knackwürste mit Chili con carne aus der Dose drinnen. Da bekomme ich einen Anruf aus Wien vom Polizeikommissariat Hohe Warte, die nach unserer Gudrun fragen, weil – welch ein Schreck – ihr Freund Manuel einen Motorradunfall hatte. Der Beamte beruhigt mich und erklärt, dass Mani nur leicht verletzt sei, aber im Böhler-Unfallspital zur Beobachtung liege. Ich versuche gleich, Gudrun zu erreichen. Von Karina höre ich dann, dass sie schon ins Krankenhaus unterwegs sei. So warten wir bange, um Genaueres zu erfahren. Es stellt sich später heraus, dass Mani eine Gehirnerschütterung und eine Absplitterung des 6. Halswirbels erlitten habe. Da hatte er noch großes Glück – es hätte viel schlimmer ausgehen können. Seine Maschine sei jedenfalls Schrott.

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Sonntag,14.09.  (149 km)
Wir hören von Gudrun, dass es Manuel den Umständen entsprechend gut gehe. Er sei natürlich schwach und erholungsbedürftig und werde wochenlang eine Halskrause tragen müssen. Da muss er durch, der Arme – unser Mädchen wird ihm sicher eine gute Stütze sein.
Heute gibt es ein Sonntagsfrühstück mit weichem Ei und Toast, Wurst und Käse. Wir haben vor, Leipzig zu besichtigen, da brauchen wir schon Kraftreserven. Wir stellen den Elf in der Nähe des Hauptbahnhofs ab und beginnen unseren Rundgang beim Brühl, wo Bombenruinen aus dem 2. Weltkrieg in archäologischer Manier aus­gegraben werden. In der Nähe des Alten Rathauses bewundern wir die alte Börse, die man erst kürzlich renoviert hat, um sie jetzt kulturell zu nützen. Im Rathaus selbst sehen wir den Festsaal mit einem Modell der Altstadt und Portraits aller Bürgermeister, sowie einige Säle mit zeitgeschichtlichen Dokumenten, Bil­dern und Skulpturen kirchlicher und profaner Herkunft. Auch der erste Arbeitsvertrag Bachs als Thomaskantor ist ausgestellt. Wir merken erst nachher, dass wir eigentlich hätten Eintritt zahlen sollen. Nun, man wird das verschmerzen.
BGeorg lädt mich zum Mittagessen in Auerbachs Keller ein, der historisch sehr interessant ist, weil man dort schon seit dem Mittelalter gerne speist. Wir haben uns für das angepriesene Hausgericht Wildschweinbraten mit Knödel, Rotkraut, Kroketten und Rotwein entschieden und es nicht bereut. Das Fleisch war herrlich weich, zwar nicht besonders gewürzt, aber sehr appetitlich angerichtet. Das Lokal war ziemlich voll, doch die Bedienung weder schnell noch besonders freundlich. Man weiß wohl, dass die Gäste hauptsächlich Touristen sind, die nicht so bald wiederkommen.
Auch Goethe hat sich dort oft bedienen lassen, vermutlich ganze Nächte durchgefeiert während jener drei Jahre, als er in Leipzig Jus studierte, bis ihn ein Blutsturz heim zur Pflege nach Frankfurt am Main zwang. Er hat dies später in seinem jedermann bekannten Faust I verarbeitet, worin er Faust und Mephisto in Auerbachs Keller auftreten lässt, was dem Kellerlokal bis heute als beste Werbung hilft. Man hat den ganzen Keller mit Bildern aus Goethes Theaterstück dekoriert.
Leipzig ist schon seit 1497 kaiserliche Messestadt. Die 2. deutsche Universität – ihr Gebäude ist heute Verlagszentrum – wurde eigentlich schon 1409 in der Thomaskirche gegründet.
Die Thomaskirche, wo Bach als Kantor tätig war und wo elf seiner 13 Kinder getauft wurden, war gleich in der Nähe. Als ich den Kirchenraum betrat, umfing mich herrliche Orgelmusik, ich glaube, ich habe dieses Instrument nie besser spielen gehört. Der Organist hatte wirklich alle Register gezogen. Es saßen einige Leute um ihn herum, denen er wahrscheinlich alle möglichen Facetten demonstrieren wollte. Leider währte dieses Vergnügen nur kurz.
An­lässlich des heute in Deutschland abgehaltenen Tags des Denkmals kamen wir jedoch in den Genuss einer Gratis-Kirchenführung durch den begeisternden Pastor. Durch ihn erfuhren wir einige amüsante und viele sehr wissenswerte Details, zum Beispiel, dass Richard Wagner hier in dieser Kirche getauft wurde, wie auch der spätere Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, Karl Liebknecht, dessen Taufpaten ausgerechnet Karl Marx und Friedrich Engels hießen, und dass Martin Luther von einer Kanzel, die heute im Museum ist, hier gepredigt hat.
Coffe Baum, ein Gemisch aus Restaurant, Café und Museum, ist auch eine Sehenswürdigkeit, der wir einen kurzen Besuch abstatteten und die uns an unsere Aufenthalte im Morgenland erinnerte.
Auf dem Rückweg kamen wir an der Nikolaikirche vorbei, von wo die Montagsdemonstrationen, die in weiterer Folge 1989 zur Wende geführt haben, ihren Ausgang genommen hatten. Georg macht noch eine Fotoserie beim Gewandhaus und dem Opernhaus mit seinem aktuellen, ganz interessanten Programm.
Wir verlassen die Stadt auf der B95 über Chemnitz und Marienberg, bis wir in einem hügeligem Gelände im Bergbauort Pobershau einen Stellplatz für nur 3 € finden.
Die Umgebung wäre bei schönem Wetter sicher einige Wanderungen wert, doch schüttet es wieder einmal dermaßen, dass wir mit unserem einzigen Stellplatznachbarn nur ein paar Sätze austauschen, bevor wir ins Trockene und Warme flüchten.

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Montag,15.09.  (471 km)
In der Früh mache ich schnell unser Obstfrühstück, und wir beeilen uns, auf deutschem Gebiet noch unsere Leerflaschen einzutauschen. Georg braucht bei diesem nasskalten, regnerischen Wetter eine stärkende Leberkässemmel, um auf  Trab zu kommen. Dann geht es los, über ein kleines gebirgiges Stück der Grenze bei Marienberg zu.
Durch Böhmen fahren wir über Komotau (Chomutov), Saaz (Žatec) und Pilsen (Plzeň), wo wir zu Mittag essen, und dann weiter über Budweis (České Budějovice) nach Wittingau (Třeboň), wo wir noch Pilsner und Krušovicer Bier, sowie böhmische (Servietten-) Knödel einkaufen. Das Wetter ist durchwegs schlecht: kühl und immer wieder Regen. Die Straßen in Tschechien sind bekanntlich auch nicht die besten.
Wir freuen uns, endlich Österreich zu erreichen und wieder in unserer Heimat zu sein und genießen die heimische Luft. Es geht sich gerade aus, dass Georg in Wien in der Leystraße einparkt und noch in die Staatsoper zu seiner Probe zurecht kommt. Welch ein Timing! Er braucht anscheinend diesen Stress.
Ich bin froh und glücklich, dass mein Giorgi diese immens weite Strecke – insgesamt 8.787 km – ohne Unfall geschafft hat. Kompliment!



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